Rede · Flemming Meyer · 07.07.2010 Bericht über die finanzielle Situation der Schleswig-Holsteinischen Kommunen

Nicht zuletzt durch die Debatte um die Verankerung einer Schuldenbremse in der Landesverfassung sollte jedem von uns klar geworden sein, wie bedrohlich die finanzielle Lage Schleswig-Holsteins mittlerweile ist. Der vorliegende Bericht der Landesregierung über die finanzielle Situation der Schleswig-Holsteinischen Kommunen zeigt, dass dies leider auch für viele Gemeinden, Städte und Kreise im Land gilt. Der bundesweite Vergleich, wonach es ihnen noch recht gut geht, spendet da wenig Trost. Der Deutsche Städtetag erwartet für 2011 und 2012 bundesweit zweistellige Milliardendefizite und viele Städte und Gemeinden stehen buchstäblich mit dem Rücken zur Wand. Denn während die Einnahmen mitunter dramatisch sinken, steigen die Ausgaben unaufhörlich weiter. So wird heute fast ein Viertel der kommunalen Einnahmen für steigende soziale Leistungen vor Ort aufgebracht.

Wie wir alle wissen, steht den Kommunen, anders als Land und Bund, auf der Einnahmeseite aber nur ein recht geringer Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Die Situation strukturschwacher Kommunen gibt daher wenig Anlass zur Hoffnung, denn eine Verbesserung aus eigener Kraft scheint in vielen Fällen kaum noch möglich. Selbstverständlich gilt dies bei weitem nicht für die gesamte kommunale Familie und für sämtliche kommunalen Gebietskörperschaften in allen Landesteilen. Die Tatsache, dass der Bericht für rund ein Drittel der Kommunen eine positive Bilanz ausweist, nehmen natürlich auch wir gerne zur Kenntnis.

Festzuhalten gilt jedoch, wie es die Landesregierung in ihrem Bericht auch richtig erfasst, dass es nicht zuletzt aufgrund der Wirtschafts- und Finanzkrise grundsätzlich zu einer Verschlechterung der Finanzsituation der Schleswig-Holsteinischen Kommunen gekommen ist. Aus der Anlage 7 des Berichts geht daher auch deutlich hervor, dass die Kommunen im vergangenen Jahr einen deutlichen Rückgang der Einnahmen aus Finanzausgleich und Steuern hinnehmen mussten. Zusätzlich werden ab 2011 die Zuweisungen aus dem Länderfinanzausgleich deutlich zurückgehen, was den Druck auf Seiten des Landes noch erhöht. Auch die Ergebnisse der Maisteuerschätzung verheißen für die Kommunen nichts Gutes. Selbst die äußerst zweifelhafte Lösung, auf alle freiwilligen Leistungen zu verzichten, kann die strukturelle Überschuldung mancher Kommunen nicht aufhalten.

Vor diesem Hintergrund müssen wir uns der Kritik der Grünen Fraktion an der Verhandlungsführung unseres Ministerpräsidenten im Bundesrat anschließen. Die bitter benötigten Kompensationen für das so genannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz wurden von ihm zwar großspurig angekündigt, doch bedauerlicherweise blieben sie bis heute aus. Die Mindereinnahmen von rund 70 Millionen Euro im Jahr für Land und Kommunen fehlen für wichtige Investitionen vor allem im Bildungs- und Sozialbereich. Dies hält der SSW für völlig unverantwortlich und wir fordern die Landesregierung daher ausdrücklich auf, zügig nach zu verhandeln.

Die angestrebte Kompensation für die Einnahmeausfälle des Landes und der Kommunen durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz soll ja vor allem in Form von Bundesmitteln für Bildung erfolgen. Dies halten wir grundsätzlich auch für begrüßenswert, denn auf diesem Weg profitieren sowohl das Land Schleswig-Holstein als auch die kommunalen Gebietskörperschaften. Angesichts der angespannten Finanzsituation darf es aber nicht bei bloßen Verlautbarungen bleiben. Das erneute Scheitern des Bildungsgipfels bedeutet leider auch, dass der Erhalt dieser Mittel in weite Ferne gerückt ist. Wir sehen die Landesregierung deshalb in der Pflicht, im weiteren Verhandlungsverlauf einen konstruktiven Beitrag zu leisten. Hier ist die Landesregierung in der Bringschuld gegenüber den Kommunen. Sollte es der Landesregierung nicht gelingen, hier Kompensation durch den Bund zu erlangen, dann muss das Land hier eine eigene Finanzierung auf die Beine stellen. Das aber, erscheint mir nahezu unmöglich und deshalb noch einmal unser Appell an die Landesregierung: Verhandeln sie nach und sichern Sie den Kommunen das, was Sie ihnen ohnehin versprochen haben. Nicht mehr – aber auch nicht weniger!

Eine weitere Ursache für die Haushaltslage unserer Kommunen stellt der Eingriff in ihre Finanzen in Höhe von rund 120 Millionen Euro jährlich dar. Dieser Eingriff durch das Land bringt unweigerlich eine Reduzierung der kommunalen Investitionen mit sich. Dies bedeutet in seiner Konsequenz weniger öffentliche Aufträge für die heimische Wirtschaft und damit weniger Wachstum sowie eine schlechtere Infrastruktur für die Bürgerinnen und Bürger. Und die Steuergeschenke des Bundes führen dazu, dass Verzweiflungstaten zu Lasten des Steuerzahlers wie die Erhöhung von Eintrittspreisen bei Schwimmbädern oder die Gebührenerhöhung für die Kita begangen werden. Das so genannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz hat deshalb eine völlig gegenteilige Wirkung, als ursprünglich angestrebt. Nach Meinung des SSW muss auch hier dringend gegengesteuert werden.

Um die Finanzsituation der Kommunen nachhaltig zu verbessern, halten wir eine Stärkung der Einnahmeseite für dringend geboten. In der Debatte zur Erhöhung der Grunderwerbsteuer haben wir uns für die zeitnahe Anhebung um einen Prozentpunkt ausgesprochen. Wir haben uns unter anderem deshalb dafür eingesetzt, weil diese Mittel auch den Kommunen zur Verbesserung ihrer Haushaltslage zur Verfügung stünden. Dies wäre schon eine riesige Hilfe für die Kommunen. Neben der Stärkung der Einnahmeseite muss natürlich auch über strukturelle Reformen nachgedacht werden, um die Aufgabenwahrnehmung der Kommunen effizienter zu gestalten. Wir haben deshalb bereits in einem früheren Antrag die gemeinsame Aufgabenwahrnehmung verschiedener Gebietskörperschaften gefordert. Wichtig ist und bleibt dann aber, dass die so erreichten Effizienzgewinne auch bei den Kommunen bleiben.

Bemerkenswert scheint mir die Tatsache, dass auch der Bericht wieder einmal die oftmals völlig unterschiedliche Lage von Städten und ländlichen Gebietskörperschaften unterstreicht. Während die kreisfreien Städte wie Lübeck, Kiel oder Flensburg chronisch klamm sind, geht es der ländlichen Region vergleichsweise gut. Dies ist natürlich in vielen Fällen durch die vorgehaltene, und von den umliegenden Gemeinden mit genutzte, Infrastruktur der Städte zu erklären. Hier müssen wir einen Weg finden, um über den kommunalen Finanzausgleich und über die Änderung des zentralörtlichen Systems fairere Bedingungen und damit letztlich auch einheitlichere Lebensbedingungen zu schaffen. Dabei kann es dann aber auch nicht bei den bestehenden Gemeindegrößen bleiben. Vielmehr müssen wir als Landespolitik – und hier insbesondere die Landesregierung – den Mut aufbringen, und eine Gemeindereform anstoßen, die dazu führt, dass wir größere und leistungsfähigere Gemeinden erhalten. Die bisherige Kleinstaaterei in Schleswig-Holstein ist nicht nur deutschlandweit einmalig – sie ist auch noch einmalig teuer und ineffizient. Die finanzielle Lange der Kommunen ist gerade auch abhängig von den kommunalen Strukturen. Und wer etwas zugunsten der finanziellen Lage der Kommunen ändern will, der muss hier ansetzen und etwas verändern.

Und nicht zuletzt werden die Haushalte der Kommunen im Rahmen des Sparpakets der Bundesregierung zusätzlich durch die Einschnitte in den vorgelagerten und durch Bundesmittel finanzierten sozialen Sicherungssystemen belastet. Denn der Bürger, der durch diese Systeme schlechter gestellt wird, landet mit seinen berechtigten Ansprüchen bei der Gemeinde. Die kommunalen Sozialausgaben werden also auch hierdurch weiter steigen. Der SSW sieht es daher als dringend erforderlich an, dass sich der Bund vor allem stärker an den Kosten der Unterkunft für Bedürftige beteiligt. Hier kommt der Vermittlungsausschuss hoffentlich zu einer Lösung, die unserer Meinung nach nur so aussehen kann, dass sich der Bundesanteil an den tatsächlichen Kosten orientiert und damit spürbar erhöht wird. Denn eins muss ich zu diesem Punkt deutlich sagen: Sozialleistungen sind ganz einfach gesetzliche Aufgaben, die von den Kommunen nur treuhänderisch erfüllt werden. Eine dafür notwendige auskömmliche Finanzausstattung sieht der SSW als selbstverständlich an.

Fassen wir also noch einmal zusammen: Ohne eine Erhöhung der Einnahmen wird es weder Land noch einem Großteil der Kommunen gelingen, die Bedingungen der Schuldenbremse bzw. die Sanierung der Haushalte zu erreichen. Trotz der im Bundesvergleich guten finanziellen Situation der Kommunen müssen hier und im strukturellen Bereich schnellstmöglich Änderungen her. Einige Vorschläge dazu haben wir bereits gemacht, weitere, insbesondere zur Verbesserung der Einnahmesituation, werden folgen.

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