Rede · Flemming Meyer · 28.09.2001 Lehrerbildung

Bereits der erste Punkt des vorliegenden Antrages zeigt dessen Stoßrichtung: die Lehrerbildung soll nach den Vorstellungen der CDU-Fraktion auch in Zukunft schulartenabhängig gestaltet werden. Trotz knapper Ressourcen und eines hohen Entscheidungsdrucks entkommt die CDU offensichtlich nicht ihren eingespielten Vorstellungen, wonach alle Schulprobleme nur schulartenabhängig gelöst werden können. Der SSW lehnt dieses Dogma weiterhin ab.

Richtig ist aber, dass wir eine Reform der Lehrerbildung brauchen. Diese Diskussion wird bundes-weit geführt. So liegt u.a. ein Bericht der Kultusministerkonferenz vor über „Perspektiven der Leh-rerbildung“ – seit letztem Jahr auch als Buch und damit öffentlich. Die von der Bildungsministerin einberufene Fachkommission „Weiterentwicklung der Lehrerbildung und der Schul- und Unter-richtsfachberatung in Schleswig-Holstein“ hat Anfang März ihre Empfehlungen im Rahmen einer Fachtagung abgegeben. Stellungnahmen und Diskussionsbeiträge sind über den Landesbildungsser-ver abzurufen. Allen Interessierten wird dadurch die Möglichkeit geboten, sich an einer breiten öf-fentlichen und fachöffentlichen Debatte über die Zukunft der Lehrerbildung zu beteiligen. Das be-grüßen wir ausdrücklich. Im Spätherbst werden – laut Ankündigung der Ministerpräsidentin – die ersten Beschlüsse vonseiten der Landesregierung getroffen, wobei es hoffentlich nicht in erster Li-nie um Kostensenkung gehen wird. Eine Reform der Lehrerbildung, die nicht Qualitätsverbesserun-gen zum Ziel hat, ist schon gescheitert, ehe sie begonnen ist.
Die CDU nennt insgesamt vier Punkt, die er bei einer Reform der Lehrerbildung sichergestellt wis-sen will: Schulartenbezug, Referendariat in voller Länge und fachwissenschaftliche Kenntnisse als Voraussetzung für eine Lehrertätigkeit. Weiterhin fordert er u.a. die Einführung von Weiterbil-dungsgutscheinen und einen deutlich verstärkten Praxisbezug in der Ausbildung.

Wie der SSW zu dem sogenannten „Schulartenbezug“ der künftigen Lehrerausbildung steht, habe ich bereits erwähnt. Im Einzelnen heißt das, dass wir die Empfehlungen der Universität Flensburg unterstützen, die sich für eine Zusammenfassung auf zwei Lehrämter ausspricht: ein Lehramt mit Grundschulschwerpunkt (Klasse 1-10) und ein Lehramt mit Sekundarstufenschwerpunkt (Klasse 5-13).
Alle ausgebildeten Lehrer und Lehrerinnen sind damit in der Lage, in der Sekundarstufe I zu unter-richten, heißt es in der Begründung – und weiter: “Dies erleichtert die bedarfsgerechte Ausbildung und den späteren bedarfsgerechten Berufseinsatz. Engpässe und Überangebote werden weitgehend vermieden. Damit wäre erstmals in der Bundesrepublik auch eine gesamtschulgerechte Ausbildung gewährleistet. Auch für eine Weiterentwicklung des derzeitigen Schulsystems (z.B. sechs Grund-schuljahre) wäre dieses Lehrämtermodell offen“. Aus der Sicht des SSW ist dieser Ansatz richtig und notwendig.

Alle Berichte und Stellungnahmen zur Weiterentwicklung der Lehrerausbildung befassen sich mit dem Verhältnis von Theorie und Praxis. Und ich denke, wir sind uns alle einig, dass die Verzah-nung von Theorie und Praxis in der Lehrerbildung zu wünschen lässt. Deshalb sollte eine deutliche Verbesserung bei der wechselseitigen Koordination und Abstimmung in der Planung, Durchführung und Evaluation der theoretischen und praktischen Teile des Studiums oberste Priorität haben.

Ob man allerdings zur verbesserten Verzahnung von Theorie und Praxis, so es wie die CDU fordert, das Referendariat in voller Länge erhalten muss, glaube ich nicht. Mir kommt es darauf an, mög-lichst alle Faktoren der Lehrerbildung auf ihre Effektivität hin zu prüfen. Effektivität in dem Sinne: erreichen die eingesetzten Mittel wirklich das Ziel einer qualitativen Bildungsvermittlung oder nicht?
Über diese Frage dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass es in der Bundesrepublik sehr unter-schiedliche Formen der Lehrerausbildung gibt. Noch größer ist die Vielfalt, wenn man die anderen Länder der EU betrachtet. Es wäre aus unserer Sicht daher unrealistisch – und auch nicht unbedingt wünschenswert – hier eine Vereinheitlichung anzustreben. Was aber verstärkt gewährleistet sein sollte, ist die Kompatibilität. Studienwechsel und Einstellungen sollten also zwischen den Bundes-ländern ebenso wie zwischen den verschiedenen europäischen Ländern möglich sein. - Das wäre gleichzeitig ein Beitrag dazu, die Attraktivität des Lehrerberufs zu stärken.

Dazu gehört auch die Einrichtung von „Zentren für Lehrerbildung und Unterrichtsforschung“ an den Universitäten. In diesem Zusammenhang möchte ich anmerken, dass das einseitige Hervorhe-ben der fachwissenschaftlichen Kenntnisse als „tragende Voraussetzung“ doch wohl etwas zu kurz gegriffen ist. Zu Recht wird in unterschiedlichen Stellungnahmen darauf hingewiesen, dass neben fachwissenschaftlichem Lernen in Zukunft auch verstärkt interdisziplinäres Lernen erforderlich sein wird. Von Lehrer und Lehrerinnen erwarten wir, dass sie sich den Veränderungen in Gesellschaft und Schule anpassen. Dafür muss ihnen in der Ausbildung das Werkzeug gegeben werden.

Das heißt mit anderen Worten auch, dass wir keine Forderung unterstützen können, die davon aus-geht, dass eine Reform der Lehrerbildung möglich ist, ohne dass es auch zu Veränderungen bei dem Referendariat kommt. Der Grundsatz muss aber auch in diesem Zusammenhang lauten: dass die Senkung von Kosten nicht das vorrangige Ziel sein darf. Das gleiche gilt für den Bereich der Fort- und Weiterbildung.
In Zuge der Schulentwicklung steigt der Bedarf an Fortbildung insgesamt, heißt es im Kommissi-onsbericht - wo weiterhin angeführt wird, dass im Wirtschaftsbereich gegenüber dem Schulbereich das Doppelte bis Dreifache für Fortbildung ausgegeben wird, in High-Tech-Betrieben sogar das zehnfache. Schule hinkt also hinterher.
Soll die Fort- und Weiterbildung neu strukturiert werden, dann müssen wir uns auch mit einer Wei-terentwicklung des IPTS befassen. Dies soll nicht heißen, dass mit dem IPTS keine qualitativ gute Weiterbildungsarbeit geleistet worden ist. Ich meine damit, dass der von der Kommission vorge-schlagene Weg zu mehr Vielfalt richtig ist - was aber nicht bedeuten darf, dass sich das Land aus seiner Verantwortung zurückzieht. - Ich kann mir vorstellen, dass die Bildungsgutscheine eine gute Idee sind, weiß aber nicht, wie sie sich in der Praxis auswirken könnten. Ich plädiere daher dafür, erst einmal Erfahrungen aus anderen Bundesländern einzuholen.

Ich komme zum Schluss: Eltern und Schüler erwarten eine gute Bildung, die von vernünftigen Konzepten getragen wird. In einer Zeit beschleunigten gesellschaftlichen Wandels, der massive Veränderungen von der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler wird von Lehrerinnen und Leh-rern mehr denn je erwartet, dass sie sich anpassen und ihre Kompetenzen immer weiter ausbauen. Fragen der Lehrerbildung rücken damit in die Mitte unserer schul- und bildungspolitischen Überlegungen.

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