Rede · Flemming Meyer · 01.06.2006 Gegen Korruption im Gesundheitswesen

Korruption im Gesundheitswesen ist nicht gleichzusetzen mit dem, was wir landläufig unter Korruption verstehen: nämlich, dass ein Auftragnehmer dem Aufraggeber heimlich Geld gibt. Bargeld fließt in Praxen oder Krankenhäusern nur selten. Viel mehr sind es Privilegien oder Vergünstigungen, wie z.B. die Teilnahmen an einm Kongress in exklusivem Ambiente, die korrumpieren. Im Gesundheitswesen geht es eben um eine ganz andere Art der Korruption. Das führt auch dazu, dass es Tätern und Opfern leicht fällt, erst gar kein Unrechtsbewusstsein aufkommen zu lassen.

Der Dumme ist letztlich der Patient, besser gesagt: der Beitragszahler, der alle Ausgaben im Gesundheitswesen tragen muss. Dabei spielt es keine Rolle, ob er selbst erkrankt. So lange er abhängig beschäftigt ist, muss er einen festen Teil seines Gehaltes an die Krankenkasse abführen. Die Beitragssätze steigen gerade wieder. Je geringer dagegen die Ausgabe im Gesundheitswesen, desto niedriger die Beiträge und das hat nicht zuletzt eine entspannende Wirkung für die Lohnnebenkosten.

Aus diesem Grund unterstützt der SSW das Vorhaben der grünen Fraktion voll und ganz, Korruption im Gesundheitswesen zu verhindern um so auch die Kosten der Krankenversicherung für den Einzelnen senken zu können. Wir dürfen aber in der Diskussion nicht vergessen, dass das Gros der im Gesundheitswesen Tätigen grundehrlich ist. Ein ganzes System für korrupt zu erklären, hieße das Kind mit dem Bade auszuschütten. Ehrliche Leistungserbringer werden all zu schnell in einen Topf mit den schwarzen Schafen geworfen. Diese pauschalen Verdächtigungen sind sicherlich ein Grund für die hohe Unzufriedenheit unter den Ärzten.

Das heißt aber nicht, dass Betrug und Korruption nur Einzelfälle sind: die Liste der Skandale im Gesundheitswesen ist nicht zufällig so lang. Aufmerksame Beobachter treffen Korruption an vielen Stellen an. Vielleicht darum will der vorliegende Antrag auch an vielen Stellen ansetzen. Ich halte das aber für den falschen Weg; und zwar aus zwei Gründen: zum einen setzen wir Vertrauen aufs Spiel. Die Menschen verlieren das Vertrauen in ein System, wenn sie davon überzeugt sind, dass sie ausnahmslos betrogen werden.

Der andere Grund ist eher strategischer Natur: wer das Gesundheitssystem korruptionsfrei machen will, verhebt sich schnell. Die inhaltlichen Verflechtungen sind sehr komplex, so dass das Hantieren an vielen Stellschrauben ungeahnte Folgen haben kann. Man braucht auch einen langen Atem, um die vorgelegte Liste abzuarbeiten.

Stattdessen sollten wir uns auf wenige Punkte konzentrieren, die umsetzbar sind und greifbare Ergebnisse zeigen. Ich möchte das an einem Beispiel näher ausführen: Es sollte uns nicht nur um die Offenlegung der Finanzierung von Medikamentenstudien gehen. Das ist nämlich so lange folgenlos, als dass es gar keine Veröffentlichungspflicht der Resultate gibt. Wenn die Pharmaunternehmen die Folgen bestimmter Wirkstoffe der Öffentlichkeit verheimlichen, ist die Frage, wer die Studie finanziert hat, letztlich zweitrangig. Hier sollten wir nachhaken.

Der SSW wendet sich aber entschieden gegen jede weitere Bürokratisierung des Systems. Wir sollten das Heil nicht in einer engmaschigen Kontrolle sehen, sondern darin, die Transparenz des Systems zu verbessern. Doppelstrukturen müssen abgelöst werden und die Krankenkasse noch besser als jetzt in der Lage sein, Sanktionen gegenüber korrupten medizinischen Dienstleistern zu verhängen und durchzusetzen. Obligatorische Patientenquittungen, wie im Antrag gefordert, erhöhen den bürokratischen Aufwand in den Praxen und bewirken überhaupt nichts, wenn dem Patienten nicht gleichzeitig eine Sanktionsmöglichkeit an die Hand gegeben wird. Solange die Quittung aber eigentlich für Patienten uninteressant ist – schließlich rechnet ja die Krankenkasse ab und zahlt – solange wird es nur wirklich extrem wenige Patienten geben, die hier eine Kostenkontrolle betreiben wollen. Die elektronische Patientenkarte, die erfolgreich in Flensburg getestet wurde, ist aber ein geeignetes Mittel, um das komplizierte System durchsichtiger zu machen. Denn hier sind auch die Fachleute, die Krankenkassen beteiligt. Auch hier sollten wir am Ball bleiben.

Ich freue mich auf eine spannende Diskussion im Sozialausschuss.

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