Rede · Flemming Meyer · 10.12.2008 Vorschaltgesetz zur Neuregelung der Wahl der Landrätinnen und Landräte


Es ist nicht leicht, eine Wahl wieder einzusammeln. Aber die Einführung der Direktwahl von Landräten und Bürgermeistern war eine historische Fehlentscheidung. Deshalb ist es konsequent und richtig, dass der Landtag heute diesen Schritt nimmt.

Die Direktwahl hatte von Anfang an einen Webfehler. Denn entweder geht es hier darum, einen obersten Verwaltungsleiter zu wählen, der in den Kreisen die Vorgaben der Landesregierung und des Kreistags umsetzt. Dann ist eine Direktwahl aber überflüssig, weil sie einen politischen Einfluss suggeriert, der nicht vorhanden ist.

Oder aber es geht bei der Direktwahl um einen Verwaltungschef, der politisch gestalten soll, und deshalb durch eine Wahl legitimiert wird. In diesem Fall ist die Direktwahl aber höchst problematisch, weil damit eine Interessenkollision mit der ebenfalls von der Bevölkerung gewählten Kreisvertretung vorprogrammiert ist.

Und dies ist letztlich auch, was passiert ist. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass überall nach neuen Steuerungsmodellen gearbeitet wird, bei denen die Politik nur die Ziele vorgeben soll und die Verwaltung über Wege und Mittel zur Zielerreichung entscheidet, ist für die Landräte und Bürgermeister ein politischer Raum entstanden. So hat die Direktwahl schädliche Langzeitwirkung für das Machtgefüge der kommunalen Selbstverwaltung, weil der damit einhergehende Macht- und Legitimationszuwachs der hauptamtlichen Verwaltungschefs eindeutig zu Lasten des kommunalpolitischen Ehrenamts geht.


Für den SSW gilt: Wir haben kein Problem damit, dass die Bürgerinnen und Bürger mehr direkten Einfluss auf Politik bekommen. Aber wir haben ein Problem damit, wenn die Stärkung eines Verwaltungschefs insgesamt die Demokratie auf kommunaler Ebene schwächt. Es ist nicht mehr Demokratie, wenn eine Person – die zudem in der Regel nur von einem Bruchteil der Bürger gewählt wurde – Jahre lang Entscheidungen trifft, die früher ein ganzes Kommunalparlament mit verschiedenen Parteien in einer mehr oder weniger offenen Meinungsbildung zu entscheiden hatte. Deshalb begrüßt der SSW, dass die Große Koalition den Mumm gefunden hat, dieses zugegebenermaßen schwer zu vermittelnde Thema anzupacken. Es ist einer der mutigsten und vernünftigsten Entscheidungen dieser Wahlperiode.

Allerdings: Mit dem vorliegenden Vorschaltgesetz hat die Große Koalition nur die Hälfte ihrer Hausaufgaben gemacht. Die ebenso problematische Direktwahl der Oberbürgermeister und hauptamtlichen Bürgermeister bleibt weiter bestehen. Und gerade in diesem Bereich hat die Direktwahl es für einige hauptamtliche Verwaltungschefs leicht gemacht, sich auf das hohe Ross zu setzen und gegen ihre Kommunalvertretungen zu regieren – als kleiner Sonnenkönig oder als bockiger Suppen-Kaspar. Wie problematisch dies sein kann, zeigt ja zum Beispiel das Dauerdrama, dass Verwaltung und Politik in Schleswig seit einigen Jahren aufführen – und alle hier im Plenum werden weitere Beispiele nennen können. Deshalb bleibt der SSW dabei: Ebenso wie bei den Landräten brauchen wir bei den hauptamtlichen Bürgermeistern eine Änderung der Kommunalverfassung, die den kommunalen Parlamenten die Macht zurückgibt.

Der SSW wird diesem Gesetz zustimmen. Nicht weil es in allen Punkten zufriedenstellend ist, sondern weil damit zumindest ein Teil des Problems angegangen wird, dass wir seit der Einführung der Direktwahl immer wieder unterstreichen. Dabei finden auch wir das Verfahren nicht unbedingt gelungen. Die Regelung über ein Vorschaltgesetz und mit zwei Lesungen innerhalb einer Plenartagung ist milde gesagt unglücklich. Schließlich hat die Große Koalition bereits bei der Debatte zum SSW-Gesetzentwurf im Dezember 2006 zu verstehen gegeben, dass sie diese Änderung anstrebt. Wir wissen alle, dass die Abstimmung innerhalb einer Großen Koalition lange dauert. Aber innerhalb von zwei Jahren hätte selbst diese Koalition sich eigentlich einigen und ein reguläres Verfahren durchziehen können. Dann würden wir auch nicht in der absurden Situation stehen, dass einige Kreise Anfang 2009 neue Landräte brauchen und die Kreisordnung eigentlich noch die Direktwahl vorsieht.

Aber trotzdem: Wir sind bereit diesen Weg mitzugehen, weil wir ihn inhaltlich für vollkommen richtig halten. Und sollte die Große Koalition doch noch den Mut finden, statt dieser halben Lösung volle Vernunft walten zu lassen und den ehrenamtlichen Kommunalpolitikern in den kreisfreien Städten und größeren Gemeinden ebenso konsequent die Macht zurückzugeben, dann werden wir mit großer Freude auch ein solches Gesetz unterstützen.


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