Tale · Christian Dirschauer · 22.09.2021 Auch die digitale Teilhabe darf nicht am Geldbeutel scheitern

„Fakt ist, dass es für viele Hartz-IV-Familien oftmals nicht einmal für eine ausgewogene Ernährung reicht. Geschweige denn für kulturelle oder schulische Teilhabe.“

Christian Dirschauer zu TOP 25 - vDigitale Grundausstattung verankern (Drs. 19/3279)

Wenn man dieser Pandemie etwas Positives abgewinnen will, dann ist es der Umstand, dass hierdurch Schwachstellen in Gesellschaft und Verwaltung offengelegt werden. Vieles, was bisher vielleicht als Randproblem kleingeredet wurde, drängt in den Vordergrund. Wir vom SSW begrüßen diese Entwicklung hin zu mehr Transparenz. Denn egal ob es um die psychologische Versorgung, um die Arbeitsbedingungen in der Pflege oder um umfassende gesellschaftliche Teilhabe geht: In vielen Bereichen wird deutlich, wo wir in der Vergangenheit weggeschaut oder zumindest zu wenig getan haben. Und damit wird eben auch deutlich, wo wir in Zukunft mehr tun und besser werden müssen. 

Vor diesem Hintergrund ist klar, dass wir das Ziel, eine digitale Grundausstattung möglichst für alle Menschen sicherzustellen, voll und ganz unterstützen. Das habe ich schon in der Debatte zum Tätigkeitsbericht der Bürgerbeauftragten in der letzten Landtagssitzung klar gemacht. Unser Dank geht daher sowohl an Samiah El Samadoni wie an die SPD, die dieses Thema heute auf die Tagesordnung setzt. Diese Forderung ist unheimlich wichtig. Denn leider scheitert der Zugang zum Internet und damit zu gleichen Bildungs- und Teilhabechancen viel zu oft aus Ressourcengründen. Damit werden vor allem Menschen, die auf existenzsichernde Leistungen angewiesen sind, ausgegrenzt. Und deshalb ist es in meinen Augen absolut folgerichtig, die digitale Grundausstattung zum soziokulturellen Existenzminimum zu zählen und den Anspruch darauf sozialgesetzlich zu verankern. 

Wenn es um den Zugang zu Bildung geht, wird der Handlungsdruck besonders deutlich: Wie wir wissen, war im Lockdown gut ein Zehntel aller Schülerinnen und Schüler komplett vom Homeschooling abgehängt. Und zwar deshalb, weil diesen Kindern die technische Ausstattung fehlt oder weil diese Familien nicht einmal einen Zugang zum Internet haben. Auch viele Erwachsene wurden in diesen Phasen abgehängt; etwa bei der Kommunikation mit Behörden oder wenn es zum Beispiel darum ging, einen Impftermin zu ergattern. Für uns ist deshalb klar, dass nicht nur der einmalige Bedarf im Sinne einer digitalen Grundausstattung, sondern eben auch die dauerhafte Anbindung an das Internet entsprechend berücksichtigt werden muss.

Wenn wir uns die aktuellen Hartz-IV-Sätze anschauen, ist zumindest aus meiner Sicht klar, dass diese längst nicht immer und überall Teilhabe ermöglichen. Auch der jüngste Versuch, hierüber ein menschenwürdiges Existenzminimum abzusichern, ist einfach nur entwürdigend: Ab Januar 2022 bekommen Alleinstehende, Ehegatten oder Kinder monatlich drei Euro mehr. Null bis Dreizehnjährige sogar nur zwei Euro. Das ist gerade mit Blick auf Kinder und Jugendliche besonders bitter. Schließlich hängt von der Entwicklung der Regelsätze zumindest in Teilen auch ihre persönliche Entwicklung ab. Fakt ist aber, dass es für viele Hartz-IV-Familien oftmals nicht einmal für eine ausgewogene Ernährung reicht. Geschweige denn für kulturelle oder schulische Teilhabe. Meine Partei fordert deshalb schon lange transparente Berechnungsverfahren und wirklich bedarfsorientierte, und damit deutlich erhöhte, Regelsätze.

In Deutschland sind circa 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche auf Leistungen der Existenzsicherung angewiesen. Viele von ihnen sogar trotz erwerbstätiger Eltern. Diese 2,8 Millionen junge Menschen sind nicht nur hier und jetzt von Armut bedroht, sondern sie haben auch geringere Zukunftschancen. Das will hoffentlich niemand leugnen. Und deshalb ist für uns völlig klar, dass wir diese Kinder und Familien endlich stärker und vor allem zielgerichteter unterstützen müssen. Aktuell gibt über 150 einzelne familienpolitische Maßnahmen. Noch dazu ist hier leider keine klare Linie erkennbar. Während die Ausgaben steigen, herrscht offensichtlich Uneinigkeit darüber, welche Maßnahmen und Ziele überhaupt verfolgt werden sollen. Leidtragende sind oft genau die, die unsere Unterstützung besonders brauchen. Deshalb müssen die unterschiedlichen sozial- und familienpolitischen Leistungen gebündelt und insbesondere auf die Bedürfnisse und die Teilhabe junger Menschen ausgerichtet werden. Es kann nicht angehen, dass Maßnahmen schlicht nicht bekannt sind oder wegen bürokratischer Hürden nicht in Anspruch genommen werden. Das muss sich dringend ändern, damit alle möglichst gleiche Startchancen im Leben haben.

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