Rede · Flemming Meyer · 23.02.2011 Gegen unhaltbare Zustände im Bereich der Leiharbeitsbranche

Der SSW hat immer deutlich gesagt, dass Leiharbeit ausschließlich dazu dienen darf, um betriebliche Auftragsspitzen abzufangen. Auch vor einem Missbrauch dieses Instruments haben wir wiederholt gewarnt. Es ist aber kein Geheimnis, dass die Leiharbeit von vielen Unternehmen systematisch dazu genutzt wird, um dauerhaft auf eine Gruppe billiger Arbeitskräfte zuzugreifen. Diese Entwicklung ist im Übrigen nicht erst seit der Wirtschaftskrise zu beobachten. Die starke Zunahme der Leiharbeiterzahlen hier in Schleswig-Holstein lässt vermuten, dass die Ausnahme langsam aber sicher zur Regel wird. Denn der Aufschwung am Arbeitsmarkt ist nicht zuletzt durch den Rekordzuwachs der Leiharbeitsbranche begründet. Dass Arbeitskräfte in dieser Branche teilweise nur die Hälfte verdienen und ihr Verarmungsrisiko entsprechend hoch ist, dürfte jedem hier bekannt sein. Vor diesem Hintergrund bieten die aktuellen Arbeitslosenstatistiken wenig Grund zum Jubeln. Aus Sicht des SSW ist die aktuelle Entwicklung eher besorgniserregend.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat kürzlich eine beeindruckende Studie zu den erschreckenden Bedingungen im Verleihgewerbe vorgelegt: Trotz Vollzeitjob können viele Arbeitskräfte schlicht und einfach nicht von ihrer Arbeit leben. Vor diesem Hintergrund kann doch nicht bestritten werden, dass die bisherige Regulierung der Leiharbeit Fehlentwicklungen und Verwerfungen verursacht hat. Es gibt weder eine Gleichbehandlung beim Lohn, noch kann davon die Rede sein, dass Leiharbeit eine Brücke in reguläre Beschäftigung ist. Dieser Zustand muss aus unserer Sicht dringend geändert werden. Der SSW begrüßt daher, dass die Linke dieses Thema mit dem vorliegenden Antrag aufgreift und unterstützt selbstverständlich auch den Aktionstag des DGB gegen unhaltbare Zustände im Bereich der Leiharbeitsbranche.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung“ wird seinem Namen leider nicht gerecht. Denn auch hier wird das Prinzip der Gleichbehandlung von Stammbelegschaft und Leiharbeitern nicht konsequent umgesetzt. So lange es aber finanzielle Vorteile für denjenigen gibt, der seine Stammbelegschaft durch Leiharbeiter ersetzt, wird es auch Missbrauch geben. Dies geht dann nicht nur auf Kosten der Leiharbeiter, sondern benachteiligt auch die Unternehmen, die Arbeitnehmer unbefristet einstellen. Deshalb fordern wir weiterhin, dass es für die gleiche Arbeit auch den gleichen Lohn geben muss – und dies selbstverständlich ab dem ersten Tag und nicht etwa erst nach 3, 6 oder 9 Monaten. Hierfür muss sich die Landesregierung aus unserer Sicht dringend im Bundesrat einsetzen. Denn auch die gerade erzielte Einigung zu Regelsätzen und branchenbezogenen Mindestlöhnen auf Bundesebene lässt Ausnahmen vom Gleichbezahlungsgebot zu. Indem dieser Grundsatz aber endlich ab dem ersten Tag und ohne Ausnahmen greift, wird die Leiharbeit auf ihren ursprünglichen Zweck reduziert: Nämlich den kurzfristigen flexiblen Einsatz zur Abdeckung von Auftragsspitzen.

Heute haben wir aber eine Situation, in der bundesweit fast eine Million Menschen in der Leiharbeit beschäftigt sind. Hier lässt sich ganz klar ein Missbrauch dieser Beschäftigungsform erkennen. Ich habe bereits in einer früheren Debatte zu diesem Thema auf die persönlichen Konsequenzen für die Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer hingewiesen. Denn neben der konkreten Benachteiligung beim Arbeitslohn hat diese Gruppe auch mit verschiedenen weiteren Problemen zu kämpfen, die nicht selten vergessen werden: Den Menschen in dieser Branche wird oft langfristig die Chance auf eine unbefristete und fair entlohnte Arbeit genommen. Daraus folgen regelrechte Leiharbeitskarrieren ohne Perspektive. Als so genannte „Fremdmitarbeiter“ werden Leiharbeiter nicht in gleichem Maße in die soziale Struktur des Unternehmens eingebunden, und sie erfahren nicht selten eine geringere Wertschätzung, als reguläre Mitarbeiter. Außerdem werden den Menschen, die dauerhaft Leiharbeit verrichten, nicht annähernd die gleichen Qualifizierungs- und Entwicklungsmöglichkeiten geboten, wie der Stammbelegschaft. Es ist eindeutig, dass die Investition in Weiterbildung - und der damit gewollte Qualifizierungseffekt der Leiharbeit - im heutigen System mit seinen Fehlanreizen leider viel zu selten gegeben ist. An diesen Zuständen muss sich dringend etwas ändern.

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