Rede · Flemming Meyer · 11.07.2001 Situation der Inneren Sicherheit und Lage der Polizei

Die uns vorliegende Antwort der Landesregierung zur großen Anfrage der FDP ist sehr umfangreich und aussagekräftig. Sie ist in ihrer Fülle, vom Umfang und Inhalt nicht vergleichbar mit dem letzten entsprechenden Bericht des Jahres 1997. Die Regierung zeigt offen die Problemfelder auf, sie weist selbst darauf hin, wo zur Zeit noch Bedarf ist und welchen Stellenwert der Arbeit der Polizei zukommt. Dies ist im wesentlichen die ganz herausragende Leistung, für die auch der SSW allen Beteiligten danken möchte. Die Antwort der Landesregierung läutet damit hoffentlich eine Tradition einer gründlichen Information für diesen Bereich ein, die mit den neuen Sicherheitsberichten fortgesetzt wird.

Die Details des Berichts und insbesondere die Bedeutung für die Politik im Bereich der Polizei werden wir im Ausschuss Erörtern und diskutieren müssen. Ich möchte nur einige Punkte herauspicken, die mir besonders aufgefallen sind.

Erschreckend ist, wie auch die Landesregierung feststellt, die Zunahme der Gewaltkriminalität. Die vorgelegten Tabellen zeigen ein Bild auf, welches um so schrecklicher wird, wenn man sich die Opferzahlen ansieht. Im Bereich der Opfer im Kindes- und Jugendalter bis zu 18 Jahren haben die Delikte im Zehnjahresraum um ca. 213 % zugenommen. Erfreulich dabei ist, dass zwar die Aufklärungsquote sehr hoch ist. Aber dies ist sicherlich darauf zurück zu führen, dass es um den sogenannten „Trendartikel, Markenklau“ geht und die Täter und Täterinnen häufig aus dem Umfeld der Opfer stammen. Für die Kinder und Jugendlichen bedeutet dieses jedoch, dass sie sich nicht einmal mehr im „Nahbereich“ sicher fühlen können. Gerade weil sich aus der gemeldeten Zahl schon Steigerung gibt, steht zu befürchten, dass es hier auch eine hohe Dunkelziffer gibt, weil die Täter und Täterinnen häufig den Opfern bekannt sind. Man muss sich vorstellen, dass man dem Täter möglicherweise jeden Tag zum Beispiel in der Schule wiederbegegnet. Es fördert sicherlich nicht die Anzeigebereitschaft bei Kindern, dass sie tagtäglich dem Druck der Täter ausgeliefert sind. Hier ist richtigerweise ein Schwerpunkt der polizeilichen Arbeit. Hier muss insbesondere auch den Opfern geholfen werden, da diese Erlebnisse häufig den weiteren Lebensweg mitprägen.

Die Daten und Ausführungen der Landesregierung zum Bereich der Rauschgiftkriminalität zeigt wieder einmal auf, dass es so nicht weiter gehen kann. Hier ist die innere Sicherheit in einer Sackgasse gelandet. Die entsprechende Kriminalität hat sich innerhalb der letzten 10 Jahre zahlenmäßig verdoppelt, allein von 1999 auf 2000 war ein Anstieg von über 10 % zu verzeichnen. Die Zahl der Erstkonsumentinnen und -konsumenten ist auch weiter gestiegen, wobei die Zahl der polizeilich bekannten harten Drogenerstkonsumenten weitgehend gleich geblieben ist, während Amphetamin- und insbesondere Ecstasy-Erstkonsu­menten mehr als eine Verdoppelung erfahren haben. Der Handel und Schmuggel von Betäubungsmitteln hat sich ebenfalls in den letzten 10 Jahren mehr als verdoppelt. Ich werte diese Zahlen als einen Beleg dafür, dass der gemeinsame Antrag des Landtages „ Neue Wege in der Drogenpolitik“ notwendig war und wir dringend unsere Suche nach Auswegen aus dieser Sackgasse fortsetzen müssen. Deshalb begrüßen wir die Planungen für eine umfangreiche Anhörung des Landtages. Und wir warten vor allem auch gespannt darauf, wie die Landesregierung den Auftrag des Landtages umsetzt, sich im Bundesrat für eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes einzusetzen.

Die Steigerung im Bereich der Jugendkriminalität ist ebenfalls besorgniserregend. Da hier zwar konsequentes Reagieren erforderlich ist, aber wir nur begrenzt an den vorbeugenden Erfolg von strafrechtlicher Härte glauben, liegt hier vor allem ein großes Aufgabenfeld für den Bereich der Prävention. Der Ausbau der örtlichen kriminalpräventiven Arbeit wird ja auch mehrfach als wesentliches Ziel der Landesregierung angegeben, und das können wir nur begrüßen. Allerdings ist nicht zu übersehen, dass gerade auch dieser Bereich von den anstehenden Haushaltsberatungen überschattet wird. Es ist aber besser Straftaten und Gefahren zu verhüten, als diese mit zweifelhaftem Ergebnis zu verfolgen. Aus diesem Grunde sollte die Landesregierung hier nicht sparen. Die laufenden Diskussionen über Einsparungsziele in diesem Bereich tragen jedenfalls nicht zur Stärkung des subjektive Sicherheitsgefühls der Bürgerinnen und Bürger bei.

Ein wesentliches Feld für die Politik im Bereich Innere Sicherheit und Polizei wird in Zukunft zunehmend das Feld der internationalen Zusammenarbeit ausmachen. Das Zusammenrücken der Ostseeanrainer wird auch zur Folge haben, das die Sicherheitsprobleme die uns durch die organisierte Kriminalität aus dem Osten erwachsen, offensiv angegangen werden müssen. Deshalb begrüßen wir, dem Ausbau und das Festhalten an der Sicherheitspartnerschaft im Ostseeraum. Außerdem kommt natürlich auch im Rahmen des Schengener Abkommens – insbesondere angesichts des Beitritts Dänemarks – ein größeres Aufgabenfeld im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit auf die Landespolizei Schleswig-Holsteins zu. Schleswig-Holstein stellt ein Nadelöhr dar für den skandinavischen Markt. Deshalb wird der Transit krimineller Waren und Dienstleistungen leider immer mehr eine herausgehobene Stellung bekommen.

Vor diesem Hintergrund ist es verwunderlich, dass die Polizei im Lande bisher keine eigene „Sprachpolitik“ betrieben wird. Bisher ist nicht einmal bekannt, wer über eine oder mehre zusätzliche Sprachkompetenzen verfügt. Angesichts der Tatsache, dass die verstärkte Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg deutliche Erfolge zeitigen kann, ist es nicht zu verstehen, dass man anscheinend nicht die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beim Einsatz nach diesen Qualifikationen befragt und diese berücksichtigt. Es ließe sich sicherlich ohne viel Ressourcenaufwand eine erhebliche Qualitätssteigerung der grenzüberschreitenden Polizeizusammenarbeit erreichen, wenn Beispielweise für die Kooperation mit skandinavischen Polizeien Beamtinnen und Beamte mit entsprechender Sprachkompetenz eingesetzt würden. Auch für die tägliche Arbeit ist türkisch, russisch oder eine skandinavische Sprache von Vorteil. Aber immerhin hat man im Grenzgebiet nach 70 Jahren erkannt, dass Dänischkenntnisse hilfreich sein können.

Im Bereich des Personals sei nochmals darauf hingewiesen, dass sämtliche Sonderkommissionen und auch ad-hoc Kommissionen nicht aus zusätzlichen Mitarbeitern zusammengestellt werden, sondern immer aus dem eigenen „Bestand“ kommen. Das heißt, dass bei Gründungen einer Sonderkommission bestehende Aufgaben ihrer Mitglieder durch andere Kollegen erledigt werden müssen oder neben der Arbeit in der Sonderkommission geleistet werden. Aus diesem Grunde ist es bedauerlich, dass die Mehrarbeitsstunden nicht klar erkennbar sind. Es wird nur daraufhingewiesen, dass im Rahmen der Personalführung sogenannte Arbeitsengpässe möglichst kompensiert werden. Dies wird in der Zukunft wohl kaum noch möglich sein.

Im Rahmen der Budgetierung bei der Polizei ist mir nicht nachvollziehbar, wieso die Auslagenerstattung im Zusammenhang mit Zeugen- und Dolmetscherentschädigungen, Blutalkoholkontrollen und Gewahrsamsnahmen bei Strafverfahren in den Justizhaushalt fließen, obwohl die Auslagen über den Polizeihaushalt liefen. Die Kommunen erstatten dagegen bei Ordnungswidrigkeiten in den Polizeihaushalt. Da die Polizei einer Budgetierung untersteht, besteht so die Gefahr, dass zu sehr auf die Kosten geschaut wird. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass laut Kabinettsbeschluss Tariferhöhungen aus dem Polizeihaushalt zu erwirtschaften sind, kann dieses dazu führen, dass erforderliche Maßnahmen nicht durchgeführt werden.

Die geplante Aussetzung der Altersteilzeit für Beamte können wir nicht nachvollziehen. Vor dem Hintergrund, dass diese nicht einmal seit einem Jahr gilt, ist es nicht zu verstehen, dass sie mit sofortiger Wirkung ausgesetzt wird. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, haben jetzt gerade entsprechende Überlegungen angestellt und müssen nun wieder umdenken. Gerade in diesen schwierigen Zeiten, in denen die Polizei solidarisch mit anderen Politikbereichen für die schwierige Situation des Landeshaushalts einstehen müssen, muss man den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zumindest so viel Planungssicherheit wie möglich geben. Im Moment erscheint es aber eher so, als könnten sie sich auf nichts mehr verlassen.

Die Antwort der Landesregierung auf die große Anfrage der FDP gibt umfangreich und kompetent Auskunft über die Situation der Inneren Sicherheit und die Lage der Polizei und zeigt auch noch Bereiche auf, bei denen Verbesserungen möglich sind. Sie ist eine gute Grundlage für die kommende Arbeit im Innen- und Rechtsausschuss.

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