Rede · Flemming Meyer · 23.02.2006 Stand des Revisionsverfahrens nach dem SGB II (Hartz IV)

Man muss sich noch mal die Ausgangslage aus Sicht der Kommunen klar machen, um deren Empörung verstehen zu können, als der damalige Wirtschafts- und Arbeitsminister Clement in einer seiner letzten Amtshandlungen beschloss, dass der Bund sich nicht mehr an den Unterhaltskosten der SGB II – Bezieher beteiligen wollte – zu Lasten der kommunalen Gemeinschaft.

Ursprünglich war den Kommunen nämlich versprochen worden, dass sie durch die Hartz IV-Reformen – also durch die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe – bundesweit mit 2,5 Mrd. Euro entlastet werden sollten. Nach Angaben der kommunalen Spitzenverbände lag aber im Jahr 2005 sogar eine Nettobelastung der Kommunen in Höhe von 1,57 Mrd. Euro vor.

Und vor diesem Hintergrund kündigte Clement frech und frei an, dass er dies völlig anders sah und den Bundesanteil von 29,1% an den Kosten für Unterkunft und Heizung für SGB II –Leistungsberechtigte nicht mehr bezahlen wollte. Die Bundesregierung hatte nämlich wundersamer Weise errechnet, dass die Kommunen durch Hartz IV nicht belastet, sondern im Jahr 2005 sogar mit 2,82 Mrd. entlastet worden sind. Die Argumentation von Clement war, dass der gegenüber 2004 zu verzeichnende starke Anstieg der Zahl der Hilfebedürftigen auch ohne Hartz IV eingetreten wäre.

So kann man aus Sicht des SSW aber nicht rechnen. Denn es geht ja schließlich um reale Kosten für die Kommunen und nicht um fiktive Entlastungen, die es gar nicht gibt. Im Nachhinein muss man wohl sagen, dass sich Clement mit dieser Initiative aus dem selbstverschuldeten Schlamassel mit den explodierenden Kosten für Hartz IV befreien wollte. Denn selten hat eine Bundesregierung die Kosten einer Reform so unterschätzt. So hatte der Bund seine Ausgaben für die Leistungen zum Lebensunterhalt einschließlich Sozialversicherungsbeiträgen im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitssuchende ursprünglich für 2005 auf 14,6 Mrd. Euro veranschlagt. Es wurden dann sage und schreibe ca. 25,6 Mrd. Euro. Eine katastrophale Fehleinschätzung für die allerdings auf keinen Fall die Kommunen haften dürfen.

Gott sei Dank schlossen sich auch viele Bundesländer der Argumentation des Bundes nicht an und unterstützen die Kommunen in ihrer Position. Die neue Bundesregierung hat daher jetzt den Clement-Vorschlag wieder vom Tisch genommen und die Beteiligung des Bundes an den Unterhaltskosten der Kommunen wieder eingeführt. Das ist zu begrüßen und alle Fraktionen des Schleswig-Holsteinischen Landtages und die Landesregierung hatten sich ja auch dafür eingesetzt. Dadurch können die schleswig-holsteinischen Kommunen laut vorliegenden Bericht der Landesregierung mit jährlich 130 Mio. Euro zusätzlich rechnen.

Ob diese Entscheidung, aber wie im Bericht angedeutet, ausreicht, um die versprochene Entlastung von 2,5 Mrd. Euro zu erreichen, wird nicht nur von den kommunalen Spitzenverbänden und Experten weiterhin bezweifelt. Diese Entlastung ist aber die Vorraussetzung dafür, dass die Kommunen auch wirklich mehr Investitionen für die Kinderbetreuung ausgeben können, wie es gesetzlich vorgesehen ist. Hier bleiben wir also skeptisch und unterstützen die Bestrebungen der Landesregierung, dass die per Bundesgesetz festzulegende Höhe der Kosten für die Unterkunft von SGB II-Beziehern auf wirklich konsensualen Umsetzungsdaten fußen muss. Wir müssen der Bundesregierung in den nächsten Jahren genau auf die Finger sehen, damit die Kommunen nicht weiter unter den Folgen von Hartz IV leiden müssen.

Den vorliegenden Bericht kann der SSW also zustimmend zur Kenntnis nehmen, außer bei der Formulierung unter Punkt 5, die die „alternativlose Notwendigkeit der Hartz IV-Reform“ unterstreicht. Das sehen wir angesichts der konkreten Ausgestaltung der Hartz-Gesetze völlig anders. Die aktuellen Änderungen von Hartz IV bei der Förderung von jungen Arbeitslosen und die dadurch wieder bekannt gewordenen Softwareprobleme der Bundesagentur für Arbeit machen aus Sicht des SSW noch einmal deutlich, dass diese Reformen mit viel zu heißer Nadel gestrickt worden sind. Anstatt die Förderung der Arbeitslosen in den Mittelpunkt zu stellen, hat man ein neues bürokratisches Monstrum geschaffen, das zu  mehr Kontrollen und weniger Vermittlung der Arbeitslosen geführt hat. Von Fördern und Fordern der arbeitslosen Menschen ist bisher kaum was zu spüren.  Wenn Hartz IV in seiner jetzigen Ausgestaltung wirklich alternativlos gewesen – wie es ja auch der damalige Basta-Kanzler verkündet hatte – dann kann man wirklich nur sagen: Armes Deutschland.

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