Rede · 20.11.2009 Umsetzung einer Schuldenbremse für Schleswig-Holstein
Nachdem die SPD erst komplett gegen die Schuldenbremse war und dann auch noch ehemaligen im Koalitionsausschuss dafür sorgte, dass die Klage gegen die Schuldenbremse zurückgenommen wurde, freut uns heute ganz besonders, dass der vorliegende Antrag von der SPD gestellt wurde und der Schlingerkurs der Sozialdemokraten ein Ende gefunden hat.
Es zweifelt niemand daran, dass wir eine Schuldenbremse brauchen. Nach wie vor ist aber auch klar, dass die Voraussetzungen für die Schuldenbremse des Bundes - nämlich annähernd ausgeglichene Haushalte und eine Berücksichtigung der Altschulden der Länder - nicht erfüllt sind. Der schleswig-holsteinische Haushalt ist mit einem Schuldenberg von 23 Milliarden Euro und einem strukturellen Defizit von 600 Millionen Euro alles andere als ausgeglichen. Und von einer Berücksichtigung der Altschulden der Länder kann man bei einer Ausgleichszahlung des Bundes von 80 Millionen Euro schon gar nicht sprechen.
Für den SSW ist der Dreiklang aus Klage, Konzept und Verfassungsänderung der einzige Weg, um in Schleswig-Holstein langfristig zu einem ausgeglichenen Haushalt zu gelangen.
Die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse ist aus unserer Sicht dabei schlichtweg eine Notwendigkeit, um nicht entmündigt zu werden. Es ist eine demokratietheoretische Frage, ob der Landtag in seinem Königsrecht - dem Budgetrecht - beschnitten wird. Aus unserer Sicht kann sich dies kein einziges Bundesland gefallen lassen. Die Souveränität und damit auch die Flexibilität im eigenen Haushalt müssen erhalten bleiben.
Der Bund hat gerade sehr deutlich gemacht, dass er macht, was ihm passt. Die im Wahlkampf groß angekündigten Steuererleichterungen werden auf die Länder und Kommunen abgewälzt. Das neue Wachstumsbeschleunigungsgesetz führt in Schleswig-Holstein zu 70 Millionen Euro weniger im Landeshaushalt und 60 Millionen Euro weniger in den Haushalten der Kommunen. Nicht nur, dass schwarz-gelbe Parteien Steuergeschenke zu Lasten der Länder und Kommunen versprechen, ohne dies mit diesen abzusprechen. Auch die 80 Millionen Ausgleichszahlungen für die Schuldenbremse werden damit einkassiert, bevor wir sie auch nur zu Gesicht bekommen haben.
Da unser Ministerpräsident in der Föderalismuskommission bei den Ausgleichszahlungen des Bundes eingeknickt ist und auf den Knien rutschend Dankbarkeit geheuchelt hat, bekommt Schleswig-Holstein gerade mal 80 Millionen Euro an Ausgleichszahlungen. Es ist pure Illusion, zu glauben, dass damit überhaupt irgendetwas ausgeglichen werden kann. Daher werden mit einer Schuldenbremse auch Kürzungen kommen - ob es uns passt oder nicht. Illusorisch ist deshalb auch der Antrag von den Linken, die eine Schuldenbremse ohne Kürzungen bei Leistungen und Personal fordern.
Der SSW kauft aber nicht die Katze im Sack. Mit der Schuldenbremse akzeptieren wir Streichungen - wir möchten aber vorher wissen, wie diese aussehen. Da der Wahlkampf vorbei ist, können Sie jetzt mit der Sprache rausrücken, wo die Landesregierung in den Bereichen Bildung, Kinderbetreuung, Polizei und Justiz jährlich mindestens 520 Millionen Euro einsparen möchte. Wir brauchen ein realistisches Entschuldungskonzept, dass unseren finanziellen Gestaltungsraum nicht völlig kaputt macht und unser Land auch nicht in den finanzpolitischen Selbstmord treibt. Für das vorzulegende Konzept zum Abbau der strukturellen Neuverschuldung brauchen wir aus Sicht des SSW eine gemeinsame Beschlussfassung, die über die dünne Mehrheit von CDU/FDP hinausgeht. Nur so wird es uns gelingen, Lösungen zu beschließen, mit denen wir auch in Zukunft weiterarbeiten können – die also über Legislaturperioden und Regierungen hinausgehen.
Das Konzept zum Abbau der Neuverschuldung zu schreiben, ist eine große Herausforderung - daran besteht überhaupt kein Zweifel. Es wird nicht nur schwer sein, überhaupt so viel Geld einzusparen. Auch ist unklar, wie eine Schuldenbremse umzusetzen ist. Die Hans Böckler Stiftung hat in alarmierender Deutlichkeit darauf hingewiesen. Eine Schuldenbremse fordert im Abschwung zu viel Konsolidierung und im Aufschwung zu wenig. Besonders in Schleswig-Holstein stehen wir vor dieser Herausforderung, da eine restriktive Finanzpolitik momentan die Gefahr einer weiteren Abwärtsspirale mit sich bringt.
Aber auch die technischen Einzelheiten sind entscheidend. Niemand weiß, mit welchem Verfahren Abweichungen von der konjunkturellen Normallage und die Höhe des zulässigen Defizits oder Überschusses festgestellt werden. Und auch die länderspezifischen Daten und Prognosesätze sind bisher noch nicht vorhanden. Je nach Verfahren kann es zu positiven oder negativen Abweichungen kommen, so dass der SSW dafür plädiert, dass frühzeitig ein Konzeptentwurf vorgelegt wird. Für dieses Konzept sollte die Landesregierung genau wie bei der Verfassungsänderung eine 2/3 Mehrheit anstreben, um eine möglichst breite Mehrheit zu finden, die die Einsparvorschläge teilt.
Der vorliegende Antrag macht deutlich, dass die schwarz-gelbe Landesregierung noch mehr Hausaufgaben zu erledigen hat. So lange wir die Schuldenbremse nicht in unsere Verfassung aufgenommen haben, gilt die des Bundes. Da dies den finanziellen Selbstmord Schleswig-Holsteins bedeutet, ist es an der Zeit, eine landesspezifische Regelung vorzulegen. Wir brauchen eine Schuldenbremse, die so flexibel wie möglich gehalten ist und antizyklisches Verhalten möglich macht. Wir brauchen eine Schuldenbremse, die zu einem ausgeglichenen Haushalt führt und nicht zum Finanztod Schleswig-Holsteins.
Auch die von den Linken vorgeschlagene Festlegung der gesamtwirtschaftlichen Steuerquote wird nicht zu einer Verbesserung der Einnahmesituation der Länder führen. Aus Sicht des SSW kann es kein politisches Ziel sein, Steuern zum Selbstzweck zu erheben. Wenn also Aufgaben wegfallen, kann ich nicht trotzdem Geld dafür kassieren. Sonst verkommen Steuern zur Daseinsberechtigung der Linken und vor allem zu einer Anwandlung von Staatskapitalismus, die mit dem SSW nicht zu machen ist.
Für den SSW steht fest, dass die Schuldenbremse mit der Konnexität auf Bundesebene einhergehen muss. Sonst können wir planen und Konzepte schreiben, wie wir lustig sind - sämtliche Einsparungen werden nichts bringen. Die Konnexität auf Bundesebene ist die Voraussetzung dafür, dass der Bund nicht ständig alles auf uns runter bricht, sondern den Ländern auf Augenhöhe entgegentritt. Schleswig-Holstein hat eben nicht die Möglichkeit, hier und da ein paar Schräubchen zu drehen, um die Einnahmen zu verbessern. Wir sind auf den Bund angewiesen. Bisher hat sich unser Ministerpräsident aber weder für einen Altschuldenfonds eingesetzt, noch die Ausgleichszahlungen nach verhandelt oder sich für die Einführung der Konnexität auf Bundesebene eingesetzt.
Für den SSW fasse ich also noch mal zusammen: wir brauchen nicht nur die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, wir brauchen auch eine länderspezifische Schuldenbremse, die Einführung der Konnexität auf Bundesebene und vor allem ein Konzept zum Abbau der Neuverschuldung. Packen wir es also endlich an!