Tale · Christian Dirschauer · 24.01.2024 Die Landwirte brauchen klare und verlässliche Aussagen

„Es geht bei den Bauern-Demos um weit mehr als nur um Agrardiesel oder Kfz-Steuer. Vor dem Hintergrund, dass Landwirtschaft sich seit Jahren von Politik und Gesellschaft nicht verstanden fühlt und ihnen immer neue Auflagen und Verschärfungen vorgeschrieben werden, brauchte es nun wohl ein Ventil, um auch Druck abzulassen. Aber eben auch, um nochmal mehr auf die Situation in der Landwirtschaft aufmerksam zu machen.“

Christian Dirschauer zu TOP 17+32+34 - Flurbereinigungsverfahren stärken sowie Bericht über landwirtschaftliche Schwerpunkte und Ziele 2024 und Landwirtschaft braucht Zukunft und Perspektive (Drs 20/1692, 20/1800 und 20/1803)

Die Entscheidung der Bundesregierung die Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge zu streichen und die Streichung der Dieselsubvention waren der Tropfen, der das Fass für viele Bäuerinnen und Bauern zum Überlaufen gebracht hat. Und diese Berliner Streichungen hatten wohl einzig einen finanzpolitischen Hintergrund: es sollte als Konsolidierungsbeitrag dienen, für den angeschlagenen Haushalt. Ohne Fingerspitzengefühl und nur mit einem Federstrich sollte hier etwas durchgedrückt werden. 
Es hat zu Allianzen geführt – nicht nur innerhalb der Landwirtschaft, auch mit anderen Berufszweigen – die es so noch nicht gegeben hat. Mit großen Trecker-Demos haben Bäuerinnen und Bauern bundesweit und tagelang gegen diese Streichungen demonstriert und ihren Unmut auf die Straße getragen. Damit haben sie von ihrem grundgesetzlichen geschützten Demonstrations- und Versammlungsrecht Gebrauch gemacht. Und das ist auch gut so. 
Gleichwohl gab es Aktionen, die von diesem Recht nicht gedeckt sind. Dazu gehört das Sperren von Autobahnauf- und Abfahrten und das, was wir in Schlüttsiel gesehen haben. Geschehnisse wie in Schlüttsiel sind in einem demokratischen Rechtsstaat ein absolutes „No go“. Und dies wird ja gerade juristisch aufgearbeitet. Zudem wissen wir, dass diese aufgeheizte Stimmung politisch auch von rechtsradikaler und rechtsextremer Seite versucht wird zu instrumentalisieren. Daher begrüßen wir es, dass der Bauerverband sich ganz klar von solchen Tendenzen distanziert hat und diese auch eindeutig ablehnt. 
Bereits zu Beginn des Jahres, hatte der Bauernverband parteiübergreifend eingeladen, um auf die Situation aufmerksam zu machen und vor allem, um deutlich zu machen, welche finanziellen Auswirkungen die beabsichtigten Streichungen für unsere Landwirte haben. Es mag hierbei vielleicht nicht um die größten Summen gehen, das kann aber je nach Betrieb und Betriebsart unterschiedlich sein. 
Es geht auch darum, dass die Betriebe heute keine adäquate Alternative zu ihren Treckern haben. Die Entwicklung der E-Traktoren steckt noch in den Kinderschuhen und das bedeutet real, dass es derzeit noch gar keinen echten Markt gibt für entsprechende Alternativen. Auch E-Fuels für Traktoren gibt es nicht. Das heißt, die Streichungen hätten nicht einmal eine Lenkungswirkung. 
Wie gesagt, die Streichungen, die nun zum Teil zurückgenommen wurden oder sich jetzt auf mehrere Jahre verteilen, haben das Fass zum Überlaufen gebracht. Es geht bei den Bauern-Demos aber um weit mehr als nur um Agrardiesel oder Kfz-Steuer. Vor dem Hintergrund, dass Landwirtschaft sich seit Jahren von Politik und Gesellschaft nicht verstanden fühlt und ihnen immer neue Auflagen und Verschärfungen vorgeschrieben werden, brauchte es nun wohl ein Ventil, um auch Druck abzulassen. Aber eben auch, um nochmal mehr auf die Situation in der Landwirtschaft aufmerksam zu machen. 
Wir wissen um die Herausforderungen, vor denen die Landwirtschaft steht: Verschärfung der Düngeverordnung, tierwohlgerechte Stallumbauten, Biodiversität, Klimawandel mit Extremwetterlagen, wie Dürre und Überschwemmung. Landwirtschaft ist heute mehr denn je, von äußerlichen Zwängen beeinflusst. Die Landwirtschaft befindet sich also in einem Transformationsprozess, der politisch und gesellschaftlich gewollt ist. Die Empfehlungen der Borchert-Kommission werden von allen Interessenvertreterinnen und -vertretern getragen. Sie sind die Grundlage für einen Umbau in der Tierhaltung und für mehr Tierwohl. Dafür braucht es finanzielle Unterstützung und keine Kürzungen und wenn doch, dann braucht es adäquate Kompensation. Der sukzessive Umbau in der Tierhaltung wird in der Politik diskutiert. Es geht aber nicht um das ob, sondern um das wie? Und vor allem wie es bezahlt werden soll. Hier gehen die Vorschläge der Borchert-Kommission mit denen von Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir weit auseinander, sowohl im Umfang als auch in der Geschwindigkeit. Aber genau hier brauchen die Landwirte klare und verlässliche Aussagen. 
Dies gilt nicht allein für die Politik. Wir sehen auch die Lebensmittelindustrie und den Einzelhandel in der Verantwortung. Die Landwirtschaft ist das schwächste Glied in der Kette und sie hat kaum Einfluss auf den Verkaufspreis, weil sie einer Marktmacht gegenübersteht, der sie nur selten etwas entgegenzusetzen hat. Es ist kein Gleichgewicht der Kräfte; daher funktioniert dieses System nicht.
Landwirte brauchen faire Preise, Verbraucherinnen und Verbraucher aber keine überhöhten. 
Über Jahrzehnte war das Motto „wachsen oder weichen“ und entsprechend sind die Betriebszahlen Jahr um Jahr gesunken. Wenn die Betriebe im Dorf nach und nach verschwinden, lässt das niemanden unberührt. Das macht schon was mit einem. Daher ist auch das Einfordern von Verlässlichkeit und Planbarkeit ein klares Signal an die Politik.
Vor Jahren hatten wir vergleichbare Trecker-Demos bei uns im Land. Die Politik ist seinerzeit mit der Landwirtschaft ehrlich ins Gespräch gegangen. Wie stellen wir uns Landwirtschaft in Schleswig-Holstein im Jahr 2040 vor? Für diese Maßgabe wurden seinerzeit 24 Thesen herausgearbeitet von Akteuren aus der Landwirtschaft, dem Naturschutz und der Forschung. Und für uns als SSW haben diese Thesen immer noch Gültigkeit. Wir wollen eine Landwirtschaft, die bäuerlich geprägt ist, die vor Ort Lebensmittel nach hohen Standards produziert. Wir wollen die Wertschöpfung im Land erhalten, denn nur dann behalten wir die Kontrolle, Qualität und Versorgungssicherheit. 
Ein immer wiederkehrender Punkt ist der Bürokratieabbau. Was kann Politik machen, um hier für Entlastung zu sorgen? Sowohl der Bund als auch die Landesregierung sind hier gefragt, auf die Landwirtschaft zuzugehen und für Entlastung zu sorgen. Gleichwohl gehört zur Ehrlichkeit dazu, dass dies wohl nicht in allen Bereichen geschehen kann. Wer öffentliche Gelder bekommt, muss entsprechende Leistungen erbringen und Kriterien erfüllen und die sind mit bürokratischem Aufwand verbunden. Da gibt es kein Vertun. Aber wo können wir endlich mit Bürokratieabbau anfangen? Wegducken und auf Berlin verweisen hilft nicht weiter. 

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