Rede · Flemming Meyer · 31.05.2001 DNA-Identitätsfeststellungsgesetz (Gen-Datei)

Wer sich die Mühe macht, in die Annalen des Landtages einzutauchen und die letzte Debatte über die kriminalistische Speicherung von Gen-Daten herauszukramen, wird jedenfalls eines bestätigt bekommen: Den modernen Techniken wohnt eine erstaunliche Eigenschaft zur Expansion inne, wenn sie erst einmal in die Welt gesetzt wurden. Hatten wir bei Einführung der Gendatenbank 1998 noch gemeinsam zur Vorsicht und Beschränkung des Personenkreises gewarnt, kommen jetzt schon wieder Erweiterungspläne auf den Tisch. Das betrifft leider nicht nur abwegige gentechnische Allmachtsphantasien, wie den Vorschlag einiger CDU/CSU-Politiker und des FDP (!)-Innenministers Goll, eine Datei mit den DNA-Profilen aller Männer anzulegen. Viel bedenklicher ist es, dass u. a. die Innenministerkonferenz über Erweiterungen des Personenkreises nachdenkt, und dass unsere grüne Justizministerin sich nicht eindeutig davon distan-zieren mag.

Zugegeben: Die Gentechnik hat gerade Hochkonjunktur. Es ist beeindruckend, wenn das Bundeskriminalamt heute Aussagen über Fälle treffen kann, die vor Jahrzehnten als ungelöst zu den Akten gelegt wurden. Gerade die Terroranschläge der RAF oder die Taten von Serienmördern haben die Nation in den Bann gezogen, und es mutet wie Magie an, dass zum Beispiel ein Handtuch heute noch neue Erkenntnisse über einen Fall liefert. Wer die Klassiker der Kriminalliteratur liest wird feststellen, dass auch ein großer Teil dieser Fälle vor dem Hintergrund der heutigen Techniken wohl auf den ersten Seiten gelöst worden wären und kaum noch ein ganzes Buch füllten.

Es ist faszinierend, was heute in der Kriminalistik passiert. Aber gerade diese Erfolge der DNA-Analyse in der Verbrechensbekämpfung können nicht davon ablenken, welche grundlegenden Probleme diese Technik birgt. Wir dürfen nicht vergessen, dass die heutigen Regelungen zur Speicherung von menschlichem Erbgut unter erheblichen Bedenken eingeführt wurden und erst nach langer Debatte und mit Bedacht in die heutigen Grenzen gelegt wurden.

Wer ein genetischen Profil von einem Menschen hat, kann wesentlich mehr damit anstellen, als die Identität festzustellen. Deshalb kann niemand ein Interesse daran haben, dass massenhaft Genprofile gespeichert werden. Zum einen nicht, weil diese Daten auch für eine Menge anderer Dinge missbraucht werden könnten. Deshalb ist es besser, sie erst gar nicht anzusammeln. Zum anderen droht die neue Technologie eine der Grundfesten unseres Rechtssystems zu sprengen: Die Unschuldsvermutung. Wenn wir nicht gut aufpassen mit der Gentechnik droht eine Verkehrung der Beweislast, die wir unbedingt verhindern müssen. Hier ist ein grundlegender Wert des gesellschaftlichen Zusammenlebens in Deutschland gefährdet, wie die CDU sagen würde.

Daher haben wir auch bisher entschieden, dass ein Genprofil nur jenen Straftätern abgenommen werden kann, die schwere Straftaten begangen haben, und bei denen eine individuelle Begutachtung ergibt, dass eine Rückfallgefahr besteht. Schon diese Regelung ist umstritten gewesen. Gerade deshalb liegt ja auch schon ein Bundesverfassungsgerichtsurteil vor, das einer erneuten Erweiterung der Speicherung von Genprofilen eindeutig widerspricht. Die heutige Regelung wurde vom Gericht nur mit der Maßgabe als verfassungskonform anerkannt, dass es eben die Bedingung der individuellen Prognose gibt. Wenn die Innenministerkonferenz - ebenso wie der Generalstaatsanwalt oder die CDU-Landtagsfraktion – über zusätzliche Möglichkeiten berät, bei bestimmten Delikten obligatorisch den genetischen Fingerabdruck der Straftäter zu speichern, dann werden also die verfassungsmäßigen Grenzen in Frage gestellt. Wir meinen, dass man sich nicht weiter an die absolut äußersten Grenzen unserer Verfassung herantasten sollte, sondern sich einfach mit den heutigen Möglichkeiten zufrieden stellen muss.

Der SSW hat es bereits vor 3 Jahren gesagt: Wir brauchen glasklare Regelungen, Transparenz für die Bürger und nicht die transparenten Bürgerinnen und Bürger! Deshalb sind wir ohne wenn und aber gegen eine weitere Ausweitung der Speicherung von Gendaten für den kriminologischen Abgleich.

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