Rede · Sybilla Nitsch · 20.09.2023 Planungssicherheit für unsere Gastronomie

„Die Gastronomie ist in Schleswig-Holstein nicht einfach eine Branche von vielen. Eine Insolvenz- und Schließungswelle in dieser Branche wäre gerade hier eine echte Katastrophe. Diese wollen wir mit unserem Antrag abwenden – die 7%-Mehrwertsteuer-Sonderregelung auf Speisen muss verlängert werden!“

Sybilla Nitsch zu TOP 18+34 - Bundesratsinitiative für die Beibehaltung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für die Gastronomie unterstützen; Die Gastronomie braucht Unterstützung – der Bund ist gefordert! (Drs. 20/1216(neu) 2. Fassung; 20/1376)

Die Gastro-Szene bietet zurzeit ein recht paradoxes Bild: Einerseits boomt das Geschäft, viele Restaurants fahren nach Corona wieder Umsatzhöchstwerte ein. Andererseits liegt der Umsatz im Durchschnitt aber knapp ein Viertel unter Vorkrisenniveau.  Dann wiederum müssen viele Betriebe ihre Öffnungszeiten verkürzen, u.a. weil das Personal fehlt – ganz zu schweigen von den Teuerungen in allen Bereichen. Und ganz viele Betriebe schauen bange Richtung Jahresende, weil noch immer keine Entscheidung darüber gefallen ist, ob die Regelung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf Speisen noch einmal verlängert wird oder ob ab 2024 wieder der reguläre Satz von 19 Prozent gelten wird. Sollte dies so kommen, dann werden sich sehr viele Betriebe wohl zweimal überlegen, ob sie tatsächlich weitermachen. Nicht, weil sie nicht wollten – sondern weil sie dann nicht mehr könnten.
Allein in Schleswig-Holstein umfasst die Branche ca. 5.200 Betriebe mit mehr als 80.000 Beschäftigten und es ist wohl klar, dass eine größere Insolvenz- und Schließungswelle gerade hier eine echte Katastrophe wäre. Diese wollen wir mit unserem Antrag abwenden! Schleswig-Holstein soll sich der entsprechenden Bundesratsinitiative des Landes Mecklenburg-Vorpommern anschließen und eine Verlängerung der Mehrwertsteuer-Sonderregelung fordern! 

Gerade die Gastro-Szene wurde zuletzt von mehreren Krisen gleichzeitig hart getroffen: Corona mit langen Schließphasen, steigende Energie- und Lebensmittelpreise, Inflation, der Personalmangel und steigende Lohnkosten. Mit den staatlichen Nothilfeprogrammen, aber vor allem mit sehr viel Arbeit, Ausdauer, eigenen Rücklagen und Herzblut haben hier bei uns die meisten Betriebe bislang durchgehalten. Doch seit Monaten verdunkeln sich nun die Zukunftsaussichten für die deutsche Wirtschaft, insbesondere eben auch für kleinere Gastro-Betriebe. Und in dieser Situation soll nun die Mehrwertsteuer auf Speisen wieder von 7 auf 19 Prozent steigen? Wir sehen dies als einen falschen Schritt an.

Aus der Bundespolitik heißt es, man könne sich die Verlängerung dieser Maßnahme angesichts der angespannten Haushaltslage nicht leisten. Die Bundesregierung rechnet offenbar damit, mit der Anhebung auf den Regelsteuersatz Steuerfehleinnahmen in Milliardenhöhe ausgleichen zu können.
Allerdings steht dahinter ja die Annahme, dass die Kundenzahlen und die Umsätze auf dem aktuellen Niveau bleiben. Aber wie realistisch ist es, dass die Menschen alle oder wenigstens zum Großteil bereit sind, wieder mindestens 12 Prozent Aufschlag für ihr auswärtiges Essen zu zahlen? Realistischer ist doch eher, dass die Menschen weniger auswärts und wenn, dann nur im günstigeren Preissegment essen gehen werden. Denn nicht nur die Wirtschaft, auch die Menschen als Privatpersonen ächzen ja unter den gestiegenen Preisen und Kosten für praktisch alles. Diese Stellschraube der Mehrwertsteuer wird in der Folge also eine Kettenreaktion auslösen, die letztendlich dazu führen könnte, dass viele Gastronomiebetriebe aufgeben. Eines muss uns klar sein: Geschlossene Betriebe zahlen gar keine Umsatzsteuer mehr. 

Wir fordern daher sowohl die Bundesregierung als auch die Landesregierung auf, sich hinter unsere Gastronomiebetriebe zu stellen und die Mehrwertsteuer-Sonderregelung auf Speisen abermals zu verlängern. Die Alternative wäre, dass wohl nicht wenige Betriebe die Reißleine ziehen werden. Und mit diesen würden wir dann nicht nur viele Arbeitsplätze und gute Umsatzsteuerzahler verlieren, sondern vor allem wertvolle Aushängeschilder unseres Tourismuslandes und unverzichtbare soziale Treffpunkte, gerade im ländlichen Raum, wo die Menschen zusammenkommen und kulinarisch-gesellige Stunden verbringen. Darauf wollen wir es nicht ankommen lassen!

Und wenn wir schon mal bei dieser Diskussion sind: Eigentlich bräuchte es eine grundsätzliche Reform des Gesamtsystems „Umsatzsteuer“, um diesen ganzen bürokratischen Verbuchungsirrsinn aus verschiedenen Steuersätzen endlich einmal zu sortieren und zu vereinfachen. Darauf weist im Übrigen auch der Bundesrechnungshof hin. Also auch hier muss der Bund nun beizeiten mal ran.

Über unseren Antrag würden wir die Bundesregierung also nun in die Pflicht nehmen wollen, ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren anzustoßen. Und das konkrete Vorgehen findet sich eben in der Bundesratsinitiative von Mecklenburg-Vorpommern. In puncto Kompensation muss dann natürlich eine für Bund und Länder tragfähige Lösung gefunden werden. Der Alternativantrag von Schwarz-Grün ist an dieser Stelle mal wieder nur ein Alternativantrag um eines Alternativantrages willen, der Verantwortung an eine andere Ebene abschieben will.
Ich hoffe daher, dass wir hier und heute ein klares Bekenntnis hören werden, wie sich die Landesregierung im Bundesrat bei der Abstimmung dann Ende September verhalten wird. 
Sollten Sie als Landesregierung eine Enthaltung oder eine Ablehnung erwägen, dann ist das ein schwaches Signal und der Alternativantrag der Koalition hat lediglich Symbolcharakter. Vom Bund erwarten wir zeitnah konkrete Ansagen und feste Regelungen, damit die betroffenen Betriebe endlich auch bald Planungssicherheit über das Jahresende hinaus haben.

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