Rede · Lars Harms · 18.11.2016 Unser Tariftreuegesetz schützt Betriebe, die faire Löhne zahlen

Lars Harms zu TOP 40 - Bericht zur Evaluierung des Tariftreue- und Vergabegesetzes

„Wenn wir uns heute die Landkarte anschauen, stellen wir fest, dass es mittlerweile in 14 von 16 Bundesländern landesspezifische Vergabegesetze mit Tariftreue- und Mindestlohnregelungen gibt.“

Als der SSW im Jahr 2001 den Entwurf für ein Landes-Vergabegesetz Schleswig-Holstein vorlegte, folgte ein starkes Echo. Die einen befürchteten den Untergang des Abendlandes, die anderen begrüßten ausdrücklich eine solche Initiative. Es war seinerzeit ein hartes politisches Ringen, das Gesetz auf den Weg zu bringen und seitdem wurde es immer auf den politischen Prüfstand gehieft. Aber zusammen mit dem Bauaufträgevergabegesetz aus Bayern war Schleswig-Holstein damals bundesweit Vorreiter für solch eine politische Initiative. Wenn wir uns heute die Landkarte anschauen, stellen wir fest, dass es mittlerweile in 14 von 16 Bundesländern landesspezifische Vergabegesetze mit Tariftreue- und Mindestlohnregelungen gibt. Was ich durchaus als Erfolg werte und feststelle, dass wir damals absolut richtig lagen und für viele ein gutes Vorbild waren.

Dabei handelt es sich mitnichten um Sozialromantiker-Gesetze. Faire Löhne haben nichts mit Sozialromantik zu tun, sie sind ein Teil von guter Arbeit. 

Vielmehr spielt auch der wirtschaftliche Aspekt eine Rolle. Durch die Regelung sind genau die Betriebe bei uns im Land geschützt, die bereits faire Löhne zahlen. Zudem sollte jeder Betrieb daran ein Eigeninteresse haben, denn es ist die beste Möglichkeit, gute Fachkräfte zu finden und zu halten.

Das Vergabegesetz hat bisher allen politischen Versuchen standgehalten gekippt zu werden. Es wurde weiterentwickelt oder neuen rechtlichen Voraussetzungen angepasst. Dagegen ist auch nichts einzuwenden. 

Als Koalition haben wir zu Beginn dieser Legislaturperiode einen Entwurf für ein Tariftreue- und Vergabegesetz eingereicht. Nach einem ordentlichen parlamentarischen Verfahren wurde das Gesetz 2013 mit Mehrheit verabschiedet. Damit haben wir ein Gesetz geschaffen, das die Vergabe öffentlicher Aufträge regelt. Wichtige Neuerungen des Gesetzes sind unter anderem, die Einführung eines vergabespezifischen Mindestlohns in Höhe von 9,18 Euro/Stunde sowie die Verpflichtungen zur Tariftreue. Sowie weitere Verpflichtungen in Bezug auf Nachhaltigkeit.

Zudem wurde festgeschrieben, dass das Gesetz auf seine Wirkung, insbesondere im Hinblick auf die Zielerreichung und Effizienz zu evaluieren ist. Damit wären wir dann auch beim vorliegenden Bericht. 

Es wundert einen natürlich nicht wirklich, dass eine große Zahl der Rückmeldung bestätigt, dass das Vergaberecht zusätzlichen Arbeitsaufwand bedeutet. Zugegeben, es ist eine bürokratische Hürde, die zu nehmen ist, wenn bestimmte Kriterien zu erfüllen sind, um den Zuschlag für einen öffentlichen Auftrag zu bekommen. Doch solche Kriterien sind vom Gesetzgeber nicht einfach aus der Luft gegriffen oder nur dafür da, um Auftraggeber sowie Auftragnehmer zu drangsalieren. Sie haben ihre Berechtigung. Was den Bürokratieaufwand durch das Gesetz und seine Lesbarkeit betrifft, sollten wir die Evaluierung durchaus zum Anlass nehmen und schauen, wo und wie Vereinfachungen und gegebenenfalls eine Verschlankung möglich sind. Für den SSW steht aber fest, dass wir an den Standards nicht rütteln werden. Standards sind keine Bürokratie, sie sind ein Mehrwert. 

Die Kritik, dass insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen vom Vergabegesetz benachteiligt werden, teile ich so überhaupt nicht. Denn da der Rücklauf der Meldungen relativ gering war, scheint es so zu sein, dass der weit überwiegende Teil der angefragten Unternehmen überhaupt kein Problem mit dem Gesetz hat.

Deutlich wird durch die Evaluation aber auch, dass die Regelungen des Tariftreue- und Vergabegesetzes einen wichtigen Beitrag zur Verhinderung des Einsatzes von Niedriglohnkräften bei der Ausführung öffentlicher Aufträge leisten. Damit wird bestätigt, dass wir ein wesentliches Ziel mit dem Gesetz erreichen. Und das ist auch gut so. Etwa 40 Prozent der Rückläufe der Umfrage bescheinigten dem TTG zudem, die sozialen Sicherungssysteme auf diese Weise zu entlasten. Aber auch die Wirkungen des vergabespezifischen Mindestlohns seien in begrenztem Umfang spürbar und hätten in einigen Branchen zu Lohnerhöhungen geführt.

Dies sind Effekte des TTG, die ich auch aus persönlichen Gesprächen, nicht nur aus dem Kreis Nordfriesland, bestätigen kann. 

Fest steht, wir werden das TTG weiterentwickeln und neuen Herausforderungen anpassen. Dies gilt beispielsweise für den vergaberechtlichen Mindestlohn, den wir auf 9,99 Euro anheben werden und damit an das niedrigste TVL-Gehalt anpassen. Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass sich alle Vergabestellen – sprich alle Kommunen – das TTG anwenden. 

Wir werden den Bericht und die Evaluation im Ausschuss vertiefend behandeln und daraus unsere weiteren Schlüsse ziehen.

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