Rede · Flemming Meyer · 23.01.2019 Der Staat muss Garant für die Menschenwürde sein

Flemming Meyer zu TOP 34 - Alle Möglichkeiten der Aufarbeitung nutzen und fortsetzen (Drs. 19/1885)

„Wir müssen die Opfer umfassend unterstützen und die richtigen Lehren ziehen“

(Nr. 012-2019) Das, was vielen Menschen in der Obhut von Einrichtungen hier in Schleswig-Holstein angetan wurde, ist für mich im wahrsten Sinn des Wortes unfassbar. Sicher, wir alle kennen die Berichte aus Fürsorgeheimen wie etwa in Glücksstadt, in denen Übergriffe und Gewalt aber auch Zwangsarbeit trauriger Alltag war. Und spätestens seit dem Symposium, das hier im November stattgefunden hat, kann niemand mehr behaupten, nichts von den skrupellosen Medikamentenversuchen zu wissen. Aber auch noch so erschütternde Berichte der Betroffenen können uns eben doch nur ansatzweise vermitteln, wie sie sich damals gefühlt haben. Man kann nur erahnen, wie wertlos man sich vorkommen muss. Wie machtlos man sich in so einer Situation fühlt. Und wie lange einen das Erlebte verfolgt.

Wir haben es in unserem gemeinsamen Antrag formuliert: Der Staat muss Garant für die Menschenwürde sein. Doch die Geschichte vieler Heimkinder macht schmerzhaft deutlich, wie sehr der Staat bei dieser Aufgabe versagt hat. Auch in ehemaligen Landeskrankenhäusern und Psychiatrien wurden elementare Menschenrechte verletzt. Und zwar nicht nur in Einzelfällen, sondern systematisch. Leider können wir all das, was geschehen ist, nicht rückgängig machen. Aber wir können und müssen den Betroffenen den Raum und die Möglichkeit geben, um von ihrem Leid zu berichten. Und ich halte es für unsere Pflicht, dieses Leid nicht nur anzuerkennen, sondern auch überall dort zu helfen, wo es möglich ist. 

Vor diesem Hintergrund sind für mich alle Punkte, auf die wir uns im Sozialausschuss geeinigt haben, folgerichtig und wichtig. Natürlich muss die Aufarbeitung weitergehen. Und es ist völlig logisch, dass hierfür alle verfügbaren Informationen herangezogen werden müssen. Auch und gerade die der Pharmaunternehmen, die bisher leider nicht besonders viel zur Aufklärung beigetragen haben. Noch dazu ist es nur konsequent, dafür zu sorgen, dass diese Ergebnisse dann auch öffentlich zugänglich sind. Das ist für mich genauso selbstverständlich, wie verlängerte Antragsfristen zur Unterstützung der Opfer und eine möglichst umfassende wissenschaftliche Begleitung. 

Wir Landespolitiker stehen aber nicht nur bei der Aufarbeitung des Geschehenen in der Verantwortung. Wir müssen auch dafür sorgen, dass aus diesen schrecklichen Erfahrungen die richtigen Lehren für die Zukunft gezogen werden. Hier hat der letzte Punkt des Antrags eine besondere Bedeutung: Die Absicht, geeignete Mittel und Wege für Hilfen im Alter, bei Krankheit oder Pflege oder bei weiterem Unterstützungsbedarf zu finden. Denn viele Opfer leiden nicht nur unter den traumatischen Erlebnissen selbst. Oft sind für sie mit der Unterbringung in Heimen oder Kliniken weitere, lebenslang anhaltende Ängste und Nachteile verbunden.

Ein Teil der Betroffenen will nach dem Erlebten zum Beispiel nie wieder einen Fuß in eine Einrichtung wie ein Krankenhaus oder ein Pflegeheim setzen. Nach den schockierenden Berichten der Opfer kann ich das wirklich gut nachvollziehen. Aber gerade auch für diese Menschen müssen wir Gesundheits- und Pflegeleistungen und eine gute Unterstützung im Alter organisieren. Neben der schwierigen Frage nach einer angemessenen Entschädigung halte ich es deshalb für absolut zentral, den Betroffenen die für sie geeignete Hilfestellung zu geben. 

Doch auch für die Zukunft, und damit für die Situation heutiger Heimkinder, sollten wir unbedingt die richtigen Lehren ziehen. Aus Sicht des SSW müssen wir vor allem endlich sicherstellen, dass die Kinder und Jugendlichen in den Einrichtungen zu ihrem Recht kommen. Und zwar nicht nur zu ihrem Recht auf ein unversehrtes und gesundes Aufwachsen, sondern zum Beispiel auch zu ihrem Recht auf Bildung und soziale Teilhabe. Ich denke spätestens mit dem Stichwort Friesenhof sollte klar sein, dass all das leider keine Selbstverständlichkeit ist. In diesem Zusammenhang wurde auch deutlich, wie wichtig ein regulärer Schulbesuch für Heimkinder ist. Doch bekanntlich wurde unser Gesetzentwurf zur Ausweitung der Schulpflicht  auf alle Kinder und Jugendlichen abgelehnt. Das ist entschieden zu wenig. Wir fordern daher weiterhin die Schulpflicht für alle Kinder. 

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