Rede · 30.05.2008 Europabericht 2008


Am letzten Freitag har der Bundesrat dem EU-Reformvertrag zugestimmt. Damit ist der deutsche Ratifizierungsprozess für den Vertrag von Lissabon fast abgeschlossen. Nur fast - weil ja zwei Bundestagsabgeordnete – nämlich Dieter Dehm von der Partei „Die Linke“ und Peter Gauweiler von der CSU - gegen diesen Vertrag vor dem Bundesverfassungsgericht klagen wollen. Allerdings ist es zweifelhaft, ob sie Erfolg haben werden. Denn schon bei der viel weitergehenden EU-Verfassung, die vor drei Jahren beschlossen wurde und am Ende durch die Volksabstimmungen in Frankreich und Holland scheiterte, sind entsprechende Klagen vom BVG abgewiesen worden.

Außer in Irland wird es in keinem Land Volksabstimmungen über den neuen EU-Reformvertrag geben. Auch in Dänemark sind sich die Regierung und die sozialdemokratische Opposition darüber einig, dass dieser Vertrag nicht durch eine Volksabstimmung beschlossen werden soll.
Das ist sehr bedauerlich. Der SSW hält jedenfalls immer noch an seiner Forderung nach Volksabstimmungen bei wesentlichen Änderung der EU-Rahmenbedingungen für unabdingbar, um die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger für Brüsseler Entscheidungen zu verbessern.

Wenn das traditionell EU – freundliche Irland zustimmt, wird dieser neue EU-Vertrag wohl ohne Probleme bis 2009 in allen Ländern ratifiziert werden können. Aus dem Europabericht 2008 geht aber hervor, dass damit die Probleme der EU bei weitem nicht gelöst sind. Im Gegenteil: Der Bericht der Landesregierung zeigt einige der Probleme auf, die sich vielleicht mit den neuen Rahmenbedingungen abmildern lassen, aber dennoch nicht grundlegend geändert werden.

Denn ist es eine Tatsache, dass es in der EU mit 27 Mitgliedsländern nicht einfacher wird, effiziente und transparente Entscheidungen zum Wohl der Menschen in Europa zu treffen. Zu unterschiedlich sind die Erwartungen und Herangehensweisen der einzelnen Mitgliedsländer. Der Trend scheint laut Europabericht dahin zu gehen, dass die Durchsetzung nationaler ökonomischer Interessen immer öfter den Gemeinwohlinteressen vorgezogen wird.

Bei allen berechtigten Forderungen, die auch der Landtag immer an die gerechte Verteilung von EU-Investitionsprogrammen stellt, ist dies aber keine gute Entwicklung. Die Zusammenarbeit in der Europäischen Union sollte zwar nicht zentralistisch und bürokratisch geregelt sein, aber ein Mindestmaß an gemeinsamen europäischen Entscheidungen bei den wichtigen Aufgaben muss schon vorhanden sein, ansonsten wird sich die EU in absehbarer Zeit selbst überleben.

Insbesondere bei den aus meiner Sicht entscheidenden Herausforderungen an ein soziales Europa sieht der SSW große Probleme auf uns zukommen. Wenn der Europäische Gerichtshof in Namen des freien Binnenmarktes das niedersächsische Tariftreuegesetz kippt, dann müssen wir aufpassen. Man kann nicht auf der einen Seite von einem sozialen Europa reden und dann auf der anderen Seite soziale Errungenschaften wegen des EU-Rechts abbauen. So schafft man vor Ort kein Vertrauen in die Brüsseler Politik.

Dieses Beispiel zeigt für den SSW wieder einmal, dass alle vernünftigen Kräfte sich gemeinsam für ein soziales Europa einsetzen müssen. Von daher würden wir uns schon wünschen, dass sich die Landesregierung nicht nur in Berlin, sondern auch bei ihren europäischen Partnern im Ausschuss der Regionen für eine entsprechende Änderung der EU-Bestimmungen einsetzt. Das Tariftreuegesetz muss erhalten bleiben, und wenn es nicht anders geht, muss eben das EU-Recht verändert werden.

Die Landesregierung will sich in Zukunft verstärkt der frühzeitigen Beobachtung und Bewertung von Planungen der EU-Kommissionen widmen. Dies ist auch notwendig, wenn wir in Schleswig-Holstein die Entwicklungen in Brüssel auch nur ansatzweise beeinflussen wollen. Auch der Landtag versucht seit geraumer Zeit im Rahmen der Subsidiaritätskontrolle frühzeitig Einfluss zu nehmen. Die Landesregierung und der Landtag sollten diese Bemühungen daher noch besser vernetzen, damit wir den schleswig-holsteinischen Einfluss im EU-Entscheidungsprozess maximieren können.

Weitere Schwerpunkte der Europapolitik der Landesregierung sind naturgemäß die integrierte europäische Meerespolitik, die den maritimen Standort Schleswig-Holstein stärken soll. Erst im Herbst 2007 hat die EU-Kommission ein Blaubuch für die integrierte Meerespolitik vorgelegt. In diesem Blaubuch enthalten ist auch ein „Aktionsplan zur Integrierten Meerespolitik“ mit vielen konkreten Einzelvorschlägen, die jetzt umgesetzt werden sollen. Gerade auch im Rahmen der Zusammenarbeit der Ostseeanrainerstaaten wird Schleswig-Holstein die Umsetzung dieser Vorschläge mit voranbringen. Das begrüßt der SSW, denn integrierte Meerespolitik ist mehr als Umweltpolitik.

Ich bedanke mich beim Europaminister und bei seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den ausführlichen und informativen Bericht.

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