Tale · Flemming Meyer · 25.08.2011 Bericht zum Zustand des AKW Brokdorf

Wieder einmal hat es ein Schleswig-Holsteinisches Atomkraftwerk geschafft, bundesweit für Schlagzeilen zu sorgen. Diesmal war es aber nicht einer unserer beiden Pannenmeiler, sondern unserer „Vorzeigereaktor“ in Brokdorf, der aufgrund eines Transformatorausfalls vom Netz gegangen ist. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist nicht bekannt, wie es zu dem Ausfall kommen konnte. Es hat eine Überhitzung sowie eine Gasentwicklung im Transformator gegeben, die letztendlich zur Abschaltung geführt haben. Auch wenn dieser ungeklärte Unfall nicht im atomaren Teil der Anlage geschehen ist, hat dies doch zu einer Schnellabschaltung des Reaktors geführt – und die ist durchaus riskant.

Der Betreiber E.on wies in diesem Zusammenhang immer wieder darauf hin, dass dieser Zwischenfall nicht meldepflichtig sei, da es sich im konventionellen Teil des Kraftwerks abgespielt hat. Dadurch wird der Vorfall verharmlost. Der Betreiber hat zwar angekündigt, den Trafo auszutauschen, jedoch will E.on die genauen Ursachen der Überhitzung nicht untersuchen. Stattdessen will E.on das Kraftwerk mit halber Transformatorkapazität wieder ans Netz bringen und es mit halber Leistung betreiben. Dazu fällt einem doch nichts mehr ein. So lange nicht geklärt ist, wie es zu der Überhitzung und Gasentwicklung kam, haben wir keine Gewissheit, dass dem zweiten typgleichen Transformator das gleiche Schicksal ereilt. Man kann zwar ein Flugzeug mit halber Leistung fliegen, aber niemand würde auf die Idee kommen zu starten, wenn ein Triebwerk ausgefallen ist. Sicherheit hat Vorrang. Das gilt auch für Atomkraftwerke. Durch derartige Aussagen vom Anlagenbetreiber wird vielmehr der Eindruck erweckt, dass die Profitinteressen der Atomkonzerne über allem anderen stehen.

Ich frage mich, ob E.on nichts aus den Vorfällen mit Krümmel und Brunsbüttel gelernt hat. Seinerzeit hat der Betreiber sich dort durch suboptimale Informationspolitik ausgezeichnet. Der Bevölkerung in Schleswig-Holstein war nicht zu erklären, warum dem Betreiber die Lizenz nicht umgehend entzogen wurde. Wir haben in Schleswig-Holstein eine sensible Vorgeschichte - auch mit Brokdorf - und wenn ich als Betreiber dies alles weiß, dann verhalte ich mich entsprechend vorsichtig. Das Vertrauen in die Atomenergie und seine Betreiber ist angeknackst und Fukushima hat sein übriges getan. Das haben sich die Atomkonzerne selbst zuzuschreiben, die mit ihrem Abwiegeln, Verharmlosen und Verschweigen sehr kreativ mit der schweren Verantwortung umgegangen sind, die sie als Betreiber einer risikoreichen Technologie tragen.

Neben dem ungeklärten Transformatorausfall muss auch geklärt werden, wie es zu einer Verformung der Brennelemente kommen kann - auch wenn die Revision ergeben hat, dass die Verformung sich im Toleranzbereich befindet. Bereits in 2010 ist dieses Problem erstmalig in Brokdorf aufgetaucht. Von anderen Anlagen in Deutschland wissen wir, dass dieses Problem bereits seit 2007 bekannt ist. Auch wenn sich die Verformungen derzeit noch im Toleranzbereich befinden, ist nicht auszuschließen, dass die Abschaltsicherheit eines Tages gefährdet ist. Daher ist es nur folgerichtig, dass die Atomaufsicht des Landes sich an die Reaktor-Sicherheitskommission des Bundesumweltministeriums gewendet hat. Hier müssen wir Klarheit haben.

Klarheit brauchen wir auch, wenn es um die Robustheit unserer Atomkraftwerke geht. Die Reaktor-Sicherheitskommission hat dies zum Gegenstand der sogenannten „Anlagenspezifischen Sicherheitsüberprüfungen“ gemacht, um festzustellen, wie es mit dem Robustheitsgrad der einzelnen Anlagen aussieht, um gegen Einwirkungen von Außen geschützt zu sein.
Wir wissen, dass es Kritik an der Sicherheitsüberprüfung gibt. Neben dem zu kurzen Überprüfungszeitraum, entsprechen auch die Überprüfungslevels nicht dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik. Vielmehr wurden die Levels an die Anlagen angepasst. Hier muss es für die Zukunft unbedingt eine Überarbeitung der Sicherheitsstandards geben.
Auch wenn aus Fukushima und den Sicherheitsüberprüfungen die richtigen energiepolitischen Schlüsse gezogen wurden, ändert dies nichts an unserer Kritik an der Sicherheitsüberprüfung.
Endgültige Sicherheit haben wir erst dann, wenn der letzte Meiler vom Netz genommen wurde. Aber solange Atomkraftwerke in Deutschland noch betrieben werden, müssen diese auch den höchsten technischen und wissenschaftlichen Anforderungen gerecht werden, ansonsten gehören sie vom Netz genommen.

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