Tale · Lars Harms · 12.12.2014 Demokratie lebt von Beteiligung

Leidenschaftlich, engagiert und einfallsreich für die Demokratie statt unentschlossen, neutral oder eben unparteiisch

Nur wenige Zimmerpflanzen gedeihen, weil sie in Ruhe vor sich hin wachsen können. Die meisten Pflänzchen benötigen regelmäßig Dünger, müssen umgetopft und begossen werden. Demokratie ist so ein Pflänzchen, das Anstrengung erfordert und Mühe macht. Sie vertrocknet, wenn sie abseits steht und sich niemand um sie kümmert. Sie geht ein und wird von Unfreiheit und Diktatur überwuchert.

Wir reden oft von dem, was uns droht, wenn die Wahlbeteiligung weiter sinkt und die Bürgerversammlungen verwaisen. Wir reden viel und oft davon und vergessen dabei, die Schönheit der Demokratie zu preisen. So eine Miesepeter-Rhetorik will zwar viel, verschreckt aber im Zweifel die Menschen noch mehr als sie es sowieso schon sind; sie provoziert geradezu die lahmen Entschuldigungen und Ausflüchte, die gegen aktive Beteiligung vorgebracht werden: Keine Zeit, zu kompliziert und als einzelner könne man ja doch nichts ausrichten. 

Als Politiker argumentiert man dagegen. Klar, das ist eine Selbstverständlichkeit. Aber ich bemerke beim Gegenüber oft auch Skepsis. Ich bin schließlich nicht unparteiisch, was die Demokratie angeht. Eigentlich sollte das niemand in Deutschland sein: Unentschlossen, neutral oder eben unparteiisch, sondern sich leidenschaftlich, engagiert und einfallsreich für die Demokratie einsetzen. 

Darum zielt der Antrag vor allem auf die Verfahren, und nicht auf die Inhalte ab. Aber ich möchte es an dieser Stelle trotzdem sagen: Beteiligung für Demokratie bedeutet für den SSW eindeutig ein Bekenntnis zur Pluralität und gegen Rassismus und Diskriminierung! 

Demokratie ist unbequem. Nicht nur bezüglich des Zeitaufwands, sondern auch, was die Themen angeht. Wer Flagge zeigt und sich für einen bestimmten Standpunkt stark macht, der zieht auch Kritik auf sich. Derjenige, der dagegen keine Position sein eigen nennt, den lässt man auch in Ruhe. Ruhe ist aber das letzte, was wir brauchen. Was wir brauchen ist aber, dass die Demokratie und die demokratischen Verfahren noch präsenter sind als bisher – dass sie sozusagen für den einzelnen Menschen leichter greifbar und leichter erlebbar sind. Der Landtag kann die Verfahren verbessern. Wir haben das bereits in der Vergangenheit getan, indem wir beispielsweise das Wahlalter gesenkt haben. 

Andere Verfahren, die im vorliegenden Antrag zur Änderung bzw. Modernisierung vorgeschlagen werden, beziehen sich vor allem auf den Wahlakt selbst. Die Wahlbenachrichtigung ist zu kompliziert und die Anforderung der Briefunterlagen ist nicht für jedermann unmittelbar einsichtig. Ich denke, dass wir darüber nachdenken sollten, beides – also Wahlbenachrichtigung und Briefwahlunterlagen, gemeinsam zu versenden und zwar in einer Form, die übersichtlich und leicht verständlich ist. Eine doppelte Stimmabgabe muss natürlich vermieden werden, aber ich bin zuversichtlich, dass es auch dafür eine technische Lösung geben kann.

Wir haben es mit einem wachsenden Anteil von Briefwählern zu tun. Bei der letzten Bundestagswahl hat jeder vierte Deutsche per Briefwahl seine bzw. ihre Stimme abgegeben. Vor allem in den Großstädten ist das der neue Trend. Das ist ein Indiz, dass diese Form der Wahl ausgesprochen gut ankommt und den Wünschen der Bürgerinnen und Bürgern entspricht. Wir sollten mehr Menschen diese Zugangsform ermöglichen.

Briefwähler sind weder an ein festes Datum noch eine Tageszeit gebunden. Sie können um Mitternacht ihren Wahlzettel ausfüllen und dann in den Briefkasten werfen. Vielleicht ist das auch der Grund für die Briefwahl. Darum sollten wir nicht länger an den Öffnungszeiten der Wahllokale festhalten. Der Landtag sollte Prüfaufträge vergeben, ob die Anzahl der Wahltage beispielsweise auf das gesamte Wochenende ausgedehnt werden kann.

Zu den Verfahren gehört sicherlich auch, zu fragen, ob es nicht möglich ist, das starre Netz der Wahllokale zu verdichten. Bislang bieten die Parteien Fahrservice für die Wählerinnen und Wähler an. Warum kann nicht gleich das Wahllokal vorbeikommen? Die Einrichtung mobiler Wahllokale ist vor allem in ländlichen Gebieten oder auch bei bestimmten Wählergruppen gut vorstellbar. So könnte es mobile Wahllokale in Schulen geben, die im Rahmen von Demokratieprojekten aufgebaut werden können und so die Jugendlichen direkt zur Stimmabgabe motivieren könnten. In Dänemark hat man hiermit gute Erfahrungen gemacht. 

Zum Abschluss möchte ich klar stellen, dass auch die Nicht-Wahl Ausdruck demokratischer Gesinnung sein kann. Wir hatten in Schleswig-Holstein Landratswahlen mit nur einem Bewerber. Dass da viele Wählerinnen und Wähler nicht gewählt haben, ist nachvollziehbar. So lange es gar keine oder kaum Alternativen gibt, ist die Nicht-Wahl durchaus auch eine demokratische Option. Nachdem das Europaparlament beispielsweise mehr Befugnisse bekam, sank die Zahl der Nichtwähler bei der Europawahl und mehr Bürgerinnen und Bürger nahmen ihr Wahlrecht wahr. Attraktive Politik mit klaren Alternativen ist eben die beste Einladung zur Beteiligung.

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