Rede · Flemming Meyer · 08.05.2003 Änderung des Maßregelvollzugsgesetzes

Wenn psychisch kranke Straftäter entweichen, die eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen, dann müssen sie so schnell wie möglich wieder gefunden werden. Man braucht aber aktuelle Fotos, damit die Flüchtigen erkannt und durch die Polizei aufgegriffen werden können. Das ist logisch.

Die Speicherung von persönlichen Daten wie Fingerabdrücke, Fotos oder anderer Körpermerkmale stellt aber einen Eingriff in die Persönlichkeitssphäre der Menschen dar - das gilt selbst­ver­ständlich auch für Straftäter. Deshalb können wir nicht ständig alle Menschen fotografieren, die irgendwann ein­mal auf die schiefe Bahn geraten sind.

Das wäre nicht nur ein verschwenderischer Umgang mit Fotomaterial und Grundrechten. Eine pauschale Verdächtigung aller untergebrachten Menschen widerspricht dem Ziel des Maßregelvollzugs: der Besserung. Unser Rechtssystem baut auf den Grundsatz, dass Straftäter wieder zu einem straffreien Leben in Freiheit befähigt werden sollen. Dieses Ziel verträgt sich nicht mit dem Gedanken, dass alle Straftäter auch während des Vollzugs fortwährend erkennungsdienstlich erfasst werden sollen, weil sie potentiell gefährlich sein könnten.

Wenn es um die Sammlung personenbezogener Daten geht, dann gilt für uns als oberstes Prin­zip das Gebot der Datensparsamkeit. Es soll nur erhoben werden, was unbedingt erforderlich ist. Die Rechte der Betroffenen sollen so wenig wie möglich – aber so viel wie nötig – eingeschränkt werden. In diesem Sinne ging uns der Gesetzentwurf der CDU zu weit. Der Zweck der Datensammlung und die Regeln der Löschung waren zu unbestimmt, und deshalb haben wir auch den von den Ausschüssen beschlossenen Alternativentwurf begrüßt.

Es ist besser und richtig, die Erhebung von erkennungsdienstlichen Daten als eine kann-Vorschrift zu formulieren und nicht als verbindliche Maßnahme für alle Untergebrachten des Maßregelvollzugs vorzu­schreiben. Denn bei weitem nicht alle der ca. 300 in Schleswig-Holstein im Maßregelvollzug unterge­­brachten Menschen stellen eine Gefahr für die Allgemeinheit dar. Im Gegensatz zu den verbreiteten Vorurteilen sind die forensischen Abteilungen nicht nur von Massenmördern und Triebtätern bevölkert, die nur auf eine Gelegenheit warten, wieder zuschlagen zu können.
Deshalb ist es im Sinne der Da­­tensparsamkeit rich­tig, den Kliniken die Entschei­dung zu überlassen, ob im Einzelfall die Maßnahme er­for­derlich ist. Ich bin sicher, dass sie die Verantwortung tragen können, die ihnen durch dieses Gesetz auferlegt wird.

Angesichts der weitgehenden rechtlichen Eingriffe in die Grundrechte der Betroffenen hätten wir allerdings eine verbindlichere Regelung im Gesetz besser gefunden als die Regelung der Aufbewahrung, Übermittlung und Löschung der Daten durch die Geschäftsführer der Kliniken.

Der neue Gesetzentwurf regelt auch, dass die Daten gelöscht werden müssen, ohne dass hier­für ein Antrag vorliegt. Das halten wir für richtig. Denn man kann nicht erwarten, dass die Betroffenen über so viel juristischen Sachverstand verfügen, dass sie alle die Bedeutung eines solchen Antrags erkennen. Hier wird ein Unterschied zum Strafvollzug gemacht, den wir durchaus für sinnvoll halten.

Ich möchte trotzdem nicht verhehlen, dass der SSW einige der Regelungen in diesem Gesetz mit einer gewissen Skepsis sieht. Das gilt für die Erhebung von Fingerabdrücken ebenso wie für die Geschäftsführer-Regelung und die immer noch verhältnismäßig breiten Regelungen zur Weitergabe bzw. Verwertung der erkennungsdienstlichen Daten in Absatz 2. Trotzdem sehen wir die deutlichen Verbesserungen, die sich zwischen erster und zweiter Lesung ergeben haben. Wir werden daher dem Gesetzentwurf zustimmen.

Ich möchte allerdings jetzt schon anregen, dass wir die Regelung nach einigen Jahren wieder unter die Lupe nehmen um nachzusehen, wie sich dieser Gesetzentwurf in der Praxis ausgewirkt hat.

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