Rede · Lars Harms · 31.08.2022 Beamtenrecht modernisieren und attraktiver gestalten

„Es geht uns schlicht um Wahlfreiheit und Gleichbehandlung: Jeder soll frei wählen können, ob er sich privat oder gesetzlich versichern möchte. Ohne langwierige bürokratische Antragstellung und ohne gravierende finanzielle Nachteile bei einer der Optionen in Kauf nehmen zu müssen.“

Lars Harms zu TOP 5 und 44 - Einführung einer pauschalen Beihilfe für gesetzlich krankenversicherte Beamtinnen und Beamte (Drs. 20/111; 20/160)

Seit Jahren diskutieren wir regelmäßig darüber, wie wir das Beamtenrecht fit machen können für die Herausforderungen, die uns in absehbarer Zeit erwarten. Die Lösung: Es braucht attraktive Arbeitsbedingungen. Nur so kann es uns gelingen, die Auswirkungen des demografischen Wandels abzufedern und weiterhin motivierte Beschäftigte zu gewinnen. 

Dazu gehört selbstverständlich auch das Thema Krankenversicherung. Hier ist eine Flexibilisierung dringend notwendig und geboten. Immer wieder haben wir vom SSW uns für mehr Wahlmöglichkeiten eingesetzt. Denn es geht uns schlicht und ergreifend um Gleichbehandlung: Jeder soll frei wählen können, ob er sich privat oder gesetzlich versichern möchte. Ohne langwierige bürokratische Antragstellung. Und ohne gravierende finanzielle Nachteile bei einer der Optionen in Kauf nehmen zu müssen. Jeder soll sich seine persönliche Lebenssituation und -planung anschauen können und anhand dessen sein Versicherungsmodell wählen können dürfen.

Bislang ist dies nämlich nicht so. Faktisch haben Beamtinnen und Beamte nach wie vor keine Wahl, denn eine freiwillige Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Kasse ohne pauschale Beihilfe ist um ein Vielfaches teurer als eine beamtenrechtliche Absicherung mit einer privaten Krankenversicherung. Dies ist ungerecht und leider ein großer Minuspunkt in Hinblick auf die künftige Fachkräfte- und Nachwuchsgewinnung. In diesen Zeiten brauchen wir ein modernes und attraktives Beihilferecht – nicht nur in Konkurrenz zur Wirtschaft, sondern auch in Konkurrenz zu den anderen Bundesländern.

Daher hatten wir ja auch schon früher immer wieder auf das Hamburger Modell als mögliche Vorlage hingewiesen, das eine pauschalisierte Beihilfeleistung vorsieht. In Hamburg können Beamte bzw. Anwärterinnen seit dem 1. August 2018 wählen, wie sich der Dienstherr an den Kosten für die Absicherung im Krankheitsfall beteiligt, sprich: Beamte können nun auch einen Zuschuss des Arbeitgebers zur gesetzlichen Krankenversicherung erhalten. Als wir im April 2019 die schriftliche Anhörung zu diesem Thema im Finanzausschuss durchgeführt haben, haben einige der Anzuhörenden dafür plädiert, dass man zunächst die Erfahrungen aus diesem damals neuen Modell auswerten solle. Auch eine Bundesratsinitiative wurde angeregt, um diesbezüglich einen „Flickenteppich“ zu vermeiden. Das Hamburger Modell gibt es nun immer noch, zwischenzeitlich haben mit Berlin, Brandenburg, Thüringen und Bremen vier weitere Bundesländer die Wahlfreiheit ebenfalls eingeführt und ab dem 1. Januar 2023 wird sich nun auch Baden-Württemberg anschließen – wo zurzeit ja übrigens auch eine Koalition aus Grünen und CDU regiert. Der Weg ist also geebnet, erprobt und wird von immer mehr Bundesländern beschritten. Wir fordern daher, dass auch Schleswig-Holstein endlich diesen Weg geht.

Die Profiteure der Einführung der pauschalen Beihilfe wären nicht gerade wenige: Beispielsweise Beamte mit einer Behinderung oder chronischen Erkrankung, Beamte mit Kindern, Anwärter vor bzw. in der Familienphase, quereinsteigende Neubeamte, Teilzeitbeschäftigte – zusammen ergeben diese eine ziemlich große Gruppe, für die die echte Wahlfreiheit eine immense Verbesserung darstellen würde. Und das Land als Arbeitgeber würde sich hier einen erweiterten Kreis an Nachwuchskräften erschließen. Der Antrag von Schwarz-Grün ist hingegen keine wirkliche Alternative, weil man bei den bürokratischen Rechtfertigungshürden ja nun nicht wirklich von einer echten Wahlfreiheit sprechen kann.

Langfristig wird die echte Wahlfreiheit aus Steuerzahlersicht im Übrigen tatsächlich günstiger als das bisherige System. Denn wer sich für die pauschale Beihilfe entscheidet, verzichtet unwiderruflich auf seinen individuellen Beihilfeanspruch. Da kommen einige Summen zusammen, die gegengerechnet werden. Und noch einmal für alle, die sich Sorgen machen: Nein, es handelt sich nicht um die Einführung einer „Bürgerversicherung“. Wie gesagt: Es geht uns um die Wahlfreiheit und somit die gleiche Behandlung für alle. Das haben unsere Beamtinnen und Beamte verdient. Denn, wenn wir das Beamtenrecht nicht modernisieren und attraktiver gestalten, dann bringen wir uns unnötigerweise selbst um die besten Köpfe für unseren öffentlichen Dienst und darunter würde auf absehbare Zeit das Land – und somit auch die Daseinsvorsorge für alle – sehr leiden.

Weitere Artikel

Rede · Lars Harms · 22.03.2024 Die Landesentwicklungsstrategie war gelebte Bürgerbeteiligung

„Die Jamaika-Regierung hat die Landesentwicklungsstrategie öffentlich zu Grabe getragen, während sie noch die Früchte unserer Arbeit einsammelte.“ 

Weiterlesen

Rede · Lars Harms · 22.03.2024 Es muss auch um Integration gehen

„Bei der Sammlung von Kompetenzen, der Zentralisierung von Zuständigkeiten und der möglichen Umstrukturierung unserer Behörden darf es nicht nur um Ausreisen gehen. Es muss auch um Integration gehen, um Sprachkurse, um Spurwechsel, um Chancen, um Vermittlung in Ausbildung und Arbeit und um Anerkennung.“

Weiterlesen

Rede · Lars Harms · 21.03.2024 Plünderung des Versorgungsfonds ist mit uns nicht zu machen!

„Der Versorgungsfonds ist kein Sparschwein, sondern sichert die Pensionen der Zukunft. Es geht hier um nachhaltige Finanzpolitik – auch in diesem Bereich. Vorsorge für die Zukunft in wenigen Jahren für das Stopfen von Haushaltslöchern zu verfrühstücken, ist nicht nachhaltig!“

Weiterlesen