Rede · Christian Dirschauer · 19.11.2020 Mindestlohn statt Armutslohn

„Dieser Mindestlohn führt im Zweifel in die Erwerbs- und Altersarmut. Für eine armutsfeste Entlohnung und ein Rentenniveau oberhalb der Grundsicherung muss der Mindestlohn deutlicher angehoben werden. Wir fordern daher die Erhöhung auf 13 Euro.“

Christian Dirschauer zu TOP 11 - Einen armutsfesten Mindestlohn schaffen (Drs. 19/2387)

Schon im April 2018 hat das Bundesarbeitsministerium in einer Antwort auf die Frage der Linken Abgeordneten Susanne Ferschl bestätigt, dass der gesetzliche Mindestlohn nicht existenzsichernd ist. Um im Alter eine Rente oberhalb der Grundsicherung zu bekommen, wäre eine massive Erhöhung notwendig: Laut Berechnung der Bundesregierung von den damals geltenden 8,84 Euro auf 12,63 Euro. Es mag vielleicht etwas drastisch formuliert gewesen sein, als die Fragestellerin daraufhin von einem Armutslohn sprach, der Menschen zu Sozialfällen macht. Aber vom Grundsatz her hat sie damit aus Sicht des SSW leider recht. 

Über die exakte Höhe einer allgemein verbindlichen Regelung kann man streiten. Aber klar ist, dass der geltende gesetzliche Mindestlohn in seiner jetzigen Form nicht alle hiermit verbundenen Ziele erreicht. Er ist zum Beispiel nicht dazu geeignet, zu einem angemessenen Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beizutragen. In letzter Konsequenz schützt er nämlich nicht vor Erwerbs- und Altersarmut. Wir fordern, dass dieser Schutz vor Armut explizit in die Gesamtabwägung zur Erhöhung des Mindestlohns aufgenommen wird. Unser Ziel ist eine wirklich armutsfeste Lösung, die ein Arbeits- und Rentenleben in Würde ermöglicht. Außerdem muss sichergestellt sein, dass diese Regelung auch dauerhaft Armut verhindert. Was nichts anderes bedeutet, als dass sie an die allgemeine Tarifentwicklung gekoppelt werden muss. 

Ich bin erleichtert, dass wir nicht noch mal ganz von vorne anfangen und über die Sinnhaftigkeit des Instruments Mindestlohn streiten müssen. Im Vorfeld der Einführung hatten Arbeitgeberverbände oder Forschungsinstitute ja die schlimmsten Befürchtungen für die wirtschaftliche Entwicklung. Wir wissen längst, dass es nicht so gekommen ist. Im Gegenteil, der Mindestlohn wirkt und er wirkt sich positiv aus. Seit der Einführung im Jahr 2015 haben über vier Millionen Beschäftigte unmittelbar von ihm profitiert. Und laut Mindestlohnkommission ist in diesem Zeitraum nicht nur die Gesamtzahl der Beschäftigten gestiegen, sondern auch das Stundenlohn-Niveau.
Hinzu kommt der Effekt, dass der Mindestlohn sogar Löhne oberhalb dieser Grenze beeinflusst. Soll heißen: Viele Unternehmen heben generell ihre Löhne an, um keinen Wettbewerbsnachteil gegenüber Konkurrenten zu haben. Aber auch die Wirtschaft profitiert vom Mindestlohn. Denn dadurch erhöht sich die Kaufkraft. Der DGB hat mehrfach darauf hingewiesen, dass ein Cent mehr Mindestlohn einen Kaufkraftgewinn von 20 Millionen Euro im Jahr auslöst. Angesichts dieser Fakten steht für uns vom SSW fest: Die Maßnahme, einen Mindestlohn einzuführen war gut und richtig. Aber diese Maßnahme war eben noch nicht weitreichend genug. 

Mir ist bewusst, dass der Mindestlohn über die kommenden 2 Jahre schrittweise auf 10,45 Euro erhöht werden soll. Gleichzeitig ist aber schon jetzt klar, dass auch dieser Stundenlohn Beschäftigte nicht effektiv vor Armut schützt. Das hat das Bundesarbeitsministerium ja wie erwähnt schon vor über 2 Jahren eindeutig bestätigt. Für eine armutsfeste Entlohnung und ein Rentenniveau oberhalb der Grundsicherung muss der Mindestlohn deutlicher angehoben werden. Wir fordern daher die Erhöhung auf 13 Euro. Und zwar nicht erst in 1-2 Jahren sondern schnellstmöglich und an der Tarifentwicklung orientiert. 

Neben dem Schutz vor Armut muss ein Mindestlohn aber auch dem Grundsatz folgten, dass für die gleiche Arbeit der gleiche Lohn gezahlt wird. Genau dies ist mit den geltenden Ausnahmeregelungen für Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren und für Langzeitarbeitslose aber nicht gegeben. Deshalb brauchen wir auch hier eine Änderung. Diese Ausnahmen müssen konsequenterweise gestrichen werden. Ich halte also fest: Mit einer entsprechenden Bundesratsinitiative zur Änderung des Mindestlohngesetzes könnten wir dieses Regelwerk deutlich verbessern und fairer machen. Ich bitte daher um Unterstützung für unseren Antrag.
 

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