Rääde · Lars Harms · 24.01.2018 Weiterhin keine Bürgerentlastung bei Kita- und Straßenausbaubeiträgen durch Jamaika

Lars Harms zu TOP 1A - Regierungserklärung zur Vereinbarung mit den kommunalen Landesverbänden

„Zwei große politische Probleme werden weiter aufgeschoben. Die Eltern werden nicht bei den Kita-Beiträgen entlastet und die Bürgerinnen und Bürger bleiben weiter auf Straßenausbaubeiträgen sitzen!“

Liebe Jamaikaner.  Ich habe großes Verständnis, dass ein Bündnis, das aufgrund seiner Zusammensetzung auf Minimalkonsens fußt, immer mal ein paar Streicheleinheiten benötigt. Lasst mich nach dieser Debatte deshalb zunächst festhalten:

Es ist positiv, dass diese Regierung bemüht ist, weitere offene Punkte mit den Kommunen zu lösen. Ich denke, wir können uns alle auf die Fahnen schreiben, hier ein gutes Stück weiter gekommen zu sein. Ob unter rot-grün-blauer oder wie jetzt unter schwarz-gelb-grüner Fahne. 

Dass dies möglich ist, liegt selbstredend nicht daran, dass wir so unglaublich cool runnings-mäßig drauf sind, sondern schlicht und ergreifend an der Tatsache, dass die finanziellen Möglichkeiten des Landes dies hergeben. Dagegen ist nichts einzuwenden. Genießt es, so lange es währt. Das haben wir auch getan. 

Betrachtet man das Kommunalpaket, muss man jedoch ehrlicherweise sagen, dass es kaum die Hauptentlastung der Kommunen darstellt. Die Hauptentlastung der Kommunen entsteht durch die gute Wirtschaftslage. Auch das gehört zur Wahrheit. 

Es ist nicht der Verdienst der Landesregierung, dass es den Kommunen heute strukturell besser geht als vor 10 Jahren. Die gute wirtschaftliche Lage macht es möglich. Das Kommunalpaket ist somit kein Rettungspaket für die Kommunen. 

Es ist vielmehr ein Ruhekissen, das die Kommunen in den Dämmerschlaf versetzen soll, wenige Wochen vor der Kommunalwahl. 

Es ist doch ein bisschen wie mit dem Ei und der Henne: Selbstverständlich müssen wir in die Qualität der Kitas investieren. Doch was nützen diese Investitionen, wenn nur betuchte Familien sich leisten können, ihr Kind in die Kita zu schicken. Schon klar, hier haben sich die Grünen durchgesetzt. Es ist die alte Diskussion: Wir anderen wollten die Kita für jedermann zugänglich machen, die Grünen sorgten sich um den Personalschlüssel. Kein Vorwurf. Beides ist berechtigt. Aber eben auch nur dann, wenn beides geschieht. Das ist hier nicht der Fall.  

Es werden in 2018 zusätzlich 15 Millionen und in den beiden Folgejahren weitere 5 Millionen Euro zusätzlich für die Kinderbetreuung zur Verfügung gestellt. Auch der U3-Bereich wird mit 75 Millionen Euro gefördert. Da kann man nichts gegen haben, denn der Kita-Bereich ist unterfinanziert. 

Fakt ist aber auch, dass die Eltern nicht entlastet werden. Wir werden nicht schrittweise zu einer Beitragsfreiheit kommen. Die Landesregierung überweist Millionen von Euro an die Kommunen, ohne Einfluss darauf zu nehmen, dass künftige Gebührenerhöhungen ausbleiben oder zumindest bereits vorgenommene zurückgenommen werden. Wir sollten den Eltern daher ehrlich gegenüber sein: Das Finanzierungspaket von Daniel Günther bleibt für Euch eine Nullnummer. 

Das ist Politik gegen die Eltern. Denn die werden auch weiterhin auf ihren hohen Kita-Gebühren sitzen bleiben. Da hätten wir dann schon ein bisschen mehr erwartet.  

Auch der Sonderzuschuss für die Infrastruktur ist im Kern begrüßenswert. Zur Kompensierung entgangener Straßenausbaubeiträge ist er jedoch wenig bis gar nicht geeignet. Denn finanzschwache Kommunen werden auch weiterhin nicht in der Lage sein, auf die Beitragserhebung zu verzichten. Und da die Mittel ohnehin nicht zweckgebunden sind, können sich viele Bürgerinnen und Bürger sicher sein: Die Rechnung kommt. Auch wenn Daniel Günther im Wahlkampf noch etwas völlig anderes versprochen hat. 

Es ist lobenswert, dass aus den schon von der Küstenkoalition zur Verfügung gestellten Mitteln das Landestheater in Schleswig und Feuerwehrgerätehäuser im ganzen Land gefördert werden. 

Wenn man aber sieht, dass noch 30 Millionen Euro überbleiben, und die Landesregierung ab 2018 sogar noch jährlich 15 Millionen Euro bis 2020 dazu packt -  und man dann noch in Aussicht stellt, dass dieses Geld auch danach zusätzlich zum Kommunalen Finanzausgleich zur Verfügung gestellt wird - dann hätte man auch eine Erstattung für den Ausfall von Straßenausbaubeiträgen daraus machen können. Die Summe mit insgesamt 45 Millionen Euro hätte nämlich gepasst. 

Hier hat man schlecht verhandelt, weil man so ein enormes Problem auf der kommunalen Ebene eben nicht gelöst hat. Die Kommunen werden jetzt weiterhin die Forderung nach Kostenerstattung aufstellen und die Landesregierung hat hier eine riesen Chance vertan, ein Thema endgültig abzuräumen und die Bürgerinnen und Bürger hier flächendeckend von den Straßenausbaubeiträgen zu entlasten. Genau wie bei den Kindergärten bleibt es hier bei einer Belastung der Bürgerinnen und Bürger. Dabei wollten Sie doch die Menschen in unserem Land entlasten! Das tun Sie aber genau nicht!

Ähnlich sieht es auch in den Schulen des Landes aus. 50 Millionen Euro in den Ausbau der Schulen zu stecken, ist richtig. Überall im Land gibt es Bedarfe und wenn man sich ansieht, wie selbst das Schulklo-Programm angenommen wurde, dann spricht das Bände. Hier muss Geld in die Hand genommen werden und das tut die Landesregierung. Soweit so gut. Und es ist ebenfalls gut, dass die Landesregierung anerkennt, dass die Umstellung von G8 auf G9 Kosten und Konnexität auslöst. Bereits Ende 2017 hatte der SSW die Landesregierung aufgefordert, den Schulträgern eventuelle Mehrkosten, die durch die G9-Umstellung entstehen, zu erstatten. Dass die Landesregierung jetzt erstmals Zusagen in diese Richtung gemacht hat, ist positiv. Doch auch diese Zusage hat einen Haken: Die Landesmittel sollen erst ab 2023 fließen, obwohl konkrete Mehrbedarfe bereits spätestens 2022 zu erwarten sind. Hinzu kommen befürchtete Verschiebungen der Schülerströme und benötigte Planungs- und Bauzeiten. Wen man diese noch mit einbezieht, dürfte klar sein: Das Geld kommt viel zu spät. 

Immerhin: Lob gebührt der Landesregierung dafür, dass sie weitere Mittel für die Sportstätten-Sanierung bereitstellen will. Dies unterstützen wir gerne. Und es ist auch richtig, dass wir hier die Förderrichtlinie öffnen und zusätzliche förderfähige Maßnahmen ermöglichen. Der Bedarf in den Kommunen und bei den Vereinen ist enorm. Und da der Sport die größte ehrenamtliche Bewegung im Land mit rund 1 Million aktiver Menschen ist, ist dieser Einsatz auch gerechtfertigt. Der Landessportverband hat längst dokumentiert, dass der Sport ein großer Wirtschaftsfaktor für unser Land ist. Dies alles zeigt, dass hier sehr viel getan werden muss, um die Bedingungen für den Sport weiter zu verbessern. Ich bin froh, dass das, was die Küstenkoalition in diesem Bereich begonnen hat, jetzt von der Jamaika-Koalition weitergeführt wird.

Auch, dass die Integrationspauschale weiterhin gilt und auch nicht Infrage gestellt wird, ist richtig. Wir wissen, dass diese Mittel vor Ort unterschiedlich ausgegeben werden. Und es gibt durchaus Kritik, dass einige dieser Mittel lediglich zur Deckung allgemeiner Verwaltungskosten eingesetzt werden. Es kommt doch aber vor allem darauf an, welche Maßnahmen vor Ort umgesetzt werden. Und diese Maßnahmen können sehr unterschiedlich sein. Das ist auch logisch, weil die Maßnahmen in Kiel andere sind als beispielsweise in Olderup in Nordfriesland. Dass wir diese Flexibilität durch die Integrationspauschale haben, ist ein Vorteil gegenüber anderen Regionen in Deutschland. Von daher sind wir mit der Weiterführung in 2018 und 2019 nicht nur sehr einverstanden, sondern wir glauben, dass dies eine dauerhafte Aufgabe ist, die nicht in 2020 abgebrochen werden kann. 

Die Integration ist ein dauerhafter Prozess, der für die jeweiligen Personen durchaus über 5 bis 10 Jahre laufen muss. Und deshalb ist es klar, dass die in den letzten Jahren zu uns Gekommenen auch in den nächsten Jahren Unterstützung benötigen - auch die, die möglicherweise noch kommen, werden diese Unterstützung brauchen. Die Integrationspauschale hilft Menschen. Deshalb wollen wir sie in den nächsten Jahrzehnten weiterführen. 

Ich möchte hier und heute auch darauf hinweisen, dass wir nicht nur das Geld in den nächsten Jahren benötigen. Wir benötigen vor allem auch in Zukunft das ehrenamtliche und hauptamtliche Engagement in der Flüchtlings- und Integrationsarbeit. Wir sind von Herzen dankbar für die enorme Leistung, die unsere Bürgerinnen und Bürger hier in den vergangenen Jahren erbracht haben. Danke Euch da draußen. Ohne Euren Einsatz ginge gar nichts. 

Lassen Sie mich noch einen Bereich ansprechen, der für die Zukunft sehr wichtig sein wird: Die Digitalisierung. Das Papier macht ein grundlegendes Problem deutscher Politik deutlich. Es gibt in diesem Bereich keine abgestimmte Strategie. Weder zwischen dem Bund und den Ländern, noch zwischen Ländern und Kommunen. Deshalb ist es richtig, endlich damit zu beginnen, diese gemeinsame Strategie und gemeinsame Ziele zwischen Land und Kommunen zu erarbeiten. Das mag trocken klingen, ist aber von enormem Wert. 

Wir haben uns in der Vergangenheit immer nur damit beschäftigen müssen, wie wir die digitale Infrastruktur auf die Beine stellen können. Das lag an der mangelnden koordinierenden und lenkenden Hand des Bundes. Da ist man in Dänemark wesentlich weiter. Auch in ländlichen Bereichen gibt es dort nicht nur eine ordentliche Breitbandversorgung, sondern auch einen erstklassigen Mobilfunkempfang. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit – nicht aber bei uns. Wir haben uns auf Landesebene und auf kommunaler Ebene damit abgekämpft, das auszugleichen, was der Bund jahrzehntelang versäumt hat. Und wir stehen als Land Schleswig-Holstein, was die digitale Infrastruktur angeht, immer noch besser da als die meisten anderen Länder. Und trotzdem ist die Versorgung unterirdisch. Hier muss weiter hart gearbeitet werden. Wir dürfen aber eben auch nicht die strukturellen inhaltlichen Fragen links liegen lassen. In der freien Wirtschaft ist man da schon sehr weit. Aber im Bereich der öffentlichen Verwaltung, des Schulwesens und vieler anderer Bereiche haben wir noch Nachholbedarf. Dass dies jetzt gemeinsam mit den Kommunen angegangen wird, ist eine dringende Notwendigkeit. Wir sehen das, was mit den Kommunen vereinbart wurde, als das absolute Minimum an und erwarten eigentlich, dass sich hier in Zukunft noch mehr bewegt, damit wir hier auch einmal im Bereich der digitalen Verwaltung das Niveau der baltischen Staaten oder im Schulbereich das Niveau der skandinavischen Staaten erreichen. Das muss das Ziel sein und hier gibt es noch viel zu tun.

Die Vereinbarung zwischen Land und Kommunen ist bei den Schulen ambitioniert und die Digitalisierung soll auch inhaltlich weitergebracht werden. Das ist vernünftig. Dass der Sport weiter gefördert wird, ist auch richtig. Aber zwei große politische Probleme werden weiter aufgeschoben. Die Eltern werden nicht bei den Kita-Beiträgen entlastet und die Bürgerinnen und Bürger bleiben weiter auf Straßenausbaubeiträgen sitzen. Der große Aufbruch ist das somit nicht!

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