Rede · Jette Waldinger-Thiering · 25.03.2022 Es gibt noch viel zu tun in Sachen Gleichstellung

„In beiden Anträgen geht es ja nicht nur um Entgeltgleichheit, sondern um jeweils umfangreichere Kataloge an Reformierungsforderungen – insbesondere in puncto Familienpolitik. Der SSW hat hier ein starkes eigenes Profil. Wir können vieles aus beiden Anträgen unterstützen, hätten aber auch noch weiterführende Ergänzungen und Ideen.“

Jette Waldinger-Thiering zu TOP 27+67 - Endlich ökonomische Gleichstellung von Frauen und Männern schaffen!; Chancengleichheit und Gleichstellung von Frauen schnellstmöglich erreichen; Strategie für das Land Schleswig-Holstein zur Gleichstellung von Frauen und Männern (Drs. 19/3639; 19/3666; 19/3699)

In der letzten Plenartagung wurde dieses Thema ja abgesetzt, zur heutigen Debatte liegt dafür inzwischen die Gleichstellungsstrategie der Landesregierung vor. Ich danke dem Ministerium für den Bericht, der im Vorwort ja bereits den Status Quo treffend zusammenfasst: In puncto Gleichstellung haben wir in den letzten Jahren einiges erreicht, aber es gibt auch immer noch viel zu tun. Ich danke der SPD-Fraktion daher dafür, dass sie das Thema mit ihrem Antrag erneut auf die Tagesordnung gesetzt hat, und auch der Jamaika-Koalition für ihren Alternativantrag.

In beiden Anträgen zielt der jeweils erste Punkt auf die geschlechtsspezifische Lohnlücke ab. Jahr für Jahr zeigt der Equal Pay Day auf, dass diese auch in Deutschland noch immer zum Alltag gehört. Natürlich spielen hier verschiedene Faktoren eine Rolle und wir haben in den letzten Jahren auch schon Fortschritte erreicht. Aber am Ziel sind wir noch nicht. Apropos: Was ist denn eigentlich aus der Idee geworden, das isländische Modell zur Entgeltgerechtigkeit zu prüfen? Diesen Ansatz, bei dem einzelne Tätigkeiten betrachtet werden, um diesen personenunabhängig einen Wert beizumessen, hatten wir in der letzten Debatte zum Equal Pay Day diskutiert. Natürlich bleibt das konkrete Einstufen dabei die große Herausforderung, dennoch könnte dies ja weiterhin ein Ansatz sein.

Darüber hinaus wird die Arbeitsteilung innerhalb der Familie angesprochen. Auch der SSW will diese gerechter gestalten. Die Inanspruchnahme der Elternzeit darf keinen negativen Einfluss auf die berufliche Weiterentwicklung haben, weder für Väter noch für Mütter. Dies gilt gleichermaßen für Pflegezeiten. Für all die pflegenden Angehörigen, die sich der harten Doppelbelastung von Pflege und Beruf aussetzen, braucht es noch bessere Unterstützungsangebote. Dafür fordert der SSW beispielsweise ein „Vereinbarkeitsbudget“ als finanziell und zeitlich flexibel nutzbare Entgeltersatzleistung wie beim Elterngeld.

Zum Stichwort Familienbesteuerung: Auch der SSW fordert hier eine Reform – weg vom klassischen Ehegattensplitting hin zu einem echten Familiensplitting. Familie ist da, wo gemeinschaftlich füreinander Verantwortung übernommen wird. Es gibt inzwischen sehr vielfältige Familienkonstellationen und Einkommenssituationen. Mit einer Reform hin zu einem Familiensplitting würde dieser Lebensrealität Rechnung getragen und echte Steuergerechtigkeit für alle Familien geschaffen.

Gleichzeitig müssen wir auch einen besonderen Fokus auf die Alleinerziehenden legen. Diese sind ja in vielerlei Hinsicht benachteiligt: Sie tragen meist allein die Verantwortung für die Erziehungs- und Erwerbsarbeit, das Co-Management mit dem Ex-Partner ist wahrlich nicht immer einfach und dann kam auch noch die Corona-Pandemie, die ja auch und insbesondere das Alltagsmanagement von arbeitenden Alleinerziehenden vor massivste Herausforderungen gestellt hat. Ob bürokratische Steuergutschriften hier ein geeigneter Weg sind, wäre noch einmal zu diskutieren. Aber grundsätzlich teilen wir die Forderung nach Entlastung. Eine Reform des Kindergeldes sowie die Zusammenfassung, Entbürokratisierung und unkomplizierte digitale Beantragungsmöglichkeiten für Familienleistungen wären schon einmal wertvolle Fortschritte für viele Familien.

Wertvolle Fortschritte haben wir in den vergangenen Jahren auch beim Thema Ganztagsangebote erreicht, aber am Ziel sind wir noch nicht. Wir wollen und brauchen die kostenlose Kita und weitere Betreuungsangebote für alle Kinder zwischen 3 und 6 Jahren. Zudem muss jedem Kind eine kostenlose und gesunde Gemeinschaftsverpflegung angeboten werden können. Dies wäre eine riesige Entlastung für alle arbeitenden Eltern.

Im Jamaika-Antrag findet sich ja zudem noch der Punkt zur Gendermedizin, sprich die Forderung, dass das Geschlecht bei der Erforschung und Behandlung von Krankheiten stärker berücksichtigt werden sollte. Dies ist ein wichtiger Punkt, der eigentlich einen eigenen Antrag verdient, um in den Fokus zu rücken. Neben dem Gender Pay Gap gilt es also auch, den Gender Health Gap zu schließen.

Insgesamt listen beide Anträge umfassende Forderungskataloge auf, die wir im Großen und Ganzen unterstützen. Denn von einer guten Familienpolitik, die Familie in sämtlichen Formen unterstützt, fördert und die Gleichstellung der Geschlechter weiter voranbringt, profitieren wir letztendlich alle als Gesamtgesellschaft.

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