Tale · Flemming Meyer · 22.03.2006 Änderung der Gemeindeordnung (Behindertenbeauftragte)

In einigen Kommunen sind sie bereits vertreten, die Beauftragten für Behinderte. Sie sollen sich verstärkt für die Belange behinderter Menschen einsetzen. Möglichst frühzeitig werden sie von Gemeindevertretung und Stadtverwaltung in Entscheidungsprozesse eingebunden, damit Fehler nicht erst in Beton gegossen werden und deren Beseitigung dann sehr teuer wird. Ein Beispiel: in Flensburg hat die SSW-Stadtfraktion für die Bestellung einer Behindertenbeauftragten gesorgt. Die Behindertenbeauftragte Astrid Müller hat frühzeitig unter anderem darauf hingewiesen, dass beim Einbau neuer Aufzüge beim Umbau des Flensburger Bahnhofs die Breite der heute gängigen Elektro-Rollstühle berücksichtigt werden muss. So werden Planungsfehler vermieden.

Auf Anregung des Sozialverbandes Husum und des Vereines für Körper- und Mehrfachbehinderte im Kreis Nordfriesland hat die Stadt Husum ab September letzten Jahres einen Beauftragten für Menschen mit Behinderungen bestellt. Manfred Carstens, so sein Name, versteht sich, wie übrigens vieler seiner Kolleginnen und Kollegen in anderen Kommunen auch, als Scharnierstelle zwischen Verbänden und Politik, oftmals auch als Frühwarnstelle. Er ist aber auch geduldiger Ansprechpartner für die Interessen der Menschen mit Behinderungen, deren Anliegen er gegenüber der Kommunalpolitik vertritt. Die Qualität kommunaler Arbeit wird dadurch entscheidend verbessert.
Ich würde mir wünschen, dass die Arbeit der Behindertenbeauftragten in der Öffentlichkeit mehr Beachtung finden würde. Ich hoffe, dass eine größere Öffentlichkeit ein Nebenprodukt des vorgelegten Gesetzes sein wird.

So wie in Flensburg und Husum fordert der SSW für alle kommunalen Entscheidungen die Beteiligung von Menschen mit Behinderungen. Als Bürger einer Gemeinde sollten ihnen die gleichen Rechte wie ihren nicht-behinderten Mitbürgern zustehen. Hierfür müssen die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden, so wie es die FDP auch vorschlägt. Mittelfristig muss es um die Etablierung einer neuen Teilhabe-Kultur gehen: Es kann ja schließlich nicht Aufgabe der Menschen mit Behinderung sein, die Notbremse bei kommunalen Vorhaben zu ziehen. Wir alle sollten die Belange von Menschen mit Behinderungen verinnerlichen. Die Kommunen sollten Menschen mit Behinderungen zur Teilhabe ermutigen.

Ob es nun unbedingt ein Beauftragter sein muss oder ein Beirat ist dabei nicht entscheidend. Entscheidend ist vielmehr, dass eine Institution geschaffen wird, die als fester Ansprechpartner und Interessenvertreter für die behinderten Mitbürgerinnen und Mitbürger fungiert. Eine wichtiges Element, das auf wesentlich mehr Verbindlichkeit im kommunalen handeln ausgerichtet sein wird, ist die regelmäßige Überprüfung kommunaler Entscheidungen in einem festgelegten Turnus. Hier wird die kommunale Ebene verpflichtet, nicht die gesamte Verantwortung auf die Behindertenbeauftragten abzuschieben, sondern eben rechtzeitig selber das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen und selber zu gestalten. Das heißt, die Kommune ist auch selber verantwortlich für die Entscheidungen, die gefällt werden und muss auch dafür im Nachhinein gerade stehen. Wichtig ist, dass eine behindertengerechte Politik selbstverständlich wird und wir hier auch durch eine solche Bestimmung einen hohen Grad an Verbindlichkeit absichern.

Der SSW ist der Überzeugung, dass der vorgelegte Artikel 47g in der Gemeindeordnung gut platziert ist. Eine Beteiligung von Menschen mit Behinderungen wird verpflichtend für alle Kommunen, ohne dabei die Mittel zur Beteiligung ausdrücklich vorzuschreiben.
Andererseits ermahnt uns die gesetzliche Wirklichkeit des Artikel 47f, der die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen regelt, dass eine gesetzliche Regelung allein nicht ausreicht. Sie muss mit Leben erfüllt werden. So ein Artikel ist kein Selbstgänger, der die Behindertengerechtigkeit von selbst herstellt. Er muss im täglichen Verwaltungshandeln ständig wieder neu durchdrungen werden. Eine Beteiligung sollte sich also nicht nur in der Schaffung neuer Gremien erschöpfen, sondern die Interessen der Menschen mit Behinderung wirklich durchsetzen.

Andererseits bin ich zuversichtlich, dass die hiesigen Kommunen genug Phantasie entwickeln werden, wie sie vor Ort ihre Politik für Menschen mit Behinderungen verbessern. Viele Lernbehinderte klagen zum Beispiel über eine unverständliche Formular– und Antragssprache. Hier kann eine vernünftige redaktionelle Überarbeitung viel bringen – übrigens nicht nur für die Menschen mit Behinderungen. Die Bundesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen hat einen entsprechenden runden Tisch gegründet. Ich denke, dass auch die schleswig-holsteinischen Kommunen von dieser Arbeit profitieren werden.

Die hervorragende Berichtsarbeit des Landesbehindertenbeauftragten Dr. Hase wird uns sicherlich schon im nächsten Jahr wissen lassen, wie sich das neue Instrument in der Gemeindeordnung auf der kommunalen Ebene bewähren wird. Ich bin darauf sehr gespannt. Zumindest hat aber auch er sich schon für eine Ergänzung der Gemeindeordnung ausgesprochen und diese Auffassung teilt der SSW.

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