Tale · Flemming Meyer · 08.05.2003 Bundesliegenschaften auf Sylt

Der Grund für die sich auf Sylt stellende Problematik ist nur vordergründig formeller Natur. Es geht nur vordergründig um die Frage, nach welchem Berechnungsmodus der Wert der Immobilien berechnet werden soll, um diese dann verkaufen zu können. In Wahrheit geht es knallhart um Einnahmenmaximierung des Bundes auf Kosten der sozialen und wirtschaftlichen Struktur auf der Insel. Dass Inseln nicht mit dem Festland in ihrer Struktur vergleichbar sind, ist nichts Neues. Allerdings müssen wir immer wieder feststellen, dass trotzdem massiv gegen die Inseln gehandelt wird. Sei es nun bei den Verkehrsverbindungen per Bahn oder auf dem Schiffswege oder aber wenn es um den Immobilienmarkt geht.
Nach der derzeitigen Berechnungsmethode, die der Bund zugrunde legt – die den Verkaufswert der Immobilien am freien Markt widerspiegelt – müssen die Sylter mit erheblichen Problemen rechnen. Für die Einheimischen bedeutet diese Entscheidung, dass ein Erwerb dieser Immobilien kaum möglich sein wird. Alle wissen, dass die Marktpreise auf Sylt völlig verdorben sind. Für normale Familien sind diese Preise einfach nicht bezahlbar. Es kann nicht angehen, dass die Bundesregierung wegen ein paar Euro-Mehreinnahmen die berechtigten Interessen der Sylter Bürgerinnen und Bürger übergeht. Die Folge dieses Beschlusses wird eine weitere Inselflucht sein.
Gerade die Bundesregierung hat eine soziale Verantwortung gegenüber der Inselbevölkerung. Nun weiß ich selber, dass das Wort „sozial“ bei der Bundesregierung derzeit nicht so sehr hoch im Kurs steht, aber trotzdem glaube ich, dass es nachvollziehbar ist, dass wir es hier mit einer besonderen Situation zu tun haben. Im Gegensatz zum Festland, kann man auf Sylt eben nicht mal gerade in einen zehn oder zwanzig Kilometer entfernten Ort umziehen, wie man es auf dem Festland kann. Die Mobilität ist auf einer Insel nun einmal sehr eingeschränkt. Sind die Wohnungen in der Anschaffung oder in der Miete zu teuer, müssen die Bewohner Sylts ihre Insel verlassen und ihre wirtschaftlichen, familiären und sozialen Beziehungen oft komplett abbrechen. Wenn man so will, werden sie von ihrer Insel vertrieben.

Die Häuser und Wohnungen werden schon heute oft nur zeitweise von Auswärtigen bewohnt, während die Sylter auf das nördliche nordfriesische Festland ausweichen müssen. Die Folgen sind: starker Pendelverkehr und zeitweise ausgestorbene Dörfer auf der Insel. Vor diesem Hintergrund darf die Bundesregierung nicht nur auf das Geld sehen, sondern muss auch daran denken, dass sie dazu beitragen muss, die gewachsenen Strukturen auf der Insel zu verfestigen. Der normale Sylter Handwerker und der Kellner brauchen Wohnraum auf der Insel. Bei ihren geringen Gehältern ist ein Pendlerleben nahezu unmöglich. Deshalb muss die Bundesregierung im Sinne der Betroffenen handeln.
Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum betrifft im übrigen auch die Angehörigen der dänischen und der friesischen Minderheit. Und durch den Verkauf der Bundesliegenschaften an Private wird auch deren Situation noch verschärft. Die Entscheidung der Bundesregierung bedroht also auch die Zukunft der Minderheiten auf Sylt, denn auch sie müssten ihre Insel verlassen. Wenn die Bundesregierung es ernst meint mit der Minderheitenförderung – und daran habe ich keinen Zweifel – dann muss sie gerade auch aus minderheitenpolitischen Aspekten hier handeln und die Wohnungen zu einem angemessenen und vertretbaren Preis an die Kommunen verkaufen. Will man die Minderheiten auf der Insel fördern, muss man ihnen auch das Wohnen auf Sylt ermöglichen.
Die Sylter Kommunen haben unter erheblichen eigenen Anstrengungen ein Kaufangebot abgegeben, dass auf dem Ertragswert der Wohnungen beruht. Dass heißt, die zu erwartenden Mieteinnahmen für Dauerwohnungen werden zugrunde gelegt und die Kommunen wollen sich verpflichten, Dauerwohnraum zur Verfügung zu stellen. Damit zeigen gerade die Sylter Kommunen Eigeninitiative und Verantwortungsbewusstsein. Dies ist ein Angebot, das ebenfalls Millionen in die klamme Kasse des Bundesfinanzministers spült. Niemand will etwas umsonst auf Sylt, aber aufgrund der Insellage ergeben sich hier besondere Schwierigkeiten, die besonders im Sinne der Betroffenen zu behandeln sind.
Deshalb muss die Bundesregierung mit den Sylter Gemeinden neu verhandeln und ein neues Wertgutachten erstellen, das auf den zu erwartenden Mieteinnahmen für Dauerwohnungen beruht. Nur wenn die Wohnungen als Dauerwohnungen zu einem erschwinglichen Mietpreis angeboten werden, wird auch ein normaler Sylter auf seiner Insel leben können.

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