Tale · Lars Harms · 11.12.2019 Die Reformierung des Besteuerungssystems ist ein Gebot der Gerechtigkeit

Eine Digitalsteuer auf nationaler Ebene wäre ein wichtiges Zeichen, eine Digitalsteuer auf EU-Ebene ist jedoch das Mindestziel, das es umgehend zu verhandeln und zu erreichen gilt.

Lars Harms zu TOP 17 - Faire Besteuerung für digitale Geschäftsmodelle sicherstellen (Drs. 19/1697)

Der digitale Wandel schreitet unaufhaltsam voran, ganze Wirtschaftsbranchen durchleben grundlegende Veränderungen und insgesamt profitieren wir ja auch alle von dieser Entwicklung. Digitale Geschäftsmodelle sind ein echter Kassenschlager und die dahinterstehenden Unternehmen genießen weithin viele Vorteile – so auch in puncto Besteuerung. Doch diese Bevorteilung ergibt sich aus einer schamlosen, allerdings legalen Ausnutzung der derzeit geltenden Steuervorschriften, die auf herkömmliche Unternehmen aus den klassischen Wirtschaftszweigen zugeschnitten sind. Es ist offensichtlich, dass das gegenwärtige Steuersystem den Anforderungen im digitalen Kontext nicht mehr genügt und an die sich wandelnde Wirtschaftsrealität angepasst werden muss. Der vorliegende Antrag der Regierungsfraktionen rückt dieses Thema nun also in den Focus und die darin enthaltenen Forderungen sind auch grundsätzlich zu begrüßen.

Denn Stand jetzt können Digitalunternehmen das Steuerrecht unterlaufen, indem sie ihre Steuerzahlungen durch geschickte Gewinnverlagerungen auf ein Minimum reduzieren. Die Praxis einer solchen „kreativen Steuergestaltung“ mag also bislang legal sein – gerecht ist sie allerdings nicht. Unter dieser Steuerungerechtigkeit und den damit verbundenen Wettbewerbsnachteilen haben insbesondere KMU und Start-ups zu leiden – solche Unternehmen also, die gerade auch hier in Schleswig-Holstein das Rückgrat unserer Wirtschaft bilden. Und während bei uns jede Kioskbesitzerin und jeder Cafébetreiber brav Umsatzsteuer zahlen muss, können die großen Tech-Unternehmen diese weiterhin legal umgehen. Ich möchte die Diskussion an dieser Stelle allerdings nicht auf die populären Streitpunkte rund um reine Steuervermeidungsstrategien oder medienwirksame Razzien verkürzen. Die Digitalisierung wird die allermeisten Geschäftsmodelle nachhaltig verändern und bislang gültige Wirtschafts- und Wertschöpfungsdefinitionen müssen entsprechend an die neuen Gegebenheiten angepasst werden. Die Reformierung des Besteuerungssystems ist daher eine Notwendigkeit wie auch ein Gebot der Gerechtigkeit.

Dass die Erarbeitung einer wasserdichten und nachhaltigen Lösung für diese komplexe Thematik eine Mammutaufgabe ist, können wir ja nun schon seit einigen Monaten verfolgen. 
Ehrlicherweise sind die bisherigen Ergebnisse frustrierend: Eine EU-weite Lösung ist vorerst gescheitert, selbst eine abgespeckte Form der Digitalsteuer war nicht konsensfähig. Stattdessen hat beispielsweise Frankreich einen nationalen Alleingang gestartet, während Deutschland selbst diese Maßnahme ablehnt. Der Bundesfinanzminister hofft nun, dass neue Regeln der OECD das Problem schon irgendwann lösen werden. 
In der Tat ist die auch im Antrag erwähnte OECD-Initiative ambitioniert und unterstützenswert. Selbstverständlich ist ein multilateraler Ansatz einem solchen Szenario vorzuziehen, in dem jedes Land sein eigenes Süppchen kocht und mit einer einseitig eingeführten Steuer womöglich einen erheblichen Wettbewerbsnachteil in Kauf nehmen müsste. Allerdings erledigt doch auch kaum etwas ehrgeizige Pläne so zuverlässig wie das Warten auf globale Einigungen. 

Die Hintergründe der Überlegungen, wonach es für eine globale Lösung zwingend eine Verständigung mit den USA geben muss, wo schließlich die führenden Tech-Konzerne der Welt ihren Sitz haben, sind absolut nachvollziehbar. Allerdings müssen sich in diesem Fall noch mehr Länder einig werden und wenn wir realistisch sind, so sollten wir unsere Erwartungen diesbezüglich nicht allzu hoch schrauben.
Wir vom SSW plädieren stattdessen dafür, dass man sich pragmatisch eins nach dem anderen vornimmt. Ganz nach der Devise: Klein anfangen, groß aufhören. Eine Digitalsteuer auf nationaler Ebene wäre ein wichtiges Zeichen, eine Digitalsteuer auf EU-Ebene ist jedoch das Mindestziel, das es umgehend zu verhandeln und zu erreichen gilt. Anschließend bzw. parallel kann selbstverständlich weiterhin an einer globalen Lösung gebastelt werden, aber wir sollten bei diesem Thema nicht noch mehr Zeit verlieren.

Es braucht also insgesamt ein an die neuen Gegebenheiten angepasstes, faires Besteuerungssystem, das einheitliche Regeln schafft und für alle Unternehmen gleichermaßen gilt. Wir können den vorliegenden Antrag daher unterstützen, damit diese Angelegenheit möglichst zeitnah und effektiv auf den höheren Ebenen angegangen werden kann.

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