Tale · Flemming Meyer · 18.11.2009 Änderung des Gesetzes zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen



Wir bringen heute eine Änderung des Tariftreuegesetzes in den Landtag ein, um dafür zu sorgen, dass eine europarechtskonforme Tariftreueregelung weiterhin in Schleswig-Holstein angewendet wird. Wir sind dazu gezwungen, weil das sogenannte „Rüffert-Urteil“ des Europäischen Gerichtshofes neue Kriterien in Bezug auf die Tariftreue formuliert hat.

Bevor ich allerdings auf die einzelnen Änderungen in unserem Gesetzentwurf eingehe, möchte ich kurz schildern, was das Ziel unseres Tariftreuegesetzes, war und ist. Eine Zielsetzung ist, existenzsichernde Löhne abzusichern. Dabei geht es in erster Linie um die Erkenntnis, dass man von manchen Löhnen nicht mehr leben kann und schon gar nicht eine Familie ernähren kann. Nach unserer Auffassung ist es staatliche Aufgabe, hier Regelungen zu schaffen, dass Lohnstandards nicht unterboten werden können. In Bezug auf Ausschreibungen und Vergabeverfahren ist es insbesondere wichtig, dass schon im Vorwege – also bevor die eigentlichen Arbeiten beginnen – gesichert ist, dass Auftragnehmer und Nachunternehmen gewisse Standards einhalten. Wir wollen nicht, dass Leute zu Niedrigstlöhnen beschäftigt werden und dies dann erst später herauskommt. Dann ist den betroffenen Arbeitnehmern nämlich nicht geholfen. Wir wollen, dass schon im Vorwege klar ist, dass Unternehmen nur bei Einhaltung von Lohnstandards eine Chance auf einen Auftrag haben.

Weiter wollen wir, dass die sozialen Sicherungssysteme in unserem Land gestärkt werden. Dies geht aber nicht mit Dumpinglöhnen. Wir wollen, dass voll in die Sicherungssysteme eingezahlt wird und dass steuer- und sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze erhalten bleiben können. Würde keine Tariftreue mehr eingefordert werden, würden auch viele dieser steuer- und sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze wegfallen und die Menschen dann von den sozialen Sicherungssystemen aufgefangen werden müssen. Das käme dem Staat teuer als alles andere. Ein Tariftreuegesetz entlastet den Staat somit von Aufgaben und Ausgaben.

Der dritte Punkt ist, dass wir für gleiche Wettbewerbsbedingungen sorgen wollen, um so insbesondere unseren Mittelstand zu stärken. Ausländische Unternehmen und auch inländische Unternehmen mit niedrigen Löhnen haben einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Unternehmen, die Lohnstandards einhalten. Deshalb ist es wichtig, dass bestimmte Lohnhöhen eingehalten werden und im Rahmen von Ausschreibungen und Vergaben eingefordert und nachgewiesen werden. Ursprünglich sah unser Tariftreuegesetz vor, dass der vor Ort gültige Tariflohn einzuhalten ist. Wir meinen immer noch, dass dies die beste Lösung ist. Aber wir müssen erkennen, dass die europäische Rechtsprechung uns einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Zwar ist Tariftreue immer noch möglich – und das ist ja die gute Nachricht in dem „Rüffert-Urteil“ - aber es dürfen nur noch allgemein-verbindliche oder gesetzlich festgelegte Löhne eingefordert werden.

Hierauf baut nun unser Vorschlag für eine Neufassung des Tariftreuegesetzes auf. In § 3 binden wir die Vergabe von öffentlichen Aufträgen an die Einhaltung der nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz festgelegten Entgelte. Wir haben in unserem neuen Entwurf auf die Nennung von bestimmten Branchen bewusst verzichtet. Wir können ohnehin nur für die bundesweit allgemein-verbindlichen Entgelte die Tariftreue einfordern und diese Entgelte sind im Arbeitnehmer-Entsendegesetz abschließend geregelt. Damit fallen bestimmte Branchen, wie zum Beispiel der SPNV, aus dem Geltungsbereich des Gesetzes heraus. Allerdings bedeutet die Bezugnahme auf das Arbeitnehmer-Entsendegesetz auch, dass alle dort genannten Branchen von unserem Gesetz umfasst sind. Hierdurch gilt das Tariftreuegesetz daher auch für neue Branchen, wie zum Beispiel für Gebäudereiniger. Durch die ausschließliche Bezugnahme auf das Arbeitnehmer-Entsendegesetz erreichen wir aber noch einen Vorteil. Hierdurch gilt unser Gesetz auch für die Branchen, die möglicherweise noch später in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufgenommen werden. Es entsteht somit auch eine Art Motivation für bestimmte Branchen sich um allgemein-verbindliche Tarife zu bemühen. Das wäre auch eine Perspektive für die Branchen, die in Zukunft aus dem Geltungsbereich unseres Gesetzes herausfallen.

Sollte in ferner Zukunft möglicherweise ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt werden oder auch nur teilweise ein Mindestlohn für bestimmte Branchen auf gesetzlicher Grundlage festgelegt werden, so wäre dies vom letzten Satz in § 3 Absatz 1 umfasst.
Wir haben bei der Ausarbeitung unseres Gesetzesvorschlages auch überprüft, ob auch regionale – das heißt Schleswig-Holsteinische – allgemein-verbindliche Löhne europarechtskonform eingefordert werden könnten. Wir sind allerdings in unseren Prüfungen zu dem Schluss gekommen, dass dies nicht geht, da eine solche Regelung der Entsenderichtlinie widersprechen würde.

Trotzdem stellte sich natürlich die Frage, was in den Bereichen geschehen sollte, die nicht vom Arbeitnehmer-Entsendegesetz umfasst sind. Da wir immer wieder auf Fälle gestoßen sind, in denen zumindest der Verdacht geäußert wurde, dass ein viel zu niedriger Lohn gezahlt werden würde, haben wir eine Regelung in den Gesetzesvorschlag aufgenommen, der eine Überprüfung der Entgelte auf die Sittenwidrigkeit hin vorsieht und dies wäre dann natürlich auch zu dokumentieren. Sollte ein allgemein-verbindlicher Lohn nicht vorliegen, so ist bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen die vorgesehene Lohnzahlung auf die Sittenwidrigkeit nach BGB hin zu überprüfen. Dies geschieht offensichtlich nicht immer und daher trägt eine solche Regelung auch dazu bei, Dumpinglöhne und ungleiche Wettbewerbsbedingungen für die Unternehmen.zu verhindern.

Zu beachten ist bei einer Änderung des § 3 Tariftreuegesetz – also der Einführung der Bezugnahme auf allgemein-verbindliche Löhne und bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit – dass diese nicht nur symbolischer Natur wäre. Zwar besteht auch für die entsendenden Unternehmen ohnehin über das Arbeitnehmer-Entsendegesetz eine entsprechende gesetzliche Verpflichtung zur Einhaltung der Bestimmungen eines bundesweit geltenden und für allgemein-verbindlich erklärten Tarifvertrages. Die Überführung auf die vergaberechtliche Ebene eröffnet jedoch die Möglichkeit, die speziellen Sanktionsmöglichkeiten des Vergaberechts bei Verstoß gegen diese Verpflichtung einzubringen. Diese Sanktionsmöglichkeiten lassen wir in unserem Gesetzentwurf unverändert. Trotzdem möchte ich diese noch einmal nennen: Bei einem schuldhaften Verstoß gegen das Tariftreuegesetz ist eine Vertragsstrafe von 1 % des Auftragswertes zu zahlen. Dies gilt auch, wenn ein Nachunternehmen diese Verfehlung begeht. Es kann weiterhin in bestimmten Fällen der Vertrag fristlos gekündigt werden. Und wenn ein Unternehmen grob fahrlässig oder mehrfach gegen das Gesetz verstößt, kann es für bis zu drei Jahren von der Vergabe von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden. Dies alles sind sehr wirksame Mittel, die wir weiterhin erhalten wollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bisher wird das Tariftreuegesetz nicht mehr angewandt, was an sich schon nicht rechtmäßig ist, weil ein Gesetz nun mal ein Gesetz ist. Wir müssen also diesen Schwebezustand ändern und wir müssen dieses auch relativ schnell tun, damit ordentliche Löhne in unserem Land wieder eingefordert werden. Wir haben aber auch einen zeitlichen Horizont, der das Gesetz eilbedürftig macht. Ende 2010 läuft das Gesetz automatisch aus und daher sollten wir bis zum Sommer – rechtzeitig vor Auslaufen des Gesetzes – eine Entscheidung getroffen haben.

Für uns als SSW ist das Tariftreuegesetz keine ideologische Frage, sondern eher eine Frage wie man gerechte Löhne erreichen und gleiche Wettbewerbssituationen für Unternehmen schaffen kann. Das hat nichts mit Links und Rechts sein zu tun, sondern mit gesundem Menschenverstand. Daher gibt es solche Gesetze in vielen Bundesländern gleich welcher Couleur. In unserem Nachbarland Hamburg – schwarz-grün regiert – ist das ursprüngliche Gesetz am 16. Dezember letzten Jahres angepasst worden und gilt dort für Bauleistungen und Dienstleistungen nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz. In Niedersachsen – schwarz-gelb regiert – gibt es ein Landesvergabegesetz für Bauleistungen seit 15. Dezember 2008. Was in diesen beiden Ländern möglich ist, sollte auch in Schleswig-Holstein zum Wohle der Arbeitnehmer und der Unternehmen möglich sein.

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