Rede · Flemming Meyer · 10.10.2007 Online-Durchsuchungen


Die öffentliche Debatte um Online-Durchsuchungen läuft nicht nur auf Bundesebene, schon längst hat sie auch die Länderebene erreicht. Von daher ist es mehr als folgerichtig, dass die Landesregierung in einem Bericht dem Landtag darlegt, wie sie sich in diese Diskussion einbringen wird. – Zumal sich das Bundesverfassungsgericht ganz aktuell mit dem  neuen Verfassungsschutzgesetz von Nordrhein-Westfalen befasst, das genau solche Online-Durchsuchungen vorsieht.

Die nordrheinwestfälische Verfassungsschutzbehörde möchte baldmöglichst heimlich auf informationstechnische Systeme mittels technischer Mittel zugreifen können. Das kann der einmalige Zugriff auf die Festplatte eines Verdächtigen sein, aber auch die kontinuierliche Überwachung der gespeicherten Daten, bei der jede Änderung des Datenbestands mitgeschnitten wird. Kontobewegungen gehören genauso zu den Überwachungsinhalten wie die Inhalte von E-Mails und Telefongesprächen, die beispielsweise mit „Skype“ von Computer zu Computer geführt werden – ohne Unterschied nach privatem oder verbrecherischem Inhalt.

Würden Online-Durchsuchungen Realität, wäre das gleichbedeutend mit der Aufgabe dessen, wofür sich unsere demokratische Gesellschaft einsetzt. Das sind: die Unverletzlichkeit der Wohnung, in denen private Computer aufbewahrt werden, ebenso wie das Fernmeldegeheimnis und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Der SSW lehnt diese Eingriffe in die Bürgerrechte ab und hofft, dass die Verfassungsrichter dementsprechend entscheiden werden.

Fest steht nach Meinung des SSW, dass die derzeitige Diskussion um eine effektive Terror-Abwehr immer bizarrere Formen annimmt. Es wird Zeit, dass wir die Debatte entschleunigen und uns vom Überbietungswettkampf verabschieden. Innenminister Stegner hat im September meines Erachtens zu Recht die Fragen der Erforderlichkeit, der Umsetzbarkeit und Verfassungsmäßigkeit der Online-Durchsuchungen in Abrede gestellt.

Markus Hansen vom Landeszentrum für Datenschutz stellte darüber hinaus in der Richterzeitung die Frage, was man mit den Daten überhaupt anfangen könne, schließlich ließe sich nur bei einer Beschlagnahme des Rechners die Echtheit der Daten zweifelsfrei belegen. Das Zielsystem könne aber weder von den Ermittlern noch von dem Nutzer vollständig kontrolliert werden, so dass der Manipulation Tür und Tor geöffnet seien. Wer weiß schon, was tatsächlich auf der Festplatte war.  Das ist der Alptraum eines jeden Bürgerrechtlers: da werden Daten unter Verletzung der Bürgerrechte gehortet und dann können diese nicht einmal gerichtsfest verwandt werden. 

In Berlin, aber auch in Düsseldorf, wo das entsprechende Verfassungsschutzgesetz übrigens unter Beteiligung des liberalen Koalitionspartners zustande gekommen ist, scheint man der herkömmlichen Polizeiarbeit nicht mehr zu trauen. Dabei war genau sie es, die in der Vergangenheit zum Zuge kam, wenn es um die Aufdeckung oder Verhinderung terroristischer Anschläge ging. Es macht mich einfach misstrauisch, wenn BKA und Bundesinnenministerium unisono behaupten, dass offene Durchsuchungs- und Beschlagnahmeaktionen schlechter sind als Online-Durchsuchungen. Die CSU behauptet sogar, dass man ausschließlich mittels der Online-Durchsuchung die Kommunikation terroristischer Strukturen aufdecken könne. Dabei zeigen doch aktuelle Fälle, dass im al-kaida-Netzwerk ausgesprochen lose Fäden gesponnen werden und diese dann auch meistens im persönlichen Gespräch. Darüber hinaus läuft die  Kommunikation weit überwiegend via Internet-Café. Das alles sind Fakten, die bei der zukünftigen Entscheidung zur Umsetzung von Online-Durchsuchungen berücksichtigt werden müssen.  – Oder anders formuliert: Erfahrene Ermittler, die Zusammenhänge aufdecken und Verdächtige beschatten, sind vielleicht altmodisch, aber durchaus effektiv.

Tatsächlich zeigt die Praxis, dass es weniger um reale Terrorabwehr geht, sondern einfach darum, das technisch Mögliche auch technisch zu nutzen. Wir Abgeordnete sollten uns aber nicht vom Machbarkeitswahn der Techniker überwältigen lassen. Der SSW hat bereits an anderer Stelle eindrücklich vor der Erosion der Bürgerrechte im Namen des Anti-Terrorkampfes gewarnt.

Wir plädieren dafür, anstelle auf fragwürdige neue Methoden zu setzen, die bestehenden Instrumente besser zu nutzen.  - Zumal es bisher keine  eigentliche Evaluation der existierenden Sicherheitsgesetze gegeben hat. Es wird immer nur draufgesattelt, von Entrümpelung ist dabei nie die Rede gewesen – und auch das ist nicht hinnehmbar.

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