Tale · Flemming Meyer · 19.06.2008 Tätigkeitsbericht 2007 der Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten


Vielen Dank an Frau Wille-Handels für Ihren hervorragenden Bericht, ihre gute Arbeit und ihre konstruktiven Vorschläge. Der SSW wird entsprechende Punkte unterstützen, damit sich die von der Bürgerbeauftragten genannten Probleme endgültig beilegen lassen.

Ich möchte hier einige Themenfelder herausgreifen.

Verfahren bei Gericht dauern zu lange. Was bei Nachbarschaftsstreitigkeiten ärgerlich ist, ist vor dem Sozialgericht Existenz bedrohend: Wer keine Rücklagen hat, kann nicht Monate oder Jahre auf seine Rente oder seine Sozialhilfe warten. Hier muss das Land Schleswig-Holstein umgehend eine Gesetzesänderung anschieben, damit Bearbeitungszeiten bei Sozialleistungen deutlich verringert werden. Die Frist von einem halben Jahr ist nicht hinnehmbar! Hier muss nachgebessert werden. Die Agenturen für Arbeit machen es vor. Die Bürgerbeauftragte berichtet, dass es keine einzige Eingabe bezüglich der Bearbeitungsdauer gab. Das ist vorbildlich.

Der SSW fordert immer wieder, die Familien mit Kindern finanziell zu entlasten oder zu fördern. Der so genannte Kinderzuschlag hat aber noch nie das gehalten, was uns auf Pressekonferenzen weisgemacht worden ist: zu wenig Geringverdiener steigen durch das komplexe Regelwerk, so dass sie überhaupt Leistungen erhalten. Sogar die Bürgerbeauftragte muss mit ihrem Team die Waffen strecken, weil die Bescheide nicht nachvollziehbar sind. Familienförderung ist das nicht. Also weg mit dem Gesetz und der Umstellung der Förderung.

Bezüglich immer noch bestehender Probleme auf dem deutsch-dänischen Arbeitsmarkt regt der SSW an, eine ständige Kommunikationsplattform einzurichten. So wie man sie in der Öresundsregion kennt. Das Infocenter Grenze und EURES leisten gute Arbeit und die beteiligten Organisationen haben inzwischen ein funktionierendes Netz errichtet. Immer noch fehlen in diesem Netz entscheidende Akteure, wie die Kammern, die Finanzverwaltung und die Krankenkassen. Wir müssen umgehend entscheiden, wie diese Plattform aussehen soll, damit die Pendler, deren Zahl erst jüngst die 10.000er Marke übersprungen hat, schnelle und unbürokratische Unterstützung erhalten.

Leider zeigt auch dieser Bericht eine unrühmliche Tradition: jedes neue Gesetz führt zunächst einmal zu Unsicherheit und damit auch zu Eingaben. Bei den Kompromissen innerhalb der Großen Koalition, ob nun in Kiel oder Berlin, die oftmals erst nach nächtelangem Geschacher zustande kommen, kommt der Gesetzesvollzug oftmals zu kurz. Die Folge ist, dass die Beamten nicht wissen, wie sie entscheiden sollen und die Bürger schauen in die Röhre. Dann muss die Bürgerbeauftragte eingreifen. Die so genannte Gesundheitsreform ist nur eines der Beispiele in dem vorliegenden Bericht. Ich hoffe, dass wir das beim neuen Schulgesetz nicht auch erleben werden. Allerdings zeigt die Zahl der Petitionen aus dem Jahr 2007 bereits eine Tendenz auf. Es wird niemanden überraschen, wenn die Zahl 2008 weiter steigen wird.

Immer noch ist die überstürzte Verabschiedung der Hartz-Gesetze Anlass für das Gros der Eingaben. Der Bericht sagt es klipp und klar: Es besteht Rechtsunsicherheit. Das ist neben der unzumutbar niedrigen Höhe der Leistungen, der immer noch unzureichenden Beratung und dem Ausschnüffeln der privaten Lebensumstände ein weiteres Problem des Gesetzes. Wo früher einmal unbürokratisch geholfen wurde, um Notsituationen zu vermeiden, hatte ich nach der Lektüre des Berichtes den Eindruck, dass Leistungsverzögerungen ein Systemproblem sind. Dass das auf den Rücken der Arbeitslosen geschieht, ist unerträglich.

Es gibt ausgesprochene Dauerbrenner, die jedes Jahr wieder von der Bürgerbeauftragten angesprochen werden. Dazu gehören die Servicestellen, die uns – im übertragenden Sinne des Wortes – auch der Behindertenbeauftragte ans Herz gelegt hat. Sie bieten eine trägerunabhängige Beratung für Menschen mit Behinderungen an, werden aber zusammengestrichen. Das ist der falsche Weg. Die Kollegen von den GRÜNEN haben bereits einmal eine bessere Ausstattung der Servicestellen gefordert. Ich denke, es wird Zeit, diesen Antrag noch einmal hervorzuholen. Der Bericht der Bürgerbeauftragten zeigt nämlich, dass nur der Gesetzgeber an der derzeit desolaten Lage etwas ändern kann.

Niemand ist so naiv zu glauben, dass das Amt der Bürgerbeauftragten in ferner Zukunft einmal überflüssig sein könnte. So lange Menschen entscheiden, passieren Fehler. Es liegt aber uns, Probleme im System zu beheben. Thema unserer Arbeit sind weder inkompetente, schusslige oder faule Sachbearbeiter, sondern Rechtsunsicherheiten, lange Bearbeitungsfristen und lebensferne Anrechnungsregeln. Da müssen wir als Gesetzgeber tätig werden. Und zwar schleunigst.

Die Umfrage unter den Petenten zeigt, dass mittlerweile fast jede zweite Eingabe nach einem entsprechenden Hinweis aus der Verwaltung erging. Dort ist man sich also völlig im Klaren über bestehende Kompetenz- oder Zuständigkeitsprobleme. Der SSW versteht das als einen nicht mehr zu übersehenden Hinweis auf Ausführungsdefizite. Die Wege zwischen Bürger und Verwaltung werden immer länger und intransparenter. Es wird höchste Zeit, das zu ändern.

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