Rede · Flemming Meyer · 26.01.2006 Ablehnung der EU-Richtlinie über die Dienstleistungen im Binnenmarkt

Leider müssen wir uns heute schon wieder mit der Diskussion über die Ablehnung so genannten EU-Dienstleistungsrichtlinie befassen. Der Schleswig-Holsteinische Landtag hatte bereits Anfang 2005 einen ähnlichen Antrag auf Initiative des SSW mit Mehrheit verabschiedet. Aber im Grunde macht die EU-Kommission bei der Umsetzung der EU-Richtlinie über die Dienstleistungen im Binnenmarkt den gleichen Fehler wie bei der Richtlinie zu “Port Package II”, die gerade vom EU-Parlament nach vielen Streiks abgelehnt worden ist. Trotz vieler Proteste bleibt die EU-Kommission auch bei der Dienstleistungsrichtlinie hart und macht wenig Zugeständnisse an ihre Kritiker. In vielen europäischen Ländern haben sich aber sowohl Arbeitgeber als auch Gewerkschaften insbesondere gegen die Einführung des so genannten Herkunftslandprinzips eingesetzt.

Denn mit dieser Neuregelung würden bei Dienstleistungen die gesetzlichen Regelungen des Herkunftslands gelten, wenn Firmen aus dem Ausland zum Beispiel in Schleswig-Holstein tätig werden. Die EU-Richtlinie sieht vor, dass Arbeitnehmer EU-weit jeweils nach den Tarifen ihres Heimatlands entlohnt werden dürfen. Dieses Vorhaben würde unserem Arbeitsmarkt, unseren Sozialversicherungen, unseren Arbeitnehmern und unseren regionalen Unternehmen massiv schaden. Damit werden Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein massiv durch Billigkonkurrenz aus dem europäischen Ausland bedroht. Die Folge wären Billigkonkurrenz aus Ländern mit niedrigen Löhnen und Sozialstandards und damit weiterer Sozialabbau, z.B. in unserer Baubranche und bei der Daseinsvorsorge.

Und weiter sollen die Lohn-, Tarif- und Sozialstandards durch die Behörden des Herkunftslands kontrolliert werden. Im Klartext bedeutet dies, dass auf hiesigen Baustellen die Tarife und Bedingungen aus Polen oder Tschechien oder ab 2007 möglicherweise aus Rumänien gelten sollen und dies Einhaltung von den jeweiligen Ländern kontrolliert werden soll. Wie soll das gehen? Und werden diese Länder an einer eingehenden Kontrolle ein Interesse haben? Unter diesen Bedingungen hat ein hiesiger Arbeitnehmer dann keine Chance mehr und ein Unternehmen kann sich dann oft nur noch retten, in dem es seinen Sitz ins Ausland verlegt und dann seine Beschäftigten zu den dortigen Bedingungen anstellt. Uns droht somit ein gigantischer Sozialabbau, anstatt den Menschen in den neuen EU-Ländern die Chance zu geben, unsere Standards irgendwann erreichen zu können.

Wir haben diese Thematik schon einmal diskutiert, als wir seinerzeit das Tariftreuegesetz beraten haben. Damals bekamen wir sowohl von den Handwerksverbänden, anderen Branchenverbänden und auch den Gewerkschaften Unterstützung für unser Tariftreuegesetz. Genau die gleichen Gruppen unterstützen uns nun wieder. Es ist also keine Frage der Ideologie oder der Seite auf der man steht, ob man diese Richtlinie ablehnt, sondern nur die des gesunden Menschenverstandes.

Wettbewerber aus dem Ausland sind uns willkommen, aber nur bei gleichen Tarif- und Lohnbedingungen. Wird diese EU-Dienstleistungsrichtlinie wirklich umgesetzt, dann werden unsere regionalen Arbeitsplätze durch Lohn- und Sozialdumping aus dem Ausland gefährdet. Nach Ansicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes sind ist vor allem kleine und mittelgroße Unternehmen von den negativen Auswirkungen einer Dienstleistungsrichtlinie betroffen. Das können wir nicht hinnehmen, zumal gerade diese Unternehmen das Rückgrat unserer schleswig-holsteinischen Wirtschaft bilden.

Ein weiterer Knackpunkt ist die Tatsache, dass die Richtlinie vorschreibt, dass alle rechtlichen Regelungen, die in den einzelnen Nationalstaaten erlassen werden, unter dem Vorbehalt der Genehmigung der EU stehen sollen. Sollte dies so beschlossen werden, würde sich ein Bürokratismus in der Rechtsetzung zwischen Ländern, Bund und EU ergeben, der ungeahnte Ausmaße erreichen würde. Außerdem stellt sich dann irgendwann auch die Frage, was man mit Bundesländern und Nationalstaaten noch will, wenn die letztendliche Entscheidungskompetenz ohnehin nur noch bei der EU liegt. Mit einer solchen Regelung würde man das bewährte Prinzip aufgeben, nur die Rahmenbedingungen auf EU-Ebene vorzugeben und tiefere Regelungen den einzelnen Staaten zu überlassen. Wir wollen aber bei dem bisherigen bewährten Prinzip bleiben.

Natürlich gibt es auch einige vernünftige Teile in der EU-Dienstleistungsrichtlinie und es herrscht ja auch Einigkeit darüber, dass wir grundsätzlich eine neue EU-Richtlinie in diesem Bereich benötigen. Aber in der jetzigen Fassung muss der Vorschlag der EU-Kommission gestoppt werden. Deshalb muss Schleswig-Holstein sich nochmals klar gegen die Richtlinie aussprechen, die am 14. Februar im EU-Parlament beraten wird und den Widerstand des DGB gegen die europäische Dienstleistungsrichtlinie mit einer großen Demonstration in Berlin am 11. Februar unterstützen.

Ich bin daher sehr dankbar, dass sich insbesondere die beiden großen Fraktionen und auch FDP und Grüne bereit erklärt haben, unseren Antrag in einer leicht geänderten Form zu unterstützen.
Damit geht von Schleswig-Holstein ein gemeinsames klares Signal aus, dass unsere Landesregierung sich bei der Bundesregierung noch mal einsetzen muss, um den berechtigten Forderungen der Kritiker der Dienstleistungsrichtlinie gerecht zu werden.

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