Rede · Flemming Meyer · 11.10.2002 Mehr Wettbewerb auf der Schiene

Wir begrüßen sehr, dass die Rahmenbedingungen für den Schienenverkehr verbessert werden sollen. Die Zielrichtung, in die die Maßnahmen gehen sollen, werden von uns ähnlich gesehen. Natürlich sollte das Land partnerschaftlich mit der Bahn zusammenwirken. Ich habe aber manchmal das Gefühl, dass die Deutsche Bahn AG etwas weniger Interesse als alle anderen an einer partnerschaftlichen Weiterentwicklung des Schienenverkehrs hat. Oder anders ausgedrückt: Hier herrscht ein knallharter Wettbewerb und jeder sucht sich seine Vorteile. Und da die Deutsche Bahn AG im Besitz der Schieneninfrastruktur ist, verfügt sie über ein Machtmittel, das sie hervorragend gegen ihre Konkurrenten einsetzen kann.
Um partnerschaftlich mit der Deutschen Bahn AG zusammenarbeiten zu können, ist es daher eine Grundvoraussetzung, dass die Schieneninfrastruktur aus der Deutschen Bahn AG herausgelöst wird. Solange dies nicht geschehen ist, müssen wir leider bei Formulierungen wie „man möge auf die DB einwirken“ oder „die DB wird aufgefordert“ bleiben. Was also den Rückbau von Strecken oder die Verwertung von bahneigenen Grundstücken angeht, stelle ich fest, dass unsere faktischen Möglichkeiten sehr gering sind.

Deswegen begrüße ich sehr, dass die Bundesregierung in dem Antrag aufgefordert wird, die Mittel für Investitionen im Bahnbereich direkt an die Bundesländer zu vergeben. Dies würde nicht nur unsere Position als Bundesland gegenüber der Deutschen Bahn AG stärken, sondern uns auch Möglichkeiten verschaffen, in eigener Verantwortung eigene Prioritäten zu setzen.
Die Landesregierung wird im Antrag dazu aufgefordert, dafür zu sorgen, dass die Kreise und kreisfreien Städte als kommunale Aufgabenträger Parallelverkehre durch Busse vermeiden. Das ist richtig, aber nur die halbe Wahrheit. Selbstverständlich muss dies auch gelten, wenn es um bestehende Busverkehre geht. Auch Schienenverkehre dürfen kein Selbstzweck sein, sondern müssen sich am Bedarf und an der Flexibilität des jeweiligen Verkehrsträgers messen lassen. Auf relativ kurzen Strecken ist der Bus im Vorteil. Auch bei neuen Streckenführungen hat der Bus manchen Vorteil.

Ich möchte hierzu ein Beispiel bringen: Die Buslinie Niebüll-Flensburg ist vor einiger Zeit erfolgreich wieder etabliert worden. Aus dem Bus, der meist an jeder Milchkanne gehalten hat, ist nun eine Schnellbusverbindung geworden, die an die jeweiligen Taktverkehre angeschlossen worden ist. Gleichzeitig besteht die alte langsamere Verbindung zwischen Niebüll und Flensburg weiter fort. Neben der Tatsache, dass die Häufigkeit der Fahrtmöglichkeiten erhöht worden ist, hat man sich darüber hinaus auch neue Gedanken zur Streckenführung gemacht, um auch die in den letzten Jahren stärker besiedelten Wohngebiete mit an diese Schnellbusverbindung anzubinden. Würde man sich nun von Landesseite aus mit dem Gedanken tragen, eine Bahnlinie einzurichten, die zwischen Niebüll und Flensburg fahren sollte, so müsste man auch hier den Kontakt zu den Kreisen und Städten suchen. Die Vermeidung von Parallelverkehren ist also nicht nur eine Einbahnstrasse.
Was die anstehenden Ausschreibungen angeht, ist es richtig, Netze nicht in Einzellosen auszuschreiben und zu verlangen, dass ab Fahrtzeiten von zwei Stunden Zugbegleiter eingesetzt werden. Diese beiden Forderungen treffen aber den Kern der Sache nur am Rande. Am wichtigsten ist, dass auch bei Ausschreibungen im Schienenverkehr die Tariftreue eingehalten wird. Dann würde sich der letzte Absatz im Antrag höchstwahrscheinlich erledigen. Bisher ist es so, dass der Preiswettbewerb hauptsächlich über die Lohn- und Gehaltstarife, die gewährt werden, geführt wird. Hätten wir ein festes Tarifgefüge, an das sich die Bietenden halten müssen, wäre die Qualität der Leistung entscheidend für die Vergabe. Bei einem Auftragsverlust eines derzeit tätigen Unternehmens, könnte dass zukünftige Unternehmen die Mitarbeiter ohne Schwierigkeiten übernehmen, weil es zu den gleichen Tarifbedingungen mitgeboten hat. Es gäbe somit keinen Grund, neues Personal von woanders einzustellen und die Beschäftigten müssten nicht um ihren Arbeitsplatz bangen.
Der zweite wichtige Mosaikstein in bezug auf Ausschreibungen ist, dass man alle Möglichkeiten nutzen muss, ökologische Standards, Standards zur Arbeitssicherheit, Standards zur Qualifikation des Personals und Standards zur Qualität der Leistung festzuschreiben. Nur wer dies in einer Ausschreibung macht, wird auch die entsprechende hohe Qualität der Leistung erhalten.

In unserem gemeinsamen Antrag sind diese beiden wichtigen Grundvoraussetzungen, Tariftreue und Qualität, mit aufgenommen worden. Somit bekennt sich die Mehrheit des Landtages auch im Schienenverkehr für gleiche Wettbewerbsbedingungen, für mehr Qualitätswettbewerb, für Nachhaltigkeit und für Mitarbeiterorientierung. Daher möchte ich mich noch mal ganz herzlich bei meinen beiden Kollegen Poppendiecker und Schröder bedanken, die sich dafür stark gemacht haben, dass die Vorschläge des SSW doch noch im Änderungsantrag eingearbeitet wurden.

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