Tale · Flemming Meyer · 13.11.2008 Bildungsgipfel

Der Begriff Bildungsgipfel suggeriert, dass das Thema Bildung, seine Probleme und Herausforderungen, von höchster Stelle abschließend behandelt wird. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass Entscheidungsträger zusammenkommen. Genau das war in Dresden nicht der Fall. De facto ist Bildung nämlich Ländersache, und für die Koordination der Bildungspolitik auf Bundesebene ist die Kultusministerkonferenz der Länder zuständig. Hinzu kommt, dass sich der Bund mit der Föderalismusreform weiter aus dem Bildungsbereich zurückgezogen hat. Wenn sich also der Bund zu Wort meldet, tut er das im Wissen darum, dass ihm keine echte Entscheidungskompetenz zukommt. Von daher war kein einziger Bildungsexperte wirklich überrascht, dass auf dem so genannten Bildungsgipfel keine substantiellen Beschlüsse gefällt wurden. Und daher ist es auch nicht verwunderlich, dass es zeitweise so aussah, als wäre dieser so genannte Bildungsgipfel zum Scheitern verurteil gewesen, was bekanntlich in letzter Minute abgewendet wurde, um einen Gesichtsverlust der Bundeskanzlerin zu verhindern.
Vor diesem Hintergrund ist es Sicht des SSW fraglich, ob die wirklich wichtige Aussage des Gipfels – die Vereinbarung von Bund und Ländern, bis 2015 10% des Bruttoinlandsprodukts in Bildung und Forschung zu investieren – letztlich mehr ist als heiße Luft, zumal alle konkreten Umsetzungsschritte erst einmal vertagt wurden. Mit einem Anteil von 5,1 Prozent am BIP liegt Deutschland bei den Bildungsausgaben unter dem OECD-Schnitt von 6,1 Prozent. Um überhaupt den Anschluss ans Mittelfeld zu finden, müssten wir jedes Jahr 23 Milliarden Euro mehr ausgeben. Wenn in sieben Jahren dann jeder 10. Haushaltseuro in die Bildung fließen soll, bleibt keine Zeit für weiteres Taktieren.
Insgesamt enthält das Abschlusspapier in weiten Teilen eine Sammlung vager Zielformulierungen, politischer Absichtserklärungen und abermals vertagte Entscheidungen. Inhaltliche Substanz enthält es dort, wo Maßnahmen benannt werden, die längst beschlossen sind – zum Beispiel der Ausbau der Kinderbetreuung für unter 3 jährige Kinder.
Anders herum wird hier einmal mehr die ganze Problematik auf den Punkt gebracht: Wie wollen Bund und Länder das hehre Ziel der verstärkten Investition in Bildung überhaupt erreichen, wenn am unteren Ende gekleckert und nicht geklotzt wird? Hier müsste – Föderalismusreform hin oder her – die Ausgleichsfunktion des Bundes zum Tragen kommen, und das geschieht nach den beschlossenen Vereinbarungen nur begrenzt
Auch der Hochschulpakt spiegelt wider, was die Konsequenzen sind, zum Beispiel für Schleswig-Holstein. Denn Fakt ist, dass mit dem bisherigen Hochschulpakt nur der Anstieg bei den Studierendenzahlen aufgefangen wird, der ja nicht zuletzt dadurch zustande gekommen ist, dass bundesweit das Abitur nach 8 Jahren eingeführt ist. Inhaltlich betrachtet hat der Hochschulpakt die Weichen in der bundesdeutschen Hochschulpolitik nicht neu gestellt. Daher sollten wir die Landesregierung ermuntern, bei den Verhandlungen um den Hochschulpakt II mit harten Bandagen zu kämpfen. Der Hochschulpakt II muss ein echter Pakt für die Studierenden werden. Nur so wird es für uns in Schleswig-Holstein überhaupt möglich sein, die Unterfinanzierung unserer Hochschulen abzumildern.
Nun kann man einwenden, dass es nicht die Aufgabe des Bildungsgipfels war, die Folgen der Föderalismusreform zu korrigieren. – Wobei sich die Bundesländer, in Klammern bemerkt, ja auch nicht einig sind. In München und Stuttgart ist man wohl immer noch eher der Meinung, allein alles besser machen zu können. Ich habe mir sagen lassen, dass man dort nur zähneknirschend akzeptiert hat, dass Bildungsausgaben Zukunftsinvestitionen sind – und damit eine gesamtstaatliche Verpflichtung. Mag sein, dass die bundesweiten Schülerdemonstrationen dazu beitragen, dieses deutlich zu machen, dann wären wir zumindest einen Schritt weiter.

Eine Bildungspolitik je nach Kassenlage der Bundesländer wird nämlich über kurz oder lang zum Wettbewerbsföderalismus führen: die reichen Länder können sich die besten und motivierten Lehrer leisten, die besten Ausstattungen und die modernste Gebäude. Wer hingegen in einem armen Bundesland geboren wurde und dort eingeschult wurden, hätte demnach ungleich schlechtere Chancen. Dieser Wettbewerb würde den Standort Deutschland insgesamt schwächen, weil er die ungleichen Strukturen zementiert.
Die Bundesländer haben allerdings nicht nur unterschiedliche finanzielle Spielräume, sie bewegen sich auch in völlig unterschiedlichen Rahmenbedingungen. Dazu ein konkretes Beispiel: Der Anteil von Migranten an unseren Schulen. Dass diese einer besonderen Förderung bedürfen, ist unbestritten. Die KMK-Präsidentin hatte daher vor dem Gipfel vom Bund konkrete Finanzierungszusagen für Sprachförderprogramme vor der Einschulung gefordert. Wenn in einem Bundesland sehr viele und in einem anderen nur wenig Migranten leben, kommt dem Bund aus Sicht des SSW automatisch eine Ausgleichsfunktion zu, um für beide Enden der Skala eine optimale Förderung zu ermöglichen. Genau da beginnt die Verantwortung des Bundes. Er muss die Länder dabei unterstützen, annähernd gleiche Lebensverhältnisse zu bieten. Das ist sein Auftrag laut Grundgesetz. Davon entbindet ihn auch keine Föderalismusreform.

So verstehen wir auch den Antrag der Grünen, der sich für eine Bundesratsinitiative ausspricht. Auch der SSW sieht den Bund in der Pflicht, dort zu handeln, wo Schule und Gesellschaft aufeinander treffen. Das gilt sowohl für die Schulsozialarbeit wie für Fragen des Übergangs zwischen Schule und Ausbildung. Wir stimmen den Grünen zu, wenn sie in ihrem Antrag anführen, dass es darüber hinaus aber weitere Aufgaben gibt, die der Schule aus gesellschaftlichen Gründen zugewachsen sind, zum Beispiel die Vermittlung von Verbraucherwissen oder die Vermittlung von Nutzer-Knowhow in der modernen Datenverarbeitungsgesellschaft.
Schule soll beileibe nicht zur Reparaturanstalt der Gesellschaft werden, ihr kommt aber eine immense Bedeutung bei der Vermittlung sozialer Kompetenzen zu. Das können die Länder nicht allein tragen, vor allem nicht bei den Ganztagesschulen. Hier muss der Bund eingebunden werden. Und zwar nicht von Fall zu Fall, sondern mit klar umrissenen Aufgabenbereichen.

Der Weg über eine Bundesratsinitiative mag der bewährt Weg sein, dennoch sind wir grundsätzlich der Meinung, dass jetzt eigentlich die Ministerpräsidenten gefragt. Sie sollten die Schaffung transparenter Finanzierungsströme und Verantwortungsbereiche auf die Tagesordnung der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz setzen und sich gemeinsam dafür einsetzen, dass die Bundesregierung ihren Pflichten im Bildungsbereich nachkommt.

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