Rede · Flemming Meyer · 28.09.2000 Ostseekooperation

Die diesjährige Ostseeparlamentarierkonferenz in Malmö vom 4.-5.September stand unter dem Motto Bridges - towards the Future". Und wie kann es anders sein: Die Öresundbrücke versinnbildlichte mehr als alles andere diese neue Ära des Brückenbauens im Ostseeraum.
In seinem Bericht über die Arbeit des Standing Committees" im vergangenen Jahr hob der Vorsitzende Svend Erik Hovmand hervor, wie wichtig es für die Ostseezusammenarbeit sei, dass sich sowohl die nationalen Regierungen als auch die Parlamente mit dem Schlussdokument der Ostseeparlamentarierkonferenz auseinandersetzen. Weiterhin komme es darauf an, dass sich eine Linie in der Zusammenarbeit abzeichnet. Das heißt auf der einen Seite, es muss ein Zusammenhang bestehen zwischen dem, was von den Regierungen in Gang gesetzt wird - ob nun durch den Ostseerat, durch den Nordischen Ministerrat, die EU oder durch bilaterale Absprachen - und der Prioritätensetzung in der Ostseekooperation der Parlamentarier. Auf der anderen Seite setzt so eine Politik gegenseitiges Vertrauen, Offenheit und Informationen voraus. Und sie verpflichtet die Parlamentarier dazu, von einer realistischen und umsetzbaren Politik auszugehen.
Damit sprach Svend Erik Hovmann an, was auch in Malmö als Thema anklang, ohne dass es konkret zur Sprache gebracht wurde: Ist es möglich, die Ostseeparlamentarierkonferenz zu reformieren und zu straffen in Richtung parlamentarische Versammlung - ohne dass das offene und vertrauensvolle Klima einer Konferenz darunter leidet? Ich denke, diese Frage ist es Wert, ausführlicher im Europaausschuss debattiert zu werden.
Erstmalig befassten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der diesjährigen Konferenz mit konkreten Fragestellungen der Ostseekooperation, nämlich die Themen Transeuropäische Netzwerke und grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Kritisch betrachtet, ließ diese Arbeit noch einiges zu wünschen übrig. Ich bin sicher, dass sich das Standing Comitee damit befassen wird. Dennoch wurde dadurch unterstrichen, dass die Parlamentarierkonferenz gewillt ist, mehr als nur Konferenz zu sein - dass es darauf ankommt, Regierungshandeln - sprich die Tätigkeit des Ostseerates - parlamentarisch zu begleiten und aktiv mitzugestalten.
Ende Juni übernahm die Bundesrepublik erstmals den Vorsitz im Ostseerat. Zu Recht knüpften sich daran eine ganze Reihe von Erwartungen, die auch darin zum Ausdruck kamen, dass in einer Bundestagsdebatte - unmittelbar vor Übernahme des Vorsitzes - über die Chancen der Ostseekooperation deutlich gemacht wurde, dass es ein Ziel der deutschen Präsidentschaft sein muss, die Entwicklungspotenziale der Ostseeregion verstärkt zur Entfaltung zu bringen. Um so bedenklicher stimmte es, dass sich der Bundesaußenminister bei der Eröffnung der Parlamentarierkonferenz entschuldigen ließ. Enttäuschend war aus meiner Sicht auch, dass sich sein Vertreter, Staatsminister Zöpel, in seiner Darlegung des Programms für die deutsche Präsidentschaft nur recht unverbindlich äußerte.
Der Eindruck bleibt also, dass man in Deutschland immer noch die politische und wirtschaftliche Bedeutung der Ostseeregion unterschätzt, dass sie politisch betrachtet immer noch eher als Anhängsel der Brüsseler EU-Politik verstanden wird. Ostseezusammenarbeit ist aber mehr, das merkt man spätestens auf der Ostseeparlamentarierkonferenz, wo gerade auch persönliche Beziehungen deutlich werden.
Zu den herausragenden politischen Themen in der Ostseekooperation gehört weiterhin die Umsetzung der von Finland formulierten Vision von der Nördlichen Dimension" in der EU - und damit zusammenhängend auch der Prozess der EU-Erweiterung. Dazu liegt uns heute auch ein Bericht der Landesregierung vor.
Die Erweiterung der Europäischen Union nach Osteuropa ist eine historisch einzigartige Chance auf friedlichem und demokratischem Weg ein vereinigtes Europa und damit einen Raum des Wohlstandes, der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu schaffen". Daran ist viel Wahres, wobei es aber entscheidend darauf ankommt, wie man diese Erweiterung anpackt und umsetzt.
Der Bericht zeigt eine ganze Reihe von technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen auf, die von den Beitrittskandidaten im Prozess der Erweiterung erfüllt werden müssen. Die Auflistung belegt eindrucksvoll, wie schwierig dies alles noch werden kann. Er belegt aber auch, das die EU-Erweiterung eine Chance ist.
Vor dem Hintergrund der heute stattfindenden Volksabstimmung in Dänemark, möchte ich aber hervorheben, dass mehr noch als die Beseitigung aller technischen und wirtschaftlichen Barrieren die Akzeptanz der Bevölkerung wichtig ist. Und hier gibt es leider immer noch große Defizite in der Europäischen Union. Wie die dänische Volksabstimmung ausgehen wird, ist völlig offen. Dabei ist aus Sicht des SSW die große Skepsis der Dänen nicht einseitig auf engstirnigen Nationalismus zurückzuführen, sondern vor allem als eine Kritik an den Brüsseler Zentralismus zu werten.
Mit ihrer Skepsis gegen die Entwicklung in der EU stehen die Dänen in Europa keineswegs allein. In vielen europäischen Nachbarländern ist es ein Problem, dass die Bevölkerungen bei den wirklich wichtigen EU-Fragen nicht gehört werden.
Die Eliten in Europa müssen aufpassen, dass sie die Bevölkerung bei der Weiterentwicklung Europas miteinbeziehen. Geschieht dies in Zukunft nicht verstärkt, wirkt es sich letztendlich negativ auf die Möglichkeiten der europäischen Zusammenarbeit aus. Ich bin immer noch der Meinung, dass eine echte europäische Friedensordnung nur von unten wachsen kann.
Eine öffentliche Debatte über EU-Themen unter Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger findet in der Bundesrepublik fast nicht statt. Dies gilt insbesondere auch für die wichtige Diskussion über die Osterweiterung. Daher begrüßt der SSW, dass die Landesregierung eine öffentliche Debatte in Gange setzen will, die die Erweiterung realistisch darstellt und Chancen und Probleme gegeneinander abwägt. Dies ist dringend notwendig.
Das Thema der Osterweiterung ist aber - vor dem Hintergrund der bisherigen Entwicklung - für eine Volksabstimmung nicht geeignet. Herr Verheugen hat sicherlich den falschen Zusammenhang erwischt, wenn er über ein Referendum zum Betritt neuer Länder spricht. Man kann das Versäumte nicht bei einem solchen Thema wieder gut machen.
Wichtig für das Gelingen der Osterweiterung ist auch die positive Einbeziehung Russlands in diesen Prozess. Die Russische Föderation darf nicht das Gefühl bekommen, dass neue Mauern errichtet werden sollen. Und gerade dies war ja auch einer der Hauptthemen der Ostseepalamentarierkonferenz - nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt Kaliningrad" betrachtet. Zu denken gab in Malmö, dass kein Vertreter Kaliningrads die Erlaubnis erhalten hatte an der Konferenz teilzunehmen. Da Schleswig-Holstein zu den engagiertesten Unterstützern Kaliningrads gehört, werde ich dieses Thema hier nicht weiter vertiefen.
Ich freue mich darüber, dass der von Schleswig-Holstein initiierte Vorschlag, eine Ostsee-Sommerakademie zu etablieren, in die von der Ostseepalamentarierkonferenz verabschiedeten Resolution aufgenommen wurde. Denn auch durch so eine Initiative wird das gefördert, was unser Ziel sein muss: Die Entstehung einer Bürgergesellschaft im ganzen Ostseeraum - und damit auch Kaliningrad. Im nächsten Jahr findet die Ostseepalamentarierkonferenz in der alten Hansestadt Greiswald statt, und dort wird es auch um das Thema Bürgergesellschaft und Ostseeraum gehen.

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