Rede · Lars Harms · 09.03.2016 Die Ausweisung von dauerhaften Flächen außerhalb von Friedhöfen durch die Gemeinde ist in meinen Augen unproblematisch

Lars Harms zu TOP 5 - Änderung des Bestattungsgesetzes

Ich denke, nur sehr wenige Dinge in Landeszuständigkeit sind so persönlich, wie die, die im Bestattungsgesetz geregelt sind. Hier sind neben zulässigen Bestattungsarten und -fristen zum Beispiel auch Details zum Leichen- und Friedhofswesen oder zum Umgang mit Totgeborenen festgeschrieben. Auch wenn der SSW einer Liberalisierung des Bestattungsrechts grundsätzlich offen gegenübersteht, muss also eins ganz klar sein: Wir bewegen uns hier in einem äußerst sensiblen Bereich. Hier spielen nicht nur der letzte Wille der Verstorbenen, sondern auch die Wünsche der Angehörigen und nicht zuletzt die Bedürfnisse der Allgemeinheit eine wichtige Rolle. Das alles muss bei Änderungen der gesetzlichen Grundlage nicht nur mitbedacht, sondern auch mitberücksichtigt werden.

Ohne Zweifel stehen wir bei Fragen rund um das Bestattungswesen vor spürbaren Veränderungen. Sowohl die Säkularisierung wie die religiöse Vielfalt nehmen zu. Auch die Familienmodelle in unserer Gesellschaft entwickeln sich weiter. In der Folge kann man durchaus von einem Wandel der Bestattungskultur sprechen. Heute werden zum Beispiel über zwei Drittel der Bestattungen nicht mehr traditionell - als Erdbestattung - sondern auf alternativem Weg durchgeführt. Und auch, wenn die Friedhofskultur natürlich eine große traditionelle Bedeutung hat, brauchen offenbar immer weniger Betroffene einen bestimmten Ort, um zu trauern oder der Verstorbenen zu gedenken.

Wir alle sollten also anerkennen, dass es in diesem Bereich mitunter sehr konkrete Wünsche gibt, die bisher verwehrt bleiben. Viele Menschen wollen, dass die Asche der Verstorbenen nicht nur auf zugelassenen Friedhöfen oder auf See, sondern auch an anderen Orten verstreut werden darf. Daneben erfordern bestimmte religiöse Traditionen eine Bestattung innerhalb eines gewissen, kürzeren Zeitrahmens oder eine Bestattung in einem Leichentuch statt in einem Sarg. Und man kann feststellen, dass auch für den normalen Menschen die Kostenfrage eine hohe Relevanz hat.

Ob diese Wünsche im Einzelnen nun gerechtfertigt sind oder nicht, muss letztlich natürlich jeder für sich selbst beurteilen. Aber wir können zumindest einmal festhalten, dass das geltende Gesetz diesen Bedürfnissen nur unzureichend oder in manchem Fall sogar überhaupt nicht gerecht wird. Und gerade, weil die Themen Tod und Bestattung sehr persönlich sind, halte ich es für sinnvoll, hier über neue Wege nachzudenken. Auch wenn man bei einer Öffnung sehr behutsam vorgehen muss, ist aus Sicht des SSW eins völlig klar: Wir sollten diese mitunter sehr persönlichen Entscheidungen nicht unnötig einschränken oder sogar blockieren, nur weil wir an einem veralteten Regelwerk festhalten.

Übergeordnet betrachtet gehen die vorgelegten Änderungen also erst einmal in die richtige Richtung. Denn sie erweitern ganz grundsätzlich die Möglichkeiten der Betroffenen. Im Detail stellen sich dann aber doch sehr schnell Fragen, die gründlich abgewogen werden müssen: Die Ausweisung von dauerhaften Flächen außerhalb von Friedhöfen durch die Gemeinde ist in meinen Augen unproblematisch. Da sind sogar gemeinsame Flächen von Gemeinde und Kirche denkbar. Sympathisch hört sich auch die Forderung nach der kostenfreien Nutzung dieser Flächen an. Aber wie ist zum Beispiel die Öffnung für Ausnahmen außerhalb dieser Flächen in der Praxis zu handhaben, ohne dass beispielsweise auch Nachbarn sich gestört fühlen? Die Gemeinde soll einvernehmlich über solche Ausnahmen oder Sonderwünsche entscheiden. Da liegt doch zumindest die Gefahr nahe, dass diese Einzelfälle nicht wirklich überparteilich und ausschließlich anhand objektiver Kriterien geprüft und entschieden werden könnten. 

Auch bei der konkreten Handhabung der Zwei-Jahrs-Frist für die Aufbewahrung der Urne im eigenen Zuhause sehe ich Probleme. Die örtlich zuständige Gemeinde kann den Hinterbliebenen hierfür die Genehmigung erteilen. Eine Bestattung im Anschluss soll sichergestellt sein. Aber wer überprüft die Einhaltung? In der Begründung heißt es nur: „Die Hinterbliebenen haben die Beisetzung nach Ablauf des genehmigten Zeitraums gegenüber der örtlich zuständigen Gemeinde nachzuweisen.“ Mir erschließt sich nicht wirklich, wie das in der Praxis aussehen soll.

Ich denke, in vielen Punkten wird hier also eine intensive, ergebnisoffene Debatte nötig sein. Hier müssen wir auf der einen Seite sehr genau zwischen öffentlicher und individueller Trauer, und auf der anderen Seite zwischen dem letzten Willen des Verstorbenen und den Interessen der Hinterbliebenen abwägen. 

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