Tale · 08.07.2010 Dem Parlament müssen Hintergrundpapiere und Hintergrundanalysen zur Verfügung gestellt werden

Es ist eine ziemlich skurrile Situation, in der wir hier stecken. Eine Kommission aus Mitgliedern der Landesregierung , Vertretern der regierungstragenden Fraktionen und Hospitanten des Landesrechnungshofs hat die zukünftige Finanzpolitik des Landes beschlossen. Sowohl das Kabinett als auch die Landtagsfraktionen von CDU und FDP haben dieses Papier abgesegnet und es öffentlich verbreitet. Der Opposition wird aber gesagt, sie hat keinen Anspruch auf die entsprechenden Unterlagen, weil es schließlich nicht um Regierungshandeln ginge und es auch nicht dem Landtag vorgelegt wird. Das ist absurdes Theater. Niemand ist wirklich zuständig für das Papier, von dem wir seit Ende Mai wissen, dass es das finanzielle Schicksal Schleswig-Holsteins bestimmt und zu dem der Ministerpräsident sogar eine Regierungs¬erklärung abgegeben hat. Die wichtigste Reform seit Jahrzehnten ist ein schwarzes Loch. Wir sehen die finanziellen Auswirkungen, aber niemand kann erklären, weshalb sie eintreten, denn die entsprechenden Hintergründe darf keiner sehen.
Das Ziel der Haushaltskonsolidierung heiligt für die schwarz-gelbe Koalition offensichtlich die Mittel. Die Gewaltenteilung und die demokratische Transparenz werden ohne Not auf dem Altar der Schuldenbremse geopfert. In ihrer Antwort auf meine Kleine Anfrage „Empfehlungen zur Konsolidierung der Finanzen des Landes Schleswig-Holstein“ schreibt die Landesregie¬rung:“Die Haushalts¬strukturkommission ist keine Einrichtung der Landesregierung. Sie ist auf der Grundlage des Koalitionsvertrages zusammengetreten“. Sie verweist vielmehr darauf, dass sie „zum Abwägungs- und Entscheidungsprozess der Haushaltsstrukturkommission keine Stellung“ bezieht, weil es eben kein Regierungsgremium ist, und weigert sich, auf konkrete Fragen zu den einzelnen Empfehlungen der Haushaltsstrukturkommission einzugehen. So geht man nicht mit einem demokratisch gewählten Parlament um.

Wenn die Landesregierung sich die Empfehlungen einer Kommission eins-zu-eins zu eigen macht, dann muss sie auch bereit sein, die Argumente und Fakten offen zu legen, die zu den Entscheidungen geführt haben. Deshalb fordern wir, dass uns diese Informationen, die den Landeshaushalt entscheidend prägen werden, mit dem Haushaltsentwurf der Landesregierung zur Verfügung gestellt werden. Dies gilt umso mehr, als die Landesregierung natürlich maßgeblich an den Beschlüssen beteiligt gewesen ist. Sie hat nicht nur mit am Tisch gesessen und in Person des Finanzministers der Kommission sogar vorgesessen. Sie hat auch die entscheidenden Daten geliefert. Die Haushaltsstruktur-kommission hat für ihre Arbeit Unterlagen genutzt, die in den Ministerien erarbeitet worden sind. Die Landesregierung hat sogar mehr getan. Sie hat sich schon jetzt von der Kommission leiten lassen. In den letzten Monaten haben Mitglieder der Landesregierung in Ausschuss-Sitzungen mehrfach Vorschläge vorgelegt, die aus der Feder der Kommission stammten. Minister Dr. Klug hat im Bildungsausschuss als Begründung für seine Rücknahme des Pflichtstunden¬erlasses angegeben: Die Haushalts¬strukturkommission wollte es so – ohne Begründung und ohne Abwägung. Das ist die Veralberung des Parlaments. Und das ist auch kein Umgang mit den Bürgerinnen und Bürgern die nachher unter den Einsparungen leiden. Es ist das mindeste, dass die Landesregierung den Betroffenen klar und schlüssig begründet, weshalb sie zu so schwerwiegenden Maßnahmen greift.

Die CDU und die FDP haben gemauert und sich nicht in die Karten gucken lassen – was nebenbei bemerkt den Eindruck hinterlässt, als würden sie ihren eigenen Argumenten nicht trauen. Und dann wird der Opposition seit Veröffentlichung der Haushaltsempfehlungen auch noch zugerufen, sie könne ja einfach Änderungsvorschläge machen. Ja wie bitte? Wie soll irgendjemand qualifiziert Stellung zu einem Sparpaket beziehen, wenn er nicht weiß, wie und weshalb es zustande gekommen ist. Auf die Expertise des Landesrechnungs¬hof s können wir dabei auch nicht zurückgreifen. Er hat seine Neutralität aufgegeben und ein Gremium unterstützt, das ja auch aus der Sicht der Landesregierung weder der Regierung noch dem Parlament diente, sondern den Parteien und ihrem Koalitionsvertrag zuzuordnen ist.

Es ist höchste Zeit, dass die Koalition signalisiert, dass sie zu einem geordneten parlamentari¬schen Verfahren zurückkehren wird. Das gesamte Parlament – Regierungsfraktionen wie Opposition – müssen aufgeklärte Entscheidungen treffen können. Ein fruchtbarer und ergeb¬nis¬offener Dialog ist aber nur möglich, wenn dem Landtag zumindest jene Hintergrundpapiere zur Verfügung gestellt werden, die die Haushaltsstrukturkommission und der Landesrech¬nungshof erhalten haben. Daran müssten eigentlich auch die Kolleginnen und Kollegen der regierungstra¬genden Fraktionen ein Interesse haben, denen ich ganz einfach nicht unterstellen mag, dass sie auch ihr Verständnis von Parlamentarismus und Gewaltenteilung in der Garderobe des Landtages abgegeben haben.

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