Rede · Flemming Meyer · 26.09.2001 Haushalt 2002 - 1. Lesung

Nach dem 11. September wird nichts wieder werden wie vorher. Die Folgen dieses abscheulichen Terroranschlages auf unschuldige Menschen in den USA sind noch nicht abzusehen. – Doch, ob wir es wollen oder nicht: Kein Volk und kein Land werden von diesen Ereignissen unberührt bleiben; auch Schleswig-Holstein nicht.

Somit hat sich die politische Agenda in wenigen Tagen grundlegend geändert – das zeigt nicht zuletzt das überraschende Wahlergebnis in Hamburg. Dennoch - oder gerade deswegen – ist es wichtig, dass die Verantwortlichen jetzt nicht die Fassung verlieren und in Hysterie verfallen. In solch einer ernsten Situation brauchen wir Besonnenheit und Verantwortungsbewusstsein – blinden Aktionismus oder dumpfen Populismus brauchen wir nicht.

Gegen Terroristen, die überall und nirgends sind, die von einem Land zum anderen wechseln, die in kleinen Gruppen operieren, finanziert aus dunklen Quellen, getrieben von fanatischem Hass und zum Selbstmord bereit, haben Armeen keine Chance. Unter Vergeltungsschlägen mit Bomben und Raketen leiden vor allem unbeteiligte Zivilisten, denn die Terroristen haben sich längst wieder in die Büsche geschlagen. Und nicht genug damit: Jeder Gegenangriff lässt auch die Schlange vor den Rekrutierungsbüros der Terrororganisationen wachsen. Damit müssen wir rechnen, wenn wir die gerechte Strafe für die Urheber des Grauens einfordern.

Wer sich dabei nur auf militärische Lösungen versteift, verschiebt die Diskussion in die falsche Richtung. Wer den Terror aus der Welt schaffen will, der muss vor allem seine politischen, sozialen und finanziellen Quellen austrocknen. Der muss dem religiösen Fanatismus das Wasser abgraben. Europa und Amerika befinden sich nicht in einem Krieg. Jedenfalls nicht in einem herkömmlichen. Sie müssen vielmehr Antworten finden auf die Herausforderung einer bislang so nicht für möglich gehaltenen menschenverachtenden politischen Kriminalität.

Für die Innenminister stellt sich nun die Frage, wie sie mit der deutlich gewordenen Verunsicherung der Bürgerinnen und Bürger fertig werden. Bundesinnenminister Otto Schily betont angesichts die-ser Verunsicherung, dass der Rechtsstaat nicht abgeschafft wird. Aber wir alle wissen, dass man den Rechtsstaat auch schleichend vergiften kann. Der SSW hält nichts von Vorschlägen, jetzt schnell die Rechte der Geheimdienste auszuweiten, die Bundeswehr im Inneren für Polizeiaufgaben einzusetzen oder den Datenschutz auszuhebeln.

Wir gewinnen nichts, wenn wir die Freiheitsrechte jetzt gegen die Sicherheit ausspielen. Ebenso wie Freiheit die innere Sicherheit voraussetzt, gibt es anders herum die persönliche und öffentliche Sicherheit nicht ohne die Freiheit. Es wäre wirklich fatal, wenn die Politik und die Bürger eine Einschränkung der Bürgerrechte in Kauf nehmen, nur weil ganz schnell etwas passieren soll.

Die meisten der drakonischen Maßnahmen, die heute gefordert werden, sind alte Hüte, die einen Terroranschlag wie in New York überhaupt nicht verhindern können. Damit meine ich: Es gibt nicht den großen goldenen Schlüssel zur Bekämpfung des Terrorismus und für mehr innere Sicher-heit – auch wenn jetzt auf einmal viele Menschen auftauchen, die behaupten, dass sie ihn haben. Es gibt höchstens viele kleine Schlüssel.

Es geht vor allem nicht zuerst um die Verschärfung der Regeln, sondern darum, die bestehenden Einrichtungen zu stärken und effektiv einzusetzen. Wichtig ist vor allem, dass die verschiedenen Si-cherheitsbehörden auf Bundes- und Länderebene besser zusammenarbeiten. Das wird ja auch von allen Seiten unterstrichen.

Der SSW fordert zum Beispiel, dass endlich das polizeiliche Informationssystem „INPOL neu“ ver-nünftig in Gang gebracht wird. Es kann ganz einfach nicht angehen, dass 16 Bundesländer und der Bund weiterhin jeweils mit ihren eigenen – weitgehend nicht kompatiblen - Informationssystemen operieren.

So etwas muss angegangen werden, bevor wir die Freiheitsrechte unschuldiger Bürgerinnen und Bürger einschränken. Ich will nicht falsch verstanden werden: Alles zu belassen wie bisher, ist sicherlich der falsche Weg. Aber: Die Balance zwischen innerer Sicherheit und freiheitlichem Rechtsstaat darf nicht gekippt werden. Daran werden wir die neuen Sicherheitsmaßnahmen zur Terrorismusbekämpfung messen

Die ersten konkreten Maßnahmen der Landesregierung zur Verbesserung der Inneren Sicherheit können wir zwar vom Grundsatz her unterstützen. Bei der Rasterfahndung und der Regelanfrage ist allerdings entscheidend, wie sie umgesetzt werden. Einen Blankoscheck des SSW wird es für diese Maßnahmen nicht geben. Dazu sind wir der Auffassung, dass die Vorschläge der Landesregierung ihren normalen parlamentarischen Gang gehen müssen. Es gibt keinen Anlass, jetzt diese Vorhaben schnell durchzupeitschen, wobei es wichtig ist festzustellen, dass die Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein nicht aktuell gefährdet sind.

Dennoch: Auch der SSW weist nicht von der Hand, dass es Nachholbedarf im Bereich der Inneren Sicherheit gibt – beispielsweise in der Ausstattung der Polizei. Allerdings ist dieser Nachholbedarf schon lange bekannt – auch vor dem 11. September. In diesen Fragen hat der SSW immer die For-derung der Polizeigewerkschaften unterstützt. Im Nachtragshaushalt gibt es in Punkto Sicherheits-westen und durch das vorgeschlagene Leasingmodell für Polizeiautos zwei Bereiche, wo endlich die Ausstattung der Polizei verbessert wird. Das begrüßt der SSW als einen Schritt in die richtige Rich-tung.

Die Haushaltsberatungen 2002 stehen also unter einem denkbar schlechten Vorzeichen. Hinzu kommt, dass die Konjunktur lahmt und die Arbeitslosenzahlen wieder langsam ansteigen. Gerade am Montag wurden die neuesten Halbjahreszahlen veröffentlicht, die ein Wirtschaftswachstum für Schleswig-Holstein ermittelten, das bei 0,2% liegt. Damit liegt Schleswig-Holstein leider am unteren Ende - nicht nur der westdeutschen Bundesländer, sondern insgesamt. Das wird leider auch negative Folgen für den Landeshaushalt haben.

Dazu schafft der Terror in den USA große Verunsicherungen für zukünftige Investitionen in vielen Branchen. Schon durch die im letzten Jahr auf Bundesebene beschlossene Steuerreform verliert Schleswig-Holstein jährlich weiterhin eine halbe Milliarde DM an Steuereinnahmen

”Was nach der Steuerreform in den Taschen der Steuerzahler ist, kann nicht gleichzeitig in der Kas-se des Finanzministers sein. Und was nicht in der Kasse des Finanzministers ist, kann derzeit nicht für Wünschenswertes ausgeben werden“, so die Ministerpräsidentin, als sie den Haushaltsentwurf für das Jahr 2002 vorstellte. Diese auf den ersten Blick einleuchtende Feststellung wirft aber den-noch einige Fragen auf. Ich unterstelle dabei nicht, dass es um die alte Forderung des Steuerzahlerbundes geht, die besagt, das Geld sei am besten in den Taschen der Steuerzahler aufgehoben. Ich meine damit, dass wir uns in den letzten Jahren immer wieder mit der Frage auseinandergesetzt haben, wie der Sozialstaat weiterentwickelt werden könnte. Ich hätte mir gewünscht, dass der Haushaltsentwurf der Landesregierung diese Debatte widerspiegeln würde. Stattdessen beinhaltet er nichts anderes als Einsparmaßnahmen – die härtesten, die in meiner Zeit als Landtagsabgeordnete dem Landtag präsentiert worden sind. - Und wie wir wissen, ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht. - Die November-Steuerschätzung lässt grüßen.

Deshalb muss darauf hingewiesen werden, dass sich durch diesen Entwurf die Investitionsquote des Landes unter 10 % bewegt, und dass damit ein neues Rekordtief erreicht wird. - Und das in einer Situation, wo die Konjunktur dabei ist, stark nachzulassen. Gerade jetzt sind harte Sparmaßnahmen Gift für die Konjunkturentwicklung, da man in einer Krise normalerweise antizyklisch reagieren und die öffentlichen Investitionen erhöhen sollte. Für den SSW ist es daher fraglich, ob der eingeschlagene Weg der Landesregierung richtig ist.

Um nicht missverstanden zu werden: Ich spreche nicht einer unbegrenzten Erhöhung der Nettoneuverschuldung das Wort. Ich stelle vielmehr in den Raum, dass es unserer Meinung nach Sinn ma-chen würde, einige der geplanten Kürzungen bei den Investitionen zurückzunehmen – ganz konkret, um Arbeitsplätze zu retten oder zu erhalten. Dies gilt insbesondere für Investitionen im Baubereich, aber auch für andere betroffene Wirtschaftszweige. Der Herr Oppositionsführer – der Kollege Kayenburg - hat ja dankenswerterweise öffentlich ähnliche Gedanken geäußert. Ich hoffe, wir können hier im Hause einen Konsens in dieser sensiblen Frage herstellen.

Der SSW ist also nicht grundsätzlich gegen Sparmaßnahmen, sie müssen aber regional und sozial ausgewogen sein. Sparen ersetzt keine Politik – nur wenn Perspektiven aufgezeigt werden, sind Menschen letztlich gewillt, den Gürtel immer enger zu schnallen. Doch leider enthält der Entwurf des Landeshaushalts wenig Perspektiven, weder für die Betroffenen noch für das Land als Ganzes. Man wird den Eindruck nicht los, dass bei der Erstellung des Haushaltsentwurfs die Füße auf den Kopf gestellt wurden: Wichtiger als das Erstellen langfristiger Konzepte war es den Ministerien, den vorgegebenen Einspargewinn zu erzielen.

Das gilt auch für die Minderheitenpolitik.

Wir betonen es immer wieder: „Die Menschen der dänischen Minderheit sind Bürgerinnen und Bürger in diesem Land – mit Pflichten und Rechten. Sie sind auch Steuerzahler. Die Minderheit ist gern bereit, ihres zu leisten, damit das Land finanziell wieder auf Vordermann kommt. Wir wollen aber nicht überdurchschnittlich für den Finanzminister bluten müssen, aber eben dieses geschieht im Moment.

Lassen Sie mich ein paar grundsätzliche Bemerkungen zur Minderheitenpolitik machen. In letzter Zeit ist mehrfach darauf hingewiesen, dass wir 2005 Fünzig Jahre Bonn/Kopenhagener Erklärungen feiern können, jene Erklärung also, die zu Recht als Meilenstein im Verhältnis von Mehrheit und Minderheit in unserem Grenzland charakterisiert werden. Dabei geht es schlicht und ergreifend darum, dass das Bekenntnis zu einer nationalen Minderheit frei ist. Es darf von Amtswegen nicht infrage gestellt werden. So steht es nämlich in den Bonn/Kopenhagener Erklärungen.

Runtergebrochen auf die gesellschaftliche Wirklichkeit heißt das, dass allen Menschen, ob nationaler Minderheit oder Mehrheit, die Möglichkeit gegeben werden muss, sich kulturell zu entfalten. Darum geht es in der Minderheitenpolitik, nicht darum, in Europa Minderheit mit Minderheit zu vergleichen. Es geht immer darum, Mehrheit und Minderheit vor Ort miteiander zu vergleichen. Es geht um gleichwertige Rahmenbedingungen. Es geht dabei auch um finanzieller Gleichstellung.

Minderheitenpolitik ist Integrationspolitik. Gerade wir vom SSW heben diesen Aspekt immer wieder hervor. Wir messen nicht mit zweierlei Maß, wenn wir uns hier oder nördlich der Grenze in die öffentliche Diskussion zum Thema Einwanderung und Integration einmischen. Wer Flensborg Avis oder den Nordschleswiger liest, wird wissen, dass es so ist. Minderheitenpolitik ist also etwas anderes als Interessenpolitik. Das gilt auch für die kommenden Haushaltsberatungen.

Wenn es nach den Vorstellungen der Landesregierung geht, dann soll der Kulturverein der dänischen Minderheit, Sydslesvig Forening, 10 % sparen, der Schulverein bei den Bauzuschüssen 19 % weniger bekommen und der Landwirtschaftsverband um 44 % gekürzt werden. Bei den Friesen will die Landesregierung die Zuschüsse für die kulturelle Arbeit mit ca. 23% kürzen.

Das geht schon an die Substanz und gefährdet die Arbeit der dänischen Minderheit und der Friesen. Wenn nun aber die Landesregierung auch noch vorschlägt, das Schulgesetz dahingehend zu ändern, dass die Zuschüsse für die dänischen Schulen bis 2005 auf dem Niveau von 1998 festgeschrieben werden, dann ist das ein Dammbruch in der Minderheitenpolitik. Die Minderheitenregelung im Schulgesetz ist die einzige gesetzlich abgesicherte finanzielle Gleichstellung von Mehrheit und Minderheit. Die kann man nicht aushöhlen, ohne dass wichtige Teile der viel gepriesenen Minderheitenpolitik unseres Landes in sich zusammenfallen.

Und darum sage ich hier und heute: Sollte diese Schulgesetzänderung beschlossen werden, dann wäre dies ein herber Rückschlag für die Minderheitenpolitik des Landes. Und ich füge hinzu: Dansk Skoleforening hat bereits erhebliche Sparleistungen erbracht, indem er drei Jahre lang eine Festschreibung seiner Mittel auf dem Niveau von 1998 akzeptiert hat. Dieses hat unseren Schulen jährlich knapp 1 Million DM gekostet. Weitere Kürzungen sind nicht tragbar, ohne die Arbeit des Schulwesens der dänischen Minderheit ernsthaft in Gefahr zu bringen.

Dazu kommt, dass die Balance zwischen deutschen und dänischen Zuschüssen für die Minderheiten des Grenzlandes weiter verschoben wird. Mit diesem Haushaltsentwurf zahlt der dänische Staat für die deutsche Minderheit knapp 63% aller Zuschüsse, während sich der Zuschuss des deutschen Staates für die dänische Minderheit um die 40%- Marke bewegt. Das heißt, Dänemark zahlt noch mehr als bisher für beide Minderheiten.

Wir können uns nicht vorstellen, dass der Schleswig-Holsteinischen Landtag die Gleichstellung zwischen Mehrheit und Minderheit bei den Schulzuschüssen in Frage stellen will. Denn im Ergebnis würde die Schulgesetzänderung bedeuten, dass die Zuschüsse an die Schulen der dänischen Minderheit wieder auf dem Niveau fallen würden, das wir zuletzt unter Ministerpräsident Gerhard Stoltenberg Anfang der 80ér Jahre hatten, bevor mit Ministerpräsident Uwe Barschel 1985 eine 100%-Gleichstellung erreicht wurde. Damit meine ich: Von Sonntagsreden allein kann das sogenannte Minderheitenmodell im Grenzland nicht leben.

Ich frage also ganz konkret: Will der schleswig-holsteinische Landtag wirklich das einzige Gesetz, das die Gleichstellung von Mehrheit und Minderheit regelt – nämlich das Schulgesetz – über sieben Jahre außer Kraft setzen? Der SSW appelliert an den Schleswig-Holsteinischen Landtag sich bei den anstehenden Beratungen des Haushalts 2002 von der in der Landesverfassung in Artikel 5 formulierten Staatszielbestimmung über Schutz und Förderung der Minderheiten leiten zu lassen und die von der Landesregierung vorgeschlagenen Kürzungen bei den Organisationen der Minderheiten zurückzunehmen.

Auch in anderen Kernbereichen sind Kürzungen vorgeschlagen worden, die erhebliche Folgen für Bürgerinnen und Bürger unseres Landes haben werden. Beispielsweise sieht der SSW viele Probleme im sozialen Bereich. Ich will hier einige der aus unserer Sicht wichtigen Punkte ansprechen.

So führt die angekündigte Deckelung der Personalkosten im Kindertagesstättenbereich entweder zu einer Reduzierung der Qualität – sprich zu größeren Gruppen – oder zu einer höheren finanziellen Eigenbeteiligung der Eltern. Beides lehnt der SSW ab. Erst letztes Jahr hatte die Mehrheit des Landtages eine Abschaffung der Standards im Kindertagesstättenbereich abgelehnt. Es stärkt nicht das Vertrauen in die Politik, wenn jetzt über die Hintertür versucht wird, genau dieses zu erreichen.

Sehr bedenklich stimmt uns dabei auch, dass das Kita-Gesetz dahingehend geändert werden soll, dass das Land nur noch einen Zuschuss „nach Maßgabe des Haushalts“ geben soll. Was das bedeutet, kann man sich bei der sehr schwierigen Haushaltslage in diesem und in den folgenden Jahren ja vorstellen. Damit beginnt sich das Land aus der Finanzierung der Kindertagesstätten herauszuziehen. Die Zeche zahlen die Eltern und ihre Kinder.

Auch die Kürzung des Programms „Arbeit für Schleswig-Holstein“ wirkt gerade bei steigenden Arbeitslosenzahlen unverständlich und sehr problematisch, weil dadurch die Arbeitslosenzahlen weiter ansteigen werden. Der SSW fordert eine aktive Arbeitsmarktpolitik. Das heißt: keinen weiteren Abbau der Arbeitsmarktförderung. Zumal durch weniger Landesmittel auch weniger EU-Mittel eingeworben werden können. Auch die Folgen der Kürzungen beim Landesblindengeld müssen bei den anstehenden Haushaltsberatungen noch mal genau durchleuchtet werden.

Sehr bedenklich stimmen uns die vorgeschlagenen Sparmaßnahmen im Bereich der Landesprogramme für den ländlichen Raum und für die strukturschwachen Regionen. Durch die Kürzungen im Programm ZIEL und damit u.a. im Programm „Zukunft auf dem Lande (ZAL) und dem “Regionalprogramm 2000“ kann das ursprüngliche Ziel einer aktiven Regionalpolitik nicht er-reicht werden. Der nördliche Landesteil und die Westküste sind weiterhin davon abhängig, dass die Landesregierung mit gezielten Investitionshilfen aus dem Regionalprogramm eine Verbesserung der wirtschaftsnahen Infrastruktur schafft. Im letzten Jahrzehnt ist viel erreicht worden, aber die vorgeschlagenen massiven Kürzungen bringen diese Erfolge wieder in Gefahr.

Dazu kommt, dass die Investitionen im Regionalprogramm 2000 verstärkt in den Regionen um die wirtschaftlich starken Zentren wie Kiel, Neumünster und Lübeck eingesetzt werden. Von den letzten 14 geförderten Projekten des Regionalprogramms war nur eines aus dem Landesteil Schleswig. Der Höhepunkt dieser verfehlten Politik wird erreicht, wenn vorgeschlagen wird, dass der Ausbau des Flughafens Kiel-Holtenau in Höhe von 112 Mio. DM mit bis zu 70%-GA-Förderung durch das Regionalprogramm finanziert werden soll. Das hat nichts mit aktiver Regionalpolitik zugunsten der strukturschwachen Regionen zu tun und wird von SSW abgelehnt.

Auch die Entwicklung des ländlichen Raumes wird durch die angepeilten Kürzungen in Frage gestellt. Zum Beispiel stellt die Landesregierung durch die Kürzung der Investitionen der Dorferneuerung in vielen Gemeinden die bisherige Arbeit mit den Ländlichen Struktur- und Ent-wicklungs(LSE)-analysen in Frage. Damit wird nicht nur die Entwicklung des ländlichen Raumes stark behindert, sondern die Politik der Landesregierung bekommt auch ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Viele Gemeinden sind – aufgefordert durch die Landesregierung – mit Eifer und Engagement an die Ausarbeitung der LSE-Analysen gegangen. - Und jetzt, mitten im Prozess, sollen die Mittel für die weitere Entwicklung nicht mehr gezahlt werden. Formalrechtlich gesehen mag das alles in Ordnung sein – wir haben das ja gestern im Finanzausschuss diskutiert. Aber Sie können sich vorstellen, dass so eine Hauruckpolitik ohne Hand und Fuß vor Ort zu großen Frustrationen führt. Auch hier muss also nachgebessert werden.

Im Bildungsbereich hat die Landesregierung viele Strukturänderungen – beispielsweise bei den Hochschulen oder bei den Universitätskliniken – angepackt, die auch vom SSW unterstützt werden. Allerdings bleiben wir bei unserer Auffassung, dass die Verwaltungsmodernisierung - auch in diesem Bereich - regionale Gesichtspunkte verstärkt mit einbeziehen muss.

Dies gilt insbesondere für den Hochschulstandort Flensburg. Grundsätzlich ist nichts dagegen einzuwenden, dass die Verwaltungen von der Universität Flensburg und der Fachschule Flensburg dort zusammenarbeiten, wo man Synergieeffekte erzielen kann. Aber das kann nicht die einzige Initiative der Landesregierung für den Hochschulstandort Flensburg bleiben.

Wir würden uns wünschen, dass die Landesregierung die Möglichkeiten der Uni Flensburg in der grenzüberschreitenden Hochschularbeit besser erkennt und diese Perspektive zielgenauer unterstützt. Die Zusammenarbeit zwischen der Syddansk Universitet und der Universität Flensburg ist EU-weit eines der wenigen funktionierenden grenzüberschreitenden Hochschulangebote. Leider wird dies in der öffentlichen Debatte über die Weiterentwicklung der Hochschullandschaft Schleswig-Holsteins überhaupt nicht wahrgenommen.

Die Landesregierung muss das Thema „grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Hochschulen in einem geeinten Europa“ endlich offensiv voranbringen und dazu beitragen, dass diese Angebote – insbesondere in Flensburg - weiter ausgebaut werden. Das gleiche gilt übrigens für das zweite Standbein der Uni Flensburg, die Lehrerausbildung. Wenn man den Hochschulstandort Flensburg erhalten will, muss man auch die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung stellen.

Natürlich ist sich auch der SSW im Klaren darüber, dass nicht alle Kürzungen verhindert werden können. Bei den Beratungen des Haushalts 2002 werden wir uns daher von folgenden Überlegungen leiten lassen:

1. Bei den Investitionen muss es um die Frage gehen, wie der größte arbeitsmarktpolitische oder wirtschaftliche Effekt erreicht werden kann. Deshalb sollte es weiterhin eine Maßgabe sein, die Programme, die von der EU und vom Bund kofinanziert werden, voll zu finanzieren. Insbesondere gilt es, die EU-Mittel für strukturschwache Regionen maximal auszunutzen, da sie nach 2006 vermutlich ersatzlos gestrichen werden. Wenn dies nur mit einer höheren Nettoneuverschuldung möglich ist, dann darf das Zurückfahren der Verschuldung auf Null im Jahre 2008 kein Dogma sein.

2. Wir müssen alle Möglichkeiten überprüfen, um die Einnahmen des Landes zu erhöhen. Vielversprechend erscheint es uns, durch die Einstellung von neuen Mitarbeitern in der Steuerverwaltung eine schnellere und effektivere Steuerkontrolle vorzunehmen. Berechnungen des Landesrechnungshofes haben gezeigt, dass das Land durch zu späte Vornahme der Steuerüberprüfung fast 6 Mio. DM Zinsverluste erlitten hat. Dieser Zustand ist nicht akzeptabel. Wir erwarten, dass die Landesregierung überprüft, inwiefern Neueinstellungen bei den Finanzämtern zu höheren Einnahmen für das Land führen können.

3. Im Minderheitenbereich bleibt der SSW bei seiner Auffassung, dass Minderheitenpolitik parteiübergreifend gestaltet werden muss. Deshalb müssen alle Parteien sich darüber Gedanken machen, wie Minderheitenpolitik zu finanzieren ist – und nicht nur der SSW.
Kurz noch ein paar Worte zum Nachtragshaushalt 2001:

Allein aufgrund der Mai-Steuerschätzung fehlten im laufenden Haushalt über 60 Mio. DM. Dazu kommt der bedauerliche und weiterhin unverständliche Rechenfehler bei der Berechnung der Personalkosten der Lehrer, der mit 35 Mio. DM zu Buche schlägt. Auch die Einnahmen zur Veräußerung von Beteiligungen des Landes wurden um 35 Mio. DM zu niedrig angesetzt. – Nebenbei bemerkt möchte ich deutlich sagen, dass auch der SSW weiterhin der Meinung ist, dass die Hintergründe des Verkaufes der LEG noch mal intensiv vom Finanzausschuss überprüft werden müssen.

Es gab also dringend Handlungsbedarf, weil ein Defizit von fast 100 Mio. DM entstanden war. Die Vorlage eines Nachtragshaushaltes durch die Landesregierung ist daher der richtige Weg. Wobei der SSW immer noch der Meinung ist, dass die Haushaltssperre mehr Schaden angerichtet als sie zu einer wirklichen Verbesserung der Haushaltssituation beigetragen hat. Zu den oben genannten Einnahmeausfällen sind in einigen wichtigen Bereichen erhöhte Kosten entstanden, die unbedingt durch den Nachtragshaushalt 2001 finanziert werden müssen.

Zum einen dreht es sich um Maßnahmen zur Verbesserung der Pflegeinfrastruktur und zur Förderung von Kindertagesstätten. Zum anderen will die Landesregierung Mittel bereitstellen, um ein Programm zur Beschaffung von Schutzwesten für die Polizei aufzulegen, und um eine Erhöhung der Werftenhilfe zu sichern. Alle diese Initiativen begrüßt der SSW.

Besonders froh sind wir über die Erhöhung der Werftenhilfe. Der SSW hatte bereits bei der Verabschiedung des Haushaltes 2001 kritisiert, dass Schleswig-Holstein als einziges norddeutsches Bundesland die Wettbewerbshilfe für Werften nicht voll ausschöpft. Diese Tatsache ist ein großer Wett-bewerbsnachteil für alle Werften des Landes, da weltweit hohe Subventionen für den Schiffbau gezahlt werden.

Die Werften sind weiterhin eine wichtige Säule in der wirtschaftlichen Entwicklung Schleswig-Holsteins - insbesondere auch des nördlichen Landesteils. Der SSW begrüßt daher, dass die Landes-regierung den Werften in der Frage der Wettbewerbshilfe - trotz der schwierigen finanziellen Lage - nochmals mit 8 Mio. DM entgegengekommen ist. Allerdings wissen wir auch, dass damit immer noch nicht die volle Förderung durch den Bund ausgeschöpft wird. Denn statt der möglichen 7% - wie in anderen Bundesländern - bekommen die schleswig-holsteinischen Werften jetzt knapp 5% Wettbewerbshilfe pro Auftrag.

Für den SSW ist die Wettbewerbshilfe aktuelle Wirtschaftspolitik, weil dadurch wertvolle Arbeitsplätze gesichert werden. Wir werden daher auch in diesem Punkt den FDP-Antrag zum Nachtragshaushalt unterstützen. Alle anderen Forderung sind Schnellschüsse, die im Rahmen der Haushaltsberatungen für das kommende Jahr diskutiert werden sollten.

Soweit zu den positiven Aspekten des Nachtragshaushaltes 2001. Bauchschmerzen bereiten uns naturgemäß die Finanzierung des Defizits. Insbesondere sind wir besorgt über die Kürzungen in den Investitionen des Landes. Wenn man beispielsweise beim Straßen- und Radwegebau dieses Jahr noch 2,7 Mio. DM einsparen will und bei der Gemeinschaftsaufgabe „Agrar- und Küstenschutz“ einschließlich der Dorferneuerung sogar 11 Mio. DM, dann erfüllt uns das nicht gerade mit Freuden. Es ist auch kein gutes Signal, angesichts der aktuellen Konjunktureinbrüche. Ich sagte das bereits.

Damit wir uns nicht missverstehen: Der SSW wird sich ganz stark dafür einsetzen, dass die negativen Aspekte des Nachtragshaushaltes - beispielsweise die Kürzung der Mittelzuweisungen für die LSE-Analysen – im Laufe der Beratungen für den Haushalt 2002 korrigiert werden. Eine andere Möglichkeit sehen wir im Moment nicht. Dabei hoffen wir auf die Unterstützung aller Fraktionen, die dieses im Finanzausschuss auch befürwortet haben.

Wir sind also gar nicht glücklich mit dem Nachtragshaushalt 2001. Aber wir haben für den ursprünglichen Haushalt 2001 gestimmt. Als verantwortliche Partei stehen wir dazu und werden daher auch dem Nachtraghaushalt zustimmen.

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