Rede · Flemming Meyer · 31.05.2013 Bezüge der Mitglieder der Geschäftsführungsorgane und Aufsichtsgremien öffentlicher Unternehmen veröffentlichen

Wer hat’s erfunden? So lautet die Frage im Werbespot eines Herstellers von Hustenbonbons. Und die Antwort kennt inzwischen jedes Kind: die Schweizer nämlich. Genau die stecken mit ihrem positiven Volksentscheid zur Demokratisierung des Aktienrechts hinter einem radikalen Umdenkensprozess, wie er in Deutschland noch vor sehr kurzer Zeit für völlig undenkbar gehalten wurde. Das Aktienrecht verändert und öffnet sich. Ein entsprechender Beschluss des Bundeskabinetts liegt inzwischen vor. Das ist gut so. Künftig muss der Aufsichtsrat von börsennotierten Unternehmen das von ihm entwickelte Vergütungssystem für die Vorstandsmitglieder jährlich der Hauptversammlung zur Beschlussfassung vorlegen – und zwar in allen Einzelheiten. Feste und variable Bestandteile werden auf diese Weise in aller Öffentlichkeit nicht nur offengelegt und diskutiert, sondern auch entschieden – und zwar von der Hauptversammlung der Aktionäre. Gehaltsexzessen soll damit einen Riegel vorgeschoben werden.
Eine solche Vorgehensweise empfiehlt sich eigentlich für alle Unternehmen. Die Eigentümer sollen direkt über das Vergütungssystem beschließen. Das heißt nicht, dass jede Einzelheit der Vermögensverhältnisse der jeweiligen Manager veröffentlicht werden muss. Es geht vielmehr darum, das System, nach dem sich eine Bezahlung eines Managers richtet, transparent zu machen.

Bereits 2011 meldete der Spiegel, dass sieben Chefs von DAX-geführten Unternehmen mehr als fünf Millionen Euro einstreichen würden. Die Zahlen dürften mittlerweile noch höher liegen. Wir haben darum im Finanzausschuss ganz bewusst das Wort Gehaltsexzess gewählt. Ein Ende dieser Exzesse war lange Jahre nicht in Sicht, weil sich viele Unternehmensfürsten und Topmanager in Deutschland als besonders hartnäckig erwiesen hatten. Daran änderten nicht einmal gesetzliche Änderungen etwas. So empfiehlt das "Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung" aus dem Jahre 2009 die Bezüge am nachhaltigen Unternehmenserfolg statt an kurzfristigen Ergebnissen auszurichten; tatsächlich geändert hat sich an der Praxis wenig. Obwohl doch eigentlich jeder normal denkende Mensch hier sagen würde, dass Nachhaltigkeit der richtige Ansatz wäre. Es ist für das Unternehmen und auch für die Gesellschaft besser, dass sich Managerbezüge beispielsweise auch am Erhalt von Arbeitsplätzen und der damit verbundenen Kompetenz der Mitarbeiter ausrichten. Einen entsprechenden Antrag haben wir vorgelegt. Ich bin zuversichtlich, dass das klappen wird. Man hat hier erkannt, dass man entschlossen vorgehen muss, um Bewegung in dieses starre System der Aktiengesellschaften bringen zu können, gerade, um die Gehaltsexzesse beenden zu können.

Der vorliegende Antrag der Piraten nimmt die öffentlichen Unternehmen in den Blick. Dort muss ja eigentlich, weil es sich um öffentliche Gelder handelt, besonders Sorgfalt walten. Dass das nicht per se der Fall ist, lehren uns immer mal wieder die Schlagzeilen in den Zeitungen. Allerdings möchte ich an dieser Stelle auch klipp und klar sagen, dass wir uns bei den öffentlichen Unternehmen in einer völlig anderen Liga bewegen. Hier dreht es sich meistens eben nicht um hohe Millionenbeträge bei den Managergehältern, sondern um vergleichsweise kleinere Summen. Die sind zwar auch ärgerlich, aber wir sollten nicht Äpfel und Birnen vergleichen. Pauschalierungen helfen uns in der Debatte nicht weiter.
Bei den öffentlichen Unternehmen geht es zunächst einmal um die Transparenz. Die ist dringend geboten, aber natürlich kein Allheilmittel für alle strukturellen Probleme öffentlicher Unternehmen. Nur weil etwas bekannt ist, ist damit zwangsläufig nicht schon alles geregelt. Was hilft es uns, wenn jedermann googeln kann, was der Geschäftsführer des Sparkassen- und Giroverbandes oder einer Wirtschaftsförderungsgesellschaft verdient? Das führt nur zu einer Neiddebatte und einem Shitstorm, was langfristig die Manager aus den öffentlichen Unternehmen vertreiben würde. Diese Art von Transparenz ist kontraproduktiv.

Was dagegen transparent sein sollte, sind Struktur und Systematik der öffentlichen Unternehmen. Dabei sind es vor allem die Anreize, die der Öffentlichkeit, also letztlich dem Eigentümer, klar sein müssen. Diskutieren wir also darüber, ob die Manager für die optimale Rendite oder den Erhalt von Arbeitsplätzen Zuschläge erhalten. Bekommen sie ihr Geld, weil sie ein Unternehmen nach ökologischen Kriterien ausrichten oder weil sie das öffentliche Unternehmen durchrastern, um Löhne drücken zu können? Das sind Fragestellungen, die für die Öffentlichkeit in Bezug auf öffentliche Unternehmen wichtig sind. Eigentlich brauchen wir zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen in der Grundstruktur keine Unterschiede zu machen. Bei beiden Unternehmen geht es darum, nachhaltige Kriterien für die Gehaltsstruktur der Manager festzulegen und in beiden Bereichen geht es um eine nachvollziehbare Struktur und weniger um die absoluten Beträge, die dann auch zur Auszahlung kommen. Es gibt eigentlich nur einen Unterschied: bei privaten Unternehmen richtet sich der Transparenzgedanke an die Hauptversammlung also die Anteilseigner oder Eigentümer des Unternehmens und bei öffentlichen Unternehmen richtet sich der Transparenzgedanke an die Öffentlichkeit. Bei der Deutschen Bahn reicht es also nicht, dass nur der Anteilseigner – der Bund – die Kriterien für die Gehaltsstruktur kennt. Hier muss auch die breite Öffentlichkeit im Vorwege informiert sein, um sich eine Meinung bilden zu können.

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