Rede · Lars Harms · 19.06.2014 Gerechtigkeit schaffen – Alleinerziehende steuerlich entlasten

„Die besonderen Belastungen von Alleinerziehenden müssen endlich anerkannt und auch beim Steuerabzug berücksichtigt werden“

 


 

Vor dem Hintergrund der doch recht hitzigen Diskussionen freut mich die grundsätzliche Einigkeit bei diesem Thema umso mehr. Unabhängig vom Stand des Verfahrens will ich ausdrücklich sagen, dass wir die Initiative der FDP begrüßen. Denn wie Sie sicher wissen, fordert der SSW schon lange eine größere Anerkennung der Erziehungsleistung von Ein-Eltern-Familien und damit endlich auch eine stärkere Anerkennung der veränderten familiären und gesellschaftlichen Realitäten. Es ist nun einmal Fakt, dass wir noch lange nicht überall familiengerechte Arbeitsbedingungen und eine familienfreundliche Infrastruktur haben. Da, wo „Familienpolitik“ draufsteht, ist ganz bestimmt nicht immer Familienpolitik drin. Und wir alle wissen, dass bestehende Maßnahmen und Leistungen längst nicht immer zum Wohle von Alleinerziehenden sind.

 

Für uns ist deshalb klar: Auch wenn es ganz sicher nicht die einzige notwendige Maßnahme ist, ist eine spürbare steuerliche Entlastung von alleinerziehenden Müttern und Vätern ein sehr wichtiger Punkt. Wir begrüßen deshalb den Vorstoß unserer Landesregierung im Rahmen der Jugend- und Familienministerkonferenz, der ja genau auf der Linie der hier zur Diskussion stehenden Anträge liegt. Über die zeitnahe Erhöhung des Entlastungsbetrags, die Anpassung in Analogie des Verbraucherindexes und die Staffelung nach Kinderzahl sind wir also weitestgehend einig. Wie gesagt: Es schadet nicht, dass die FDP diese wichtigen Punkte anmahnt. Aber der Hinweis, dass diese Forderungen auch den Weg in den Koalitionsvertrag auf Bundesebene gefunden haben, wird sie vielleicht ein wenig beruhigen. Auch wir hoffen sehr, dass sich hier zeitnah etwas bewegt. 

 


 

So schlimm es sich auch anhört: Kinder sind bis heute eines der größten Armutsrisiken in unserem Land. Wer die große Aufgabe der Kindererziehung allein bewältigt, ist leider nicht nur beruflich, zeitlich und emotional besonders beansprucht, sondern eben leider auch finanziell belastet. Diese Tatsche ist aus Sicht des SSW beschämend. Eins ist sicher: Mit dem seit 2004 geltenden und bis heute unveränderten Entlastungsbetrag von 1308 Euro stößt man nicht erst mit dem zweiten oder dritten Kind schnell mal an seine finanziellen Grenzen. Fakt ist, dass Alleinerziehende bisher fast genauso besteuert werden, wie Singles. Ein geringverdienender alleinerziehender Elternteil spart hierdurch gerade einmal 15 Euro an Steuern im Monat. Ganz gleich, ob er oder sie nun ein oder mehrere Kinder zu versorgen hat. Das halte ich ganz einfach für nicht hinnehmbar. Neben einer deutlichen Erhöhung brauchen wir daher auch eine Dynamisierung dieses Betrags.

 


 

Doch trotz aller Einigkeit über diesen Schritt müssen wir uns eines sehr bewusst machen: Sozial schwachen Ein-Eltern-Familien und jenen mit nur geringem Einkommen ist hierdurch nicht wirklich geholfen. Wer Hartz 4 bezieht oder halbtags arbeitet, wird kaum bis gar nicht profitieren. Aus Sicht des SSW ist der Weg, dieses Problem steuersystematisch zu lösen, damit streng genommen der falsche. Natürlich unterstützen wir die Forderung nach steuerlicher Entlastung als Schritt in die richtige Richtung. Hin zu mehr Anerkennung für Alleinerziehende und zu mehr Gerechtigkeit. Aber in unseren Augen gibt es durchaus zielführendere Maßnahmen. 

 


 

Mit einer spürbaren Erhöhung des Kindergeldes wäre zum Beispiel deutlich mehr Menschen geholfen. Aber auch ein kostenloser Kitaplatz ist unserer Meinung nach eine sehr sinnvolle Möglichkeit, um gerade diejenigen, die besonders armutsgefährdet sind, zu entlasten. Keine Sorge: Mir ist durchaus bewusst, dass es sich hier um vergleichsweise kostspielige Vorschläge handelt. Aber Deutschland investiert jährlich Milliarden in die Familienpolitik. Und trotzdem ist das Land bisher alles andere als kinderfreundlich. Wenn wir uns die weit über 200 familienpolitischen Leistungen anschauen, scheint mir zumindest Potential für Veränderung vorhanden zu sein. Natürlich sind viele der direkten oder indirekten, finanziellen oder infrastrukturellen Leistungen für Familien sinnvoll und wichtig. Aber sie sollten endlich zielführend eingesetzt werden. Und ich denke, an erster Stelle muss dabei die Vermeidung von Ungerechtigkeit und die Bekämpfung von Armut stehen.

 


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