Tale · Flemming Meyer · 09.10.2008 BetreuungsassistentInnen für Demenz gemäß §87b SGB XI

Jeder weiß, dass Menschen in einem Pflegeheim auf kompetente Unterstützung angewiesen sind. Bewohner mit erheblichen Handicaps können sich oftmals nicht selbst waschen und benötigen Unterstützung beim Essen und Trinken. Doch es sind nicht diese Grundbedürfnisse allein, die ein Bewohner in einem Pflegeheim hat: Soziale Nähe, zuhören und sich Zeit lassen sind ebenfalls Grundbedürfnisse, die leider allzu oft der hektischen Routine in den Heimen zum Opfer fallen.
Demente Bewohner haben manchmal einen nicht zu stillenden Bewegungsdrang. Sie fühlen sich in der neuen Umgebung fehl am Platze und machen sich auf eigene Faust auf den Weg nach Hause. Überforderte Pflegekräfte wissen sich manchmal nicht anders zu helfen, als die Betroffenen einzuschließen oder sogar zu fixieren.
Vor diesem Hintergrund erscheint es positiv, wenn Betreuungsassistenten die Lebensqualität der Bewohner verbessern helfen.
Doch der Teufel liegt mal wieder im Detail. Denn so, wie die Arbeitsagenturen dieses neue Berufsfeld angehen, besteht die Gefahr, dass Billig-Jobs geschaffen werden. Wir hatten das alles schon einmal. Die Diskussion um das Blätterfegen im Park oder die Betreuung von Kleinkindern als Tagesmutter. Immer das gleiche Muster: Von außen werden Tätigkeiten als einfach erlernbar eingeschätzt und damit als ideale Beschäftigung für Arbeitslose.
Doch der Umgang mit dementen Patienten will gelernt sein. Fachliche Standards sind unabdingbar! Bereits die Konfrontation mit psychischen Stimmungsschwankungen, die bei Demenz regelmäßig auftreten, erfordert ein hohes Maß an Professionalität. Wer in heiklen Situationen die Distanz verliert, schadet dem Bewohner und unter Umständen auch sich selbst. Darum müssen auch die Assistenten in funktionierende professionelle Netzwerke eingebunden werden.
Dabei ist noch gar keine Rede davon, dass die Betreuung dementer Patienten gar nicht jedermann liegt. Ungeduldige Naturen sind hier fehl am Platz; ebenso übrigens Beschäftigte, die ihren Ekelgefühlen nicht Herr werden können. Wenn also jemand in den Job gedrängt wird, ohne wirklich dafür geeignet zu sein, wird es fast zwangsläufig zu Pflegemängeln kommen.
Die Bundesagentur will sich in diesem Zusammenhang auf die Kompetenz der Heime verlassen, denen ein Letzentscheidungsrecht eingeräumt wurde. Aber ich möchte die Heimleitung sehen, die nicht jeden Strohhalm packt, der sich ihr bietet. Heime mit massiven Personalengpässen werden im Zweifel schon einmal darauf vertrauen, das es nicht alles so schlimm werden wird, solange nur genügend Personal an Bord ist. Ich warne hier vor einer scheinbaren Sicherungsleine; denn letztlich werden die Heime allein nach Kostenstruktur entscheiden – sie können angesichts der derzeitigen Finanzierungssituation gar nicht anders.
Also müssen wir uns auf das Gespür und die Menschenkenntnis der Jobfinder und Berater verlassen. Gerade hier sehe ich aber die Gefahr, dass Menschen in den Job als Betreuungsassistent gezwungen werden, die vielleicht hier gar nicht reinpassen. Jeder vermittelte Arbeitslose ist eben gut für die Statistik. Das gilt doch nicht nur in diesem Bereich, sondern auch in anderen.
Der vorgelegte Antrag möchte dem vorbeugen, indem bei Abbruch der Qualifikationsmaßnahme ausnahmsweise keine Sanktionen erfolgen. Diese systemfremde Ausnahmeregel ist in der Praxis nur schwer handhandbar. Die Ausnahmeregelung führt zu Ungerechtigkeiten. Es stünde sogar zu befürchten, dass gerade auch Ungeeignete in die Maßnahme gedrängt werden, nach dem Motto: „Es passiert ja nichts, wenn sie abbrechen.“

Alle Argumente zeigen, dass die Betreuungsassistenten eben genau das sind, was wir aus den guten alten Zeiten kennen, als Arbeitsbeschaffung noch Arbeitsbeschaffung, also ABM hieß: nämlich ein rein arbeitsmarktpolitisches Instrument. Wir haben viele Arbeitslose, also schneidern wir ihnen einen Job.
Doch genau anders herum wird ein Schuh heraus: Wir haben Probleme in der Versorgung dementer Bewohner von Pflegeheimen. Diese Probleme gilt es zu beseitigen. Wir haben ein pflegerisches Problem. Wir haben kaum akademische Pflegekräfte in der Betreuung dementer Menschen, sondern eine massive Finanzierungslücke und einen dementsprechend großen Personalmangel. Die Attraktivität des Arbeitsplatzes Pflegeheim muss verbessert werden und die Professionalisierung optimiert werden. Dann können wir auch über die Einsatzbereiche von Assistenten sprechen – aber eben erst dann.

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