Rede · Flemming Meyer · 26.04.2013 Familienpolitische Leistungen reformieren!

Eine explizite Familienpolitik, die sich auch so nennt, gibt es in Europa anscheinend nur in Deutschland und in Frankreich. Doch die zähe und in unseren Augen völlig unnütze Debatte um das Betreuungsgeld hat vor allem eins deutlich gemacht: Auch wenn Deutschland sich zu einer Familienpolitik bekennt, gibt es in diesem Land einfach keine einheitliche Zielvorstellung. Das Gesellschafts- und Familienbild in den verschiedenen Regionen weicht offensichtlich sehr stark voneinander ab. Mit Blick auf die ungemein wichtige frühkindliche Bildung setzen die einen zum Beispiel auf den Ausbau der Infrastruktur. Andere aber wollen lieber rein finanzielle Anreize für Eltern schaffen, die ihre Kinder zuhause betreuen. Maßnahmen werden aus den abenteuerlichsten Gründen eingeführt und häufig auch schnell wieder kassiert. Derzeit gibt es 252 familienpolitische Maßnahmen. Es ist schlicht und einfach keine klare Linie erkennbar. Eine Grundvoraussetzung, die in meinen Augen völlig fehlt, ist eine breite gesellschaftliche Debatte darüber, wo die Reise in der Familienpolitik eigentlich hingehen soll. Wie sehen die Ziele aus? Und wie können wir sie erreichen?

Ich zweifle nicht an der Notwendigkeit der Familienförderung. Wir müssen Familien fördern, weil der Bedarf deutlich erkennbar ist. Hier sollten wir uns nichts vormachen: Im Vergleich zu Gutverdienern mit Kindern sind Familien mit einem durchschnittlichen oder geringen Einkommen ganz klar gewissen Einschränkungen ausgesetzt. Dass diese Einschränkungen häufig auch finanziell sind, lässt sich kaum leugnen. Und in manchen Fällen ist dann irgendwann der Punkt erreicht, an dem auch die konkrete Entwicklung der Kinder betroffen ist und an dem sie klar erkennbare Nachteile gegenüber Gleichaltrigen haben. Hier muss der Staat eingreifen. Dies muss aus unserer Sicht die Zielsetzung sein. Schwächen müssen ausgeglichen und konkrete Nachteile für Kinder aus weniger gut situierten Elternhäusern verhindert werden.

Der SSW hat immer die Auffassung vertreten, dass das System der Familienförderung keine Verlierer produzieren darf. Leider müssen wir feststellen, dass es viel zu häufig genau diesen Effekt hat. Das zeigt sich zum Beispiel beim Kindergeld und Kinderfreibetrag. Hier sind Familien mit niedrigen Einkommen klar im Nachteil gegenüber Besserverdienenden. Auch das Ehegattensplitting hat eine ähnlich ungerechte Wirkung und es hat sein ursprüngliches Ziel deutlich verfehlt. Deshalb fordern wir die Bundesebene auf, diese Maßnahmen kritisch zu prüfen und gegebenenfalls zu beenden.

Ich habe es bereits angedeutet: Grundsätzlich wollen wir mehr soziale Gerechtigkeit in der Familienpolitik. Niemand darf zurückgelassen werden. Und für uns gibt es keine Alternative zum solidarischen Charakter dieses Systems. Deshalb ist auch völlig klar, dass die Stärkeren entsprechend in die Pflicht genommen werden müssen. Aus Sicht des SSW hakt es leider genau an dieser Stelle. Hier muss der Bund endlich den Mut aufbringen, der nötig ist, um gegenzusteuern und dieses System zukünftig sozial gerechter zu gestalten.

Eins will ich deutlich sagen: Egal ob wir über direkte oder indirekte, finanzielle oder infrastrukturelle Leistungen reden. Sie sind und bleiben notwendig. Wichtig ist aber, dass sie endlich zielführend eingesetzt werden. Deutschland investiert jährlich Milliarden in diesen Bereich. Und trotzdem ist das Land alles andere als kinderfreundlich. Ja, wenn wir uns die Situation Alleinerziehender anschauen, dann sind Kinder sogar bis heute das Armutsrisiko Nummer eins. Diese Entwicklung muss dringend gestoppt werden.

Natürlich ist es nicht allein Aufgabe des Bundes, für ein kinder- und familienfreundliches Umfeld zu sorgen. Was zum Beispiel die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder den Ausbau der Betreuungsinfrastruktur angeht, sind Länder, Kommunen aber auch die Wirtschaft gemeinsam in der Pflicht. Klar ist aber auch, dass Ansätze wie das Betreuungsgeld die einfachsten Grundsätze der Sozial- und Gleichstellungspolitik verfehlen, und dass sie überhaupt nicht in ein modernes Familienförderungskonzept passen. Diese Koalition hat völlig andere familien- und bildungspolitische Vorstellungen. Deshalb werden wir auf Landesebene alles tun, was einer modernen und sozial gerechten Familienpolitik dient. Und wir fordern die Landesregierung auf, in diesem Sinne auch verstärkt bundespolitisch aktiv zu sein.

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