Rede · Flemming Meyer · 26.09.2013 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes

„Chancengleichheit statt Schubladendenken“

Vorab möchte ich all die, die sich hier und heute ganz besonders aufregen, daran erinnern, dass dieser Gesetzentwurf sicher nicht der Weisheit letzter Schluss ist. So gut und richtig die Neuerungen auch sind: Wir befinden uns in der Anhörungsphase. Wenn sich die Notwendigkeit zeigt, können Dinge durchaus noch verändert werden. Und die Damen und Herren, die unbelehrbar bleiben und lieber grundsätzlich von Einheitsschulen und Einheitslehrern reden, möchte ich freundlich daran erinnern, dass dieser Entwurf Ergebnis eines Dialogs ist. Damit ist also genau der Elternwille, der so gern gegen uns ins Feld geführt wird, in vielen Bereichen ausschlaggebend.

Für mich als relativ neue Abgeordnete hier im Landtag ist und bleibt es unbegreiflich, dass die Opposition nicht ein einziges gutes Haar am Bildungsdialog lassen kann. Warum kann man nicht einfach anerkennen, dass dieser Dialog der umfassendste ist, den die Politik mit den Verantwortlichen im Bildungsbereich je geführt hat? Wo früher wichtige Interessengruppen einfach von runden Tischen ausgeschlossen wurden, haben heute alle die Möglichkeit, sich einzubringen. Diejenigen, die dabei waren und diesen Prozess unvoreingenommen beurteilen können oder dürfen, bestätigen es: Nicht nur in den großen Dialogveranstaltungen sondern vor allem auch in den Arbeitsgruppen wird sachlich, konzentriert und absolut konstruktiv zusammengearbeitet. Vor diesem Hintergrund kann ich mir die miesepetrige Haltung unserer Vorgänger wirklich nur dadurch erklären, dass man sich darüber ärgert, nicht selbst auf die Idee gekommen zu sein. Oder man erkennt erst jetzt, dass es ein Fehler war, regelmäßig über die Köpfe der Betroffenen hinweg entschieden zu haben.

Wie dem auch sei: Spätestens mit dem vorliegenden Entwurf lässt sich eins ganz deutlich erkennen: Während unsere Vorgänger in der Schullandschaft ein heilloses Durcheinander angerichtet haben, finden sich heute sehr viele Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer aber auch Eltern im neuen Schulgesetz wieder. Sie alle fühlen sich auf diesem Weg mitgenommen. Natürlich können nicht auf einen Schlag sämtliche Probleme gelöst werden. Aber als Ergebnis dieses Dialogs steht in jedem Fall ein Gesetzentwurf, der die Schulbildung in Schleswig-Holstein neu definiert. Aus Sicht des SSW ist das wichtigste dabei, dass dieser Entwurf kein weiteres ideologisches Konstrukt ist, wie die Opposition gerne behauptet. Nein, dieser Entwurf ist schlicht und einfach Ausdruck einer konsequenten Orientierung an der Chancengleichheit für die Kinder und Jugendlichen in unserem Land.

Diese Koalition hat den klar formulierten Anspruch, dass jede Schülerin und jeder Schüler unabhängig vom finanziellen und sozialen Status der Eltern den bestmöglichen Abschluss erreichen soll. Das ist mehr als eine bloße Floskel. Es ist unsere Überzeugung. Mit Blick auf die Zukunft ist uns ganz einfach klar, dass wir mehr junge Menschen zu möglichst hochwertigen Abschlüssen führen müssen. Und ich bin mir sicher: Mit diesem Gesetzentwurf werden wir dieses Ziel auch erreichen. Gestärkte Gemeinschaftsschulen werden in Zukunft neben starken Gymnasien dafür sorgen, dass mehr junge Leute einen solchen, höheren Abschluss schaffen. So sieht eine Politik aus, die Heranwachsenden Bildungschancen eröffnet, anstatt sie vorschnell auszusieben und in Schubladen zu stecken.

Die Kernpunkte des neuen Schulgesetzes dürften allen bekannt sein: Wir setzen auf den Willen vieler Schüler und Eltern und damit auf ein zeitgemäßes Zwei-Säulen-Modell aus Gymnasien und Gemeinschaftsschulen. Dabei bleiben aber sowohl die bestehenden G9-Gymnasien als auch die Y-Gymnasien erhalten. Mit diesem Entwurf modernisieren wir unser Schulsystem, ohne dabei bewährte Strukturen zu zerschlagen. Dies gilt im Übrigen auch für die Regionalschulen im Land: Wie bekannt soll ein Großteil der über 40 Schulen als Gemeinschaftsschule fortgeführt werden. Dies entspricht in einer Vielzahl der Fälle nicht nur den Bedürfnissen der Eltern. Es entspricht vor allem dem Wunsch der Regionalschulen selbst, weil viele bereits wie Gemeinschaftsschulen arbeiten. Ein Schulschließungsgesetz sieht völlig anders aus! Standorte mit zu geringen Schülerzahlen haben nun einmal eher düstere Zukunftsaussichten. Auf diese Entwicklung hat der Gesetzentwurf überhaupt keinen Einfluss. Gleichwohl sehen wir, dass Bildungsangebote in der Fläche gestärkt werden müssen.

Ich habe es mehrfach betont und will es auch heute gerne wiederholen: SPD, Grünen und SSW ist es besonders wichtig, dass das übergeordnete Prinzip des längeren gemeinsamen Lernens gestärkt wird. Denn es ist gerade dieser Ansatz, der von unglaublich vielen Schülerinnen und Schülern sowie Eltern ausdrücklich gewünscht wird. Schon mit der Erhöhung der Differenzierungsstunden haben wir hier einen wichtigen Schritt getan. Und auch wenn dieser Schwerpunkt von CDU und FDP aus rein ideologischen Gründen weiterhin nicht gewollt sein mag, bin ich fest davon überzeugt, dass wir damit bildungspolitisch auf dem richtigen Weg sind.

Kein Zweifel: Übergeordnet betrachtet ist das vorliegende Gesetz absolut modern und richtungsweisend. Es ist eben nicht der Wunsch nach kurzfristigem Erfolg sondern nach wirklich zukunftsfesten Strukturen, der für diesen Entwurf ausschlaggebend ist. Die Gemeinschaftsschule wird nach skandinavischem Vorbild gestärkt. Die massiven und einseitigen schwarz-gelben Einsparungen im Bildungsbereich werden zurückgenommen. Und nicht zuletzt werden auch die deutschen Schulen in freier Trägerschaft, die unsere Bildungsvielfalt bereichern und Großartiges leisten, in Zukunft auch finanziell stärker unterstützt.

Es verwundert sicher nicht, wenn ich in diesem Zusammenhang auf eins hinweise: Die neue Finanzierung für Schulen in freier Trägerschaft hat eindeutig auch eine minderheitenpolitische Dimension. Denn wie sie alle wissen, sind wir in diesem Jahr zu einer gerechten Finanzierung für die dänischen Schulen zurückgekehrt. Und diese gerechte Finanzierung beruht auf derselben Grundlage wie die Finanzierung der freien Schulen. Ich denke es ist allen klar, dass das Land eine besondere Verantwortung für die Finanzierung der dänischen Schulen hat. Sie sind nämlich Regelschulen für die dänische Minderheit. Der dänische Schulverein erfüllt einen Gewährleistungsauftrag, der sonst durch das öffentliche Schulsystem erfüllt werden müsste. Das heißt im Klartext: Gäbe es die dänischen Schulen nicht, müsste die Beschulung der Kinder der dänischen Minderheit mit Unterricht in dänischer Sprache im öffentlichen Schulsystem erfolgen. Eine Gleichstellung mit den öffentlichen Schulen ist also nicht nur bildungspolitisch sinnvoll und rechtlich geboten sondern auch ganz einfach gerecht.

Und noch ein wichtiger Hinweis: Für die friesische Sprache verhält es sich ganz ähnlich: Nicht nur aus unserer Landesverfassung - sondern insbesondere aus der europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen entsteht die Verpflichtung, diese Minderheit zu schützen und zu fördern. Für das Friesische gilt genauso der Anspruch, dass kulturelle Eigenständigkeit nicht zuletzt auch über das Bildungssystem sichergestellt werden muss. In unseren Augen wird dieser Verpflichtung des Landes im Schulgesetz noch nicht deutlich genug entsprochen. Deshalb ist klar, dass wir hier im Rahmen des Anhörungsverfahrens zu entsprechenden Nachbesserungen kommen müssen. Und das wird uns auch gelingen.

Meine Damen und Herren: Unser wichtigstes bildungspolitisches Ziel ist und bleibt es, mehr Schülerinnen und Schüler an einen höheren Bildungsabschluss heranzuführen als bisher. Dabei geht es nicht nur um Abiturienten, sondern eben gerade auch um alle anderen Schulabschlüsse. Ein höherer Schulabschluss für alle muss das Ziel sein! Wir wollen nicht zuletzt den sozial Schwächeren und den Menschen mit Migrationshintergrund größere Bildungschancen geben. Natürlich ist bis dahin noch ein weiter Weg zu gehen. Und wir sind uns auch darüber bewusst, dass ein neues Schulgesetz allein nicht alle Herausforderungen des Schulalltags vor Ort lösen kann. Es gibt noch eine Menge zu tun. Und aus unserer Sicht ist und bleibt es unheimlich wichtig, den Dialog mit allen Beteiligten weiter zu führen. Wir wollen den Weg der vergangenen Monate weiter gehen und gemeinsam mit den Verantwortlichen, mit Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrern die passenden Antworten auf die verschiedenen bildungspolitischen Herausforderungen in unserem Land finden.

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