Pressemitteilung · 27.03.2009 Bericht über die Lage der dänischen Minderheit RV-12/2009

Rede des
kulturpolitischen Sprechers der
SSW-Ratsfraktion
Martin Lorenzen zu
TOP 7 -
Bericht über die Lage der dänischen Minderheit RV-12/2009:

Flensburg ist die dänischste Stadt der Bundesrepublik. Ohne jemanden nahezutreten dürfte diese Feststellung hier im Saal keinen überraschen. Denn Flensburg hat als größte Stadt im Landesteil Südschleswig eine lange dänisch-deutsche Geschichte. Wir feiern im diesem Jahr Flensburgs 725-jähriges Stadtjubiläum. In allen diesen über 700-Jahren unserer Stadtgeschichte hat es immer einen mehr oder weniger großen dänischen Bevölkerungsteil in Flensburg gegeben. Bis 1864 gehörte unsere Stadt mit zum dänischen Gesamtstaat und war ein Teil des dänischen Königreiches. So ist zum Beispiel auch die dänische Schifffahrtsgeschichte wie die Verbindung nach Dänisch Westindien eng mit der Geschichte Flensburgs verbunden.

Auch heute noch bekennen sich ca. 20% der Bürgerinnen und Bürger Flensburgs zur dänischen Minderheit. Nachprüfbar ist dies nicht, da durch das Bonn-Kopenhagener Abkommen von 1955 das Bekenntnis zu Dänischtum frei ist und von den Behörden nicht kontrolliert werden darf. Aber die Anzahl der Schülerinnen und Schüler in dänischen Schulen, die Vielzahl der Mitglieder in südschleswigschen Organisationen und die Wahlergebnisse des SSW deuten darauf hin, dass sich ca. 1/5 unserer Bevölkerung mehr oder weniger zur Minderheit bekennen. Die Angehörigen der dänischen Minderheit sind natürlich deutsche Staatsbürger – was ja nicht allen bekannt ist. Sie sind daher gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger in diesem Staat und deshalb ist es für den SSW als Partei der dänischen Minderheit auch selbstverständlich die kulturelle und finanzielle Gleichstellung mit der Mehrheitsbevölkerung einzufordern.

Die dänische Minderheit ist heute sehr gut integriert, aber wir sind nicht assimiliert – darauf legen wir sehr viel wert. Wir wollen weiterhin unsere Kultur und unsere Sprache pflegen. Wir wollen in Flensburg ein so dänisches Leben wie möglich führen. Und darum gibt’s für die Mitglieder der dänischen Minderheit in allen Lebensbereichen ein umfangreiches Angebot – wie Kindergarten, Schule, Theater, Bibliothek, Kulturverein, Kirche, Dänischer Gesundheitsdienst.

Flensburg ist also die Hochburg der dänischen Minderheit und deshalb ist die Stadt auch seit Jahrzehnten Vorreiter in der Minderheitenpolitik hier im Grenzland. Dies geht nicht zuletzt darauf zurück, dass man sich bereits 1983 – auf Drängen des SSW – in einer „Gemeinsamen Erklärung der Flensburger Ratsversammlung zur Bezuschussung dänischer Einrichtungen“ auf die finanzielle Gleichstellung der Minderheitenorganisationen der Stadt geeinigt hat.

Wir können in den letzten Jahren eine positive Entwicklung im Zusammenleben zwischen Mehrheits- und Minderheitsbevölkerung in Flensburg feststellen. Dies zeigt sich bei der engen Zusammenarbeit vieler Minderheitenorganisationen – wie dem SSF, Dansk Centralbibliotek oder SdU mit Aktivitetshuset - mit ihren deutschen Kollegeninnen und Kollegen. Und es zeigt sich besonders in der vertieften deutsch-dänischen Zusammenarbeit hier in unserer Region, wo Flensburg gemeinsam mit Åbenrå und Sønderborg als Grenzdreieck den Takt angibt. Gerade die verstärkte deutsch-dänische Kooperation ist eine große Chance für die zukünftige wirtschaftliche und kulturelle Weiterentwicklung unserer Stadt und die sollten wir unbedingt gemeinsam nutzen. Die dänische Minderheit übernimmt in dieser Zusammenarbeit eine wichtige und aktive Brückenbauerrolle nach Norden.

Die sogenannten Kompetenzanalyse der Landesregierung hat im letzten Jahr sogar darauf hingewiesen, dass die Minderheiten auf beiden Seiten der Grenze ein wichtiger Standortfaktor für die gesamte Region sind, die die Mehrheitsbevölkerung besser nutzten sollte. Daher ist der SSW der Auffassung, dass wir uns auch in Flensburg mit dieser Analyse beschäftigen sollten und sehen welche Vorschläge davon hier vor Ort umgesetzt werden können.

Wie dünn das Eis im Grenzland allerdings auch in den Beziehungen zwischen der Mehrheits- und Minderheitsbevölkerung sein kann, haben wir 2005 in Zusammenhang mit der Regierungsbildung in Kiel erlebt. Plötzlich waren alle guten Worte und Vorsätze vergessen und längst vergessen geglaubte Vorurteile und Ressentiments kamen sehr heftig wieder an die Oberfläche. Auch an Flensburg ging dieser Konflikt nicht spurlos vorbei.

Die Lehre aus 2005 ist daher für den SSW, dass man immer wieder auf die besonderen Verhältnisse im deutsch-dänischen Grenzland hinweisen muss. Denn die Informationen vieler Bürgerinnen und Bürger über die reellen Verhältnisse der dänischen Minderheit und über unsere lange Geschichte sind oft leider immer noch sehr spärlich. Auch deshalb haben wir heute diesen Antrag eingebracht.


Denn um die Umsetzung der positiven Minderheitenpolitik in der Stadt auch in Zukunft zu gewährleisten, fordert die SSW-Ratsfraktion, dass in der Mitte jeder Wahlperiode ein Bericht zur Lage der dänischen Minderheit vorgelegt wird. In dem Bericht soll die Verwaltung Fakten und Informationen über die dänischen Minderheit zusammen tragen und beschreiben wie die Minderheitenpolitik, zum Beispiel wie die finanzielle Gleichstellung der dänischen Organisationen, der Stadt umgesetzt wird. Der Bericht soll auch der Information der Bürgerinnen und Bürger dienen und die Bedeutung der dänischen Minderheit für das Leben in Flensburg herausstellen.

Dazu kommt, dass durch die Europäischen Sprachencharta und die Umsetzung des Rahmenüberkommens zum Schutz nationaler Minderheiten sich in der Minderheitenpolitik – auch der Kommunen - in Zukunft neue Herausforderungen zum Beispiel für die Minderheitensprache Dänisch ergeben werden. So setzt eine wirkliche Mehrsprachigkeit voraus, dass die dänische Bevölkerungsgruppe einen Anspruch darauf hat, dass ihre Sprache im Alltag präsent und nutzbar ist. Natürlich können alle Mitglieder der dänischen Minderheit deutsch, aber es geht um die Wertschätzung und Anerkennung, dass das Dänisch hier in dieser Stadt gleichberechtigt mit der deutschen Sprache ist.

Im letzten Jahr hat die Stadt Flensburg auf Initiative der SSW-Fraktion erstmals in ihrer Geschichte zweisprachige Ortschilder mit dem Text Flensburg/Flensborg aufgestellt. In diesem Zusammenhang ist es wichtig festzustellen, dass die dänische Beschilderung nicht ausschließlich für die dänischen Touristen der Stadt gedacht ist, sondern sie soll vielmehr unterstreichen, dass sich in dieser Stadt ein großer Teil der Bevölkerung zur dänischen Minderheit bekennen. Dieses war ein wichtiger Schritt um die Europäische Sprachencharta mit Leben zu erfüllen.

Aber wir müssen diskutieren, ob nicht weitere Schritte in diese Richtung folgen müssen zum Beispiel mehr dänische Beschriftung in den städtischen Museen oder mehr dänische Beschilderung an öffentlichen Gebäuden, mehr zweisprachige Informationsbroschüren der Stadt oder ein noch besseres dänischen Internetangebot in der Stadt und den städtischen Töchtern. Alles dies sind Forderungen, die sich in Zukunft durch eine aktive Sprachenpolitik für die Minderheitensprachen Dänisch ergeben werden und daher wollen wir, dass die Umsetzung solcher Maßnahmen ebenfalls in dem Bericht dargelegt wird.

Insgesamt soll dieser Bericht den Flensburger Ratsfraktionen als Grundlage für Entscheidungen in der Minderheitenpolitik der Stadt dienen.

Det ville glæde mig, hvis jeg endnu kunne opleve, at et byrådsmedlem fra Flensborg bare uden problemer kunne tale dansk her i salen og at alle ville forstå ham uden oversættelse. Hvis vi engang er nået så langt, så kan vi virkelig tale om en kulturel ligestilling, hvor flertal og mindretal arbejder med og for hinanden.


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