Rede · 25.09.1996 Fallkontrollstudie zu den Leukämiefällen in der Elbmarsch

Wenn man sich die Zeitungs- und Fernsehmeldungen der letzten Wochen zu den Leukämiefällen in der Elbmarsch vor Augen führt, ist es begreiflich, daß man als normaler Bürger in diesem Lande verwirrt wird:

Manche Wissenschaftler bestreiten jeden Zusammenhang zwischen dem Atomreaktor Krümmel und den Leukämiefällen. Andere pochen darauf, daß das Gegenteil der Fall ist. Politiker zweifeln das fachliche Niveau der von der Landesregierung eingesetzten Leukämiekommision an. Ärtze klagen persönlich gegen das Kernkraftwerk Krümmel. Bürgerinitiativen blasen zum Sturm auf den Meiler und so weiter. Auf jeden Fall scheint die Stimmung zu diesem Thema - verständlicherweise - auf dem Siedepunkt zu sein. Das zeigt auch die heutige Debatte.

Für den SSW möchte ich deshalb festhalten: Unserer Meinung nach ergibt sich bereits aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Krümmel die Notwendigkeit, nochmals einen etwaigen Zusammenhang zwischen dem Kernkraftwerk und den Leukämiefällen in der Elbmarsch zu untersuchen.

Als Laie in Sachen medizinische Untersuchungen will ich mich nicht an der Schlammschlacht um Hypothesen und Forschungsmethoden beteiligen. Ich erwarte von der Landesregierung, daß sie die nach ihrem Ermessen besten Wissenschaftler für die geplante Studie heranzieht.

Für den SSW haben die Sorgen der Menschen in der Elbmarsch den absoluten Vorrang. Wir müssen die Ängste und Bedenken der Leute vor Ort ernst nehmen. Deshalb kann man gerade jetzt eine Änderung der Leukämieuntersuchungen in der Elbmarsch, wie von der F. D. P. gefordert, nicht vornehmen. Damit würden wir hier unserer Verantwortung, denjenigen gegenüber, die sich um die Gesundheit ihrer Kinder und um die eigene Gesundheit große Sorgen machen, nicht gerecht werden.

Die Leukämiekommision konnte keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen den Leukämiefällen und Krümmel feststellen. Da muß ich Ihnen völlig recht geben, Frau Happan-Kassan. Doch selbst bei den Folgeerkrankungen im Gebiet um Tschernobyl war es für Wissenschaftler außerordenlich schwer, einen kausalen Zusammenhang zwischen den Krebsfällen und der Reaktorkatastrophe nachzuweisen. Aber niemand, außer der Internationalen Atomenergiebehörde, wird ernsthaft bestreiten wollen, daß die vielen Krebsfälle im Zuge von Tschernobyl eine Folge der freigesetzen Strahlung sind.

Deshalb sind wir der Auffassung, daß die Untersuchungen nicht gestoppt werden dürfen, bevor der schlüssige Beweis vorliegt, daß der Atommeiler Krümmel nichts mit den Leukämiefällen zu tun hat. Im Grunde genommen obliegt es aber den Betreibern des Kernkraftwerkes, diesen Beweis anzutreten - nicht der Öffentlichkeit. Auch wenn keine entsprechende Rechtslage vorliegt: Aus moralischen Gründen müßte die Betreibergesellschaft das Kernkraftwerk so lange stillegen, bis mit Sicherheit bewiesen werden kann, daß der Betrieb Krümmels nichts mit den Leukämiefällen zu tun hat.

Im heutigen Zusammenhang würde mich interessieren, was die Regierung zu den Aussagen des Reaktor-Experten Sauer sagt. Hr. Sauer, der ehemals Abteilungsleiter für Reaktorsicherheit im Kieler Energieministerium war, vertritt die Auffassung, daß die Landesregierung schon 1994 die Betriebsgenehmigung für Krümmel hätte widerrufen müssen. Bei der Wiederanfahrgenehmigung für Krümmel im Oktober 1994 hätte die Betreiberin den Nachweis führen müssen, daß der Reaktor nicht ursächlich für die Leukämiefälle in der Elbmarsch verantwortlich ist, so Hr. Sauer. Ich frage mich: hatte man rechtliche Bedenken oder fehlte einfach der politische Mut, sich zur Stillegung durchzuringen?

Zum Antrag der F. D. P. ist noch zu sagen, daß wir es schon bedenklich finden, wie Sie jeden Zusammenhang zwischen Krümmel und den Leukämiefällen einfach zur Seite fegen - beispielsweise Hinweise, die gerade auch von Ärzten, die in der Region arbeiten und wohnen, gegeben wurden. Das wird Ihnen ja auch von den eigenen Parteileuten in der betroffenen Region vorgeworden.

Auch möchte ich beanstanden, daß Sie eine landesweite Fall-Kontroll-Studie zu den Ursachen von Kinderleukämie abwarten wollen. Dem SSW dauert dies zu lange. Wir können den Menschen in der Elbmarsch einfach nicht zumuten, jetzt so zu tun, als seien ihre Leukämiefälle ein Problem von vielen. Das sind sie durch ihre Häufigkeit und durch die Nähe zu einem Atommeiler eben nicht.

In der Frage des letzten Punktes Ihres Antrages sind wir uns im Prinzip einig. Es ist an in der Tat an der Zeit, das die Landesregierung ein Krebsregistergesetz vorlegt, so das alle Krebsfälle im unserem Lande in Untersuchungen mit einbezogen werden können. Aber in der jetzigen Lage hilft dieses Krebsregister nicht bei der Aufklärung der Problemfälle in der Elbmarsch. Das Krebsregister könnte man frühestes in enigen Jahren für aussagekräftige Untersuchungen nutzen.

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