Rede · Flemming Meyer (2009–2020) · 21.02.2007 Gesetz über die oder den Landesbeauftragten für Naturschutz & Landesnaturschutzgesetz

Wir beraten heute einen grandiosen Rückschritt in der Naturschutzpolitik. Alles das, was in den vergangenen 15 Jahren die erfolgreiche Naturschutzpolitik in unserem Land geprägt hat, wird heute ersatzlos abgeschafft. Ich sage dies so deutlich, weil Teile der heutigen Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen in der Vergangenheit für eine andere Politik standen. Da hilft es auch nicht, auf Fraktionszwang zu verweisen und darauf hinzuweisen, dass der jeweils andere Koalitionspartner „der Böse“ sei. Letztendlich werden auch die Abgeordneten der SPD für den großen politischen Sieg der CDU stimmen und ihre eigene Naturschutzpolitik der vergangenen Jahre sang und klanglos zu den Akten legen.

Wir sind wieder zurück in den sechziger und siebziger Jahren, wo sich die Umwelt sämtlichen menschlichen Nutzungsinteressen unterzuordnen hatte. Dies ist in der heutigen Zeit des Klimawandels und des regelmäßigen Aussterbens von Arten das schlimmste Signal, was von diesem hohen Hause ausgehen kann.

Mit unserem Antrag, den wir im Ausschuss sehr rechtzeitig eingebracht haben und der heutigen nochmaligen Vorlage unseres Änderungsantrages wollen wir deutlich machen, dass es auch einen anderen politischen Weg gibt. Dieser Weg ist nach unserer Auffassung der bessere, weil er die Natur schützt und nicht ausnutzt. Wir sind der Meinung, dass die Naturschutzpolitik der letzten 15 bis 20 Jahre, die auch vom SSW mit getragen wurde, eine gute Politik für unser Land war. Deshalb wollen wir diesen erfolgreichen Weg weiter gehen und sehen wirklich mit Grausen, dass hier ein Paradigmenwechsel gegen den Naturschutz erfolgt.

Ganz deutlich wird dieser Paradigmenwechsel im neuen § 1 Absatz 2. Hiernach soll der Natur- und Landschaftsschutz nicht nur die Ziele des Naturschutzes, sondern ausdrücklich auch den besonderen Wert des privaten Eigentums berücksichtigen. Hierdurch wird der besondere Wert des privaten Eigentums besonders hervorgehoben, um diese Eigentumsinteressen, mit denen des Naturschutzes gleichzustellen. Dass Eigentum auch zum Naturschutz und zum pfleglichen Umgang mit der Natur verpflichtet, wird nun ad absurdum geführt. Dafür bedient man sich einer „gesetzgeberischen Vermutung“, wie es der Agrarminister im Umweltausschuss ausdrückte. Denn worin der besondere Wert des Privateigentums besteht, weiß keiner so recht – jedenfalls nicht in Bezug auf den Naturschutz. Diese Vorschrift wird auslegbar sein und sie wird zu Streitigkeiten führen und in extremer Anwendung, dann auch den Rückbau von Naturschutz zu Folge haben. In der heutigen Zeit ist dies ein verheerendes Signal.

Unser Gesetzesentwurf ist da eindeutiger. Wir wollen diesen Passus ersatzlos streichen und auch in § 2 den Hinweis, dass man nur noch „nach seinen Möglichkeiten“ die Ziele und Grundsätze des Naturschutzes beachten soll, ändern. Wenn man nur nach seinen Möglichkeiten zum Naturschutz verpflichtet wird, werden viele natürlich sagen, dass es ihnen unmöglich ist. Es wird auch hier Streitigkeiten und Klageverfahren geben. Und das Ergebnis wird auch hier ein Weniger an Naturschutz sein.

Gleiches gilt für den § 4. Zwar ist man unseren Vorschlägen im Ausschuss etwas entgegen gekommen, in dem die öffentliche Hand nun doch noch in besonderer Weise den Naturschutz berücksichtigen soll. Aber die Verpflichtung, ökologisch besonders wertvolle Flächen der öffentlichen Hand auch in vorbildlicher Weise für den Naturschutz zu nutzen, ist nicht aufgenommen worden. In Bezug auf die eigenen Flächen, will das Land eben nicht ein besonderes Vorbild sein - der Waldverkauf lässt grüßen. Ich bin der Meinung, dass ökologisch wertvolle öffentliche Flächen die Flächen der Bürgerinnen und Bürger sind und dass diese deshalb auch in vorbildlicher Weise für den Naturschutz genutzt werden müssen. Dafür zahlt man seine Steuern. Deshalb ist dieser Passus mehr als angebracht.

Dies gilt auch für das, was wir im § 10 und im § 25 vorgeschlagen haben. Es ist einfach nicht hinnehmbar, dass Küstenschutzmaßnahmen und Küstenschutzanlagen als Eingriff in die Natur angesehen werden, für die dann ein teurer Ausgleich gezahlt werden muss. Für uns ist der Küstenschutz die Grundvoraussetzung, dass sich hinter den Deichen überhaupt die Natur entwickeln kann. Ohne den Küstenschutz gäbe es manches umstrittene Vogelschutzgebiet nicht, weil dort dann nur Wasser wäre. Auch das muss sich im Landesnaturschutzgesetz widerspiegeln, zumal das Bundesnaturschutzgesetz hier eindeutig auch besondere Regelungen zulässt. Wir sehen uns hierbei in völliger Übereinstimmung mit der Basis der CDU und der SPD an der Westküste. Auch für ihre Basis, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und SPD, ist es nicht einzusehen, dass sie die völlige Umstrukturierung des Landesnaturschutzgesetzes nicht dafür nutzen, dem Küstenschutz den gleichen Status einzuräumen wie zum Beispiel der Landwirtschaft.

In diesem Zusammenhang ist es ebenso nicht hinnehmbar, dass weiterhin die gleichen Vorlandarbeiten in Dithmarschen uneingeschränkt möglich sind und in Nordfriesland diese nur eingeschränkt durchgeführt werden können, weil das Gesetz es so vorsieht. Hier muss man nach unserer Auffassung gleiches Recht für alle gelten lassen. Das heißt, dass notwendige Vorlandarbeiten und die Beweidung von Deichvorländereien sowohl in Dithmarschen als auch in Nordfriesland uneingeschränkt möglich sein müssen Auch hier ist unsere Haltung in Übereinstimmung mit ihrer Basis, liebe Kolleginnen und Kollegen der großen Koalition.

Kommen wir aber noch einmal zum § 10 zurück. Wir schlagen vor, die bisherige Positivliste, die definiert, was ein Eingriff in die Natur in jedem Fall ist, weiter im Gesetz zu behalten. Diese Liste hat in der Vergangenheit zu einer gesteigerten Rechtssicherheit geführt und auch die Praxis erleichtert. Jetzt wird es ohne diese Liste wieder zu Rechtsstreiten kommen, obwohl dies nicht notwendig wäre. Ein Gesetz lebt davon, dass es einfach umzusetzen ist. Diese einfache und auch preiswerte, unbürokratische Umsetzung des Gesetzes wird mit der Streichung der Liste erschwert. Zwar werden die Tatbestände, die als Eingriff definiert wurden, auch in Zukunft einen Eingriff darstellen, aber es wird vielerorts zumindest versucht werden, diese Einschränkungen zu umgehen. Das führt zu Planungsverzögerungen, Unsicherheiten, Mehrkosten und möglicherweise einer Klagewut - all das, was die Landesregierung eigentlich abschaffen wollte. Hier haben sie, meine Damen und Herren, ein klassisches Eigentor geschossen.

Auch in der Frage, wie der Ausgleich von Eingriffen zu erfolgen hat, besteht ein großer Unterschied zwischen dem zukünftigen Gesetz und dem, was wir hier vorschlagen. Wir wollen, dass die Bewertungsverfahren, wie der Ausgleich oder der Ersatz ermittelt wird, im Vorwege festgelegt wird und dass die Maßnahmen nach Abschluss auch evaluiert werden. Wir sind der Meinung, dass das der sauberste Weg ist, um Streitigkeiten im Vorwege abzuwenden. Dass dieses von staatlichen Stellen ohne entsprechendes Bewertungsraster durchgeführt werden soll, wird mit Sicherheit zu Konflikten führen, die man gemäß unseres Vorschlags vermeiden könnte. Auch dies würde der Entbürokratisierung und Verwaltungsvereinfachung dienen.

Noch viel wichtiger ist allerdings was wir im § 12 Absatz 3 vorschlagen. Nach unserer Auffassung muss es in Zukunft ausdrücklich möglich sein, Ersatzmaßnahmen auch als Maßnahmen des Naturschutzes in Schutzgebieten durchzuführen. Damit geht man zwar vom Prinzip der Ortsnähe der Ersatzleistungen ab, aber man schafft damit eine Grundlage, dass hier wirklich auch Geld für Maßnahmen in Schutzgebiete fließen kann. Es sollte sich auf das wesentliche Konzentriert werden – und das sind die Schutzgebiete. Diese gilt es zu entwickeln und hier für die Menschen Anreize zu schaffen, Maßnahmen zum Schutz der Natur durchzuführen. Die bisherigen Finanzmittel reichten in der Vergangenheit bei weitem nicht aus und deshalb wird auch eine Prüfung, ob Vertragsnaturschutz möglich ist, nicht den gewünschten Erfolg haben. Natürlich wird man feststellen, dass Vertragsnaturschutz möglich ist, aber man wird das Geld hierfür nicht haben. Was bleibt, ist dann ein Schutzgebiet mit rechtlichen Regelungen und einer unzureichenden Mittelausstattung – und es wird weiterhin unzufriedene Menschen geben. Das wird das Ergebnis ihrer Politik sein.

Eine recht merkwürdige Argumentation hörten wir im Ausschuss auch zum § 29, der sich mit Natura-2000-Gebieten beschäftigt. Wir schlagen vor, dass man eine in den Richtlinien zu Natura-2000 enthaltene Verpflichtung zum regelmäßigen Monitoring mit in das Gesetz aufnimmt. Dies wäre der Vollzug einer europagesetzlich vorgeschriebenen Maßnahme – sozusagen eine 1:1-Umsetzung. Das Ministerium sagte hierzu im Ausschuss, dass dies nicht notwendig sei, weil es ja schon europagesetzlich geregelt sei. Mit dieser Begründung bräuchte ich nicht einen einzigen Paragrafen zu Natura-2000 in das Gesetz aufnehmen. Richtig ist aber, dass man in den einzelstaatlichen Normen selbstverständlich die europarechtlichen Normen umzusetzen hat – jedenfalls dann, wenn es sich um europäische Richtlinien handelt.

Während man also hier an Europa vorbei regieren will, hat man bei der Einschränkung von Maßnahmen nicht so viele Hemmungen. Schmerzfrei, wie der Landwirtschaftsminister ist, werden hier Restriktionen für das Grünland eingebaut, mit der Begründung, dass dies ja europäische Rechtssprechung sei. Die kann sich zwar ändern, aber trotzdem werden hier Nägel mit Köpfen gemacht und die Betroffenen vor vollendete Tatsachen gestellt. Das hat nichts mit 1:1-Umsetzung zu tun, sondern ist Übererfüllung im negativen Sinne. Auch hier wird es unnötigen Streit geben, der eigentlich vermieden werden sollte, da sonst dem Naturschutz nur geschadet wird.

Nun haben sie schon mehrfach gehört, dass ich befürchte, dass dieses neue Gesetz eher mehr Konflikte schafft, als dass es sie verhindert. Da wäre es dann doch zumindest sinnvoll, dass sie unseren Vorschlägen folgen und die Naturschutzbeauftragten auf Landes- und Kreisebene durch das Parlament bzw. die gewählte Vertretung wählen lassen würden. Das würde diese Stellen im Zweifelsfall formell unabhängiger gegenüber der Verwaltung werden lassen. Aber selbst diesen Schritt gehen sie nicht. Und so werden diese Beauftragten, trotz aller ehrenwerter und guter Arbeit, eben nur eingeschränkt unabhängig wirken können. Aber vielleicht ist das ja auch das Ziel der Übung.

Für uns ist es inzwischen klar. Der Naturschutz in Schleswig-Holstein befindet sich unter dieser Regierung auf dem Rückzug. Zuerst wurde per Verordnung die Jagd ausgeweitet und dann der Knickerlass geknickt, was sogar dazu führt, dass sich der Kreis Nordfriesland genötigt sah, sich mit einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit zu wenden, damit die Knicks nicht unsachgemäß abgeholzt werden.
Danach beginnen sie mit der Verscherbelung des Landeswaldes, dessen Ende nicht abzusehen ist, weil sie ja jetzt gerade in diesem Gesetz deutlich machen, dass das öffentliche Eigentum nicht mehr dem Naturschutz gegenüber so verpflichtet sein soll, wie bisher. Damit legen sie die Axt an die größte Naturschutzmaßnahme des Landes – nämlich den Landeswald.
Und durch dieses rabenschwarze Gesetz geben sie dem Naturschutz jetzt den Rest. Sie können dies noch verhindern. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Änderungsvorschlag.

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