Rede · Lars Harms · 24.01.2019 Den Beamten werden Wahlmöglichkeiten vorenthalten

Lars Harms zu TOP 4 - Wahlmöglichkeit bei der Krankenversicherung von Beamten und Beamtinnen schaffen (Drs. 19/1075 u. 19/1138 (neu))

(Nr. 018-2019) Beamtinnen und Beamte haben faktisch keine Wahl, wie sie sich krankenversichern wollen. Bislang ist das System so geregelt, dass eine freiwillige Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenkasse um ein Vielfaches teurer wird, als durch eine Absicherung über eine private Krankenversicherung. Dieser Kostenunterschied wirkt faktisch wie ein Verbot der gesetzlichen Krankenkasse und verhindert den Weg in die solidarische Gemeinschaft. Dabei werden den Beamten Wahlmöglichkeiten vorenthalten. Das müssen wir ändern.

Der SSW fordert seit langem, dass die Landesregierung den Beamten eine entsprechende Wahlmöglichkeit eröffnet, die vor allem in der Familienphase eine durchaus attraktive, weil lohnende Möglichkeit der Absicherung gegen die Folgen von Krankheiten ist. Die Beamtinnen und Beamten sollen selbst entscheiden können; ihnen diese Möglichkeit zu eröffnen, ist ein Gebot der Gerechtigkeit. Außerdem steht die private Versicherung der Beamten enorm unter Druck: niedrige Zinsen auf dem Kapitalmarkt, wachsende Versorgungskosten und steigende Versicherungsbeiträge vor allem im Alter. Dazu kommen die Beihilfekosten, die auch unserem Haushalt zunehmend zusetzen. Ich bin davon überzeugt, dass viele Beamtinnen und Beamten die neue Wahlmöglichkeit nutzen werden, so dass langfristige die Beihilfekosten sinken werden. Das ist ein durchaus gewollter und gewünschter Nebeneffekt der neuen Regelung.

Betrachten wir einmal die Beihilfe. Wir geben 282 Mio. Euro für Beihilfezahlungen aus und müssen dafür 4,5 Mio. Euro Personalkosten aufwenden. Dazu kommen noch Miete und Sachkosten, so dass wir von Gesamtaufwendungen in Höhe von mindestens 290 Mio. Euro ausgehen können. Das Ganze für 79.000 Beihilfeempfänger. Auf den Monat gerechnet sind das 305 Euro monatlich als AG-Anteil. Damit wäre ein durchschnittlicher monatlicher Krankenkassenbeitrag von 610 Euro zu finanzieren. Wohl gemerkt im Durchschnitt. Die meisten Menschen zahlen weniger Krankenkassenbeiträge. Wir könnten also auch als Land durchaus profitieren, wenn wir unseren Beschäftigten die halben Krankenkassenbeiträge erstatten würden.

Hamburg ist das erste Bundesland, das seinen Beamten einen 50prozentigen Zuschuss auch für die gesetzliche Krankenkasse anbietet. Es ist aber klar: Das ist ein Angebot. Kein Landesbeamter muss das auch annehmen. Das bisherige klassische Modell aus Beihilfe und einer ergänzenden Versicherung in der privaten Krankenversicherung als auch die Vollversicherung in der privaten Krankenversicherung plus pauschale Beihilfe bestehen weiterhin. Allerdings gilt die Wahl nur zu Berufsbeginn. Ein nachträglicher Umstieg bleibt schwierig und ist meist mit Kosten verbunden. Aber gerade in der langfristigen Perspektive kann sich eine Mitgliedschaft in der Gesetzlichen Krankenversicherung durchaus lohnen; entsprechende Rechenbeispiele liegen vor.

Die Versicherungsunternehmen sind von dem Hamburger Vorstoß nicht begeistert. Das überrascht niemanden, denn schließlich ist jeder zweite Kunde ein Beamter bzw. eine Beamtin und da droht schon ein beträchtliches Einnahmefeld wegzubrechen, wenn andere Bundesländer dem Beispiel Hamburgs folgen. So warnt die Debeka, einer der Großen der Branche, auf ihrer Homepage ausdrücklich und mit farbigen Warnzeichen vor dem in Anführungszeichen gesetzten Hamburger Sonderweg. Die Gewerkschaften loben dagegen die neue Wahlfreiheit. Sie kritisieren die quasi automatische Mitgliedschaft der Beamtinnen und Beamten und ihrer Familien, die auf diese Weise den Bestand der Versicherungsunternehmen langfristig sichern. Dieser Automatismus sei aber nicht im Sinne der Versicherten. 

Hamburg ist also vorgeprescht. In Mecklenburg-Vorpommern wird allerdings entsprechend diskutiert und auch in Sachsen-Anhalt gibt es ähnliche Bestrebungen. Das ist wichtig zu erwähnen, denn gerade im Beamtenrecht ist eine bundesweite Regelung enorm wichtig. Aber ohne das Länder voran gehen, gibt es keine Veränderung. Im Interesse der Beamtinnen und Beamten und ihrer Familien sollten wir deshalb ein Zeichen setzen und in Zukunft auch eine gesetzliche Krankenversicherung mit 50%igen Zuschuss durch das Land anbieten.

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