Tale · Flemming Meyer · 18.06.2004 Entwicklung und Stand der Kulturwirtschaft in Schleswig-Holstein

„Kultur ist schön, macht aber viel Arbeit“ (Karl Valentin). – „ Kultur schafft aber auch Arbeit, zeigt uns der Kulturwirtschaftsbericht“.

Endlich liegt er vor - der Bericht zur Kulturwirtschaft, wäre ich fast geneigt zu sagen. Doch zum Glück hat sich das Warten gelohnt, da er genauso ausführlich und informativ ist, wie wir es von ihm erhofft haben. Dafür danke ich im Namen des SSW dem federführenden Kulturministerium und all denen, die gedacht, formuliert und geschrieben haben. Sie haben aus unserer Sicht gute Arbeit geleistet.

Auch möchte ich mich noch mal bei der Kollegin Schwarz dafür bedanken, dass sie den vorliegenden Bericht initiiert hat. Trotz der viel besungenen Kulturhoheit der Länder, gehören Kulturdebatten nicht gerade zu den Bestsellern in diesem Hohen Hause. Das ist nicht nur „Sünde“ für uns, wie wir in Flensburg sagen. Dadurch wird in viel zu vielen Zusammenhängen ausgeklammert, dass sich der Kultursektor zu einer echten „Querschnittsaufgabe“ entwickelt hat.

Der Bericht belegt, dass auch die Rolle der Museen und Sammlungen in der Kulturwirtschaft in den letzen Jahren stetig zugenommen hat. So stieg die Anzahl der Museen 1995 bis 2003 von 173 auf 258 an. Das ist ein Anstieg von knapp 50 %, wobei die Museen trotz oder gerade wegen knapper öffentlicher Kassen immer erfindungsreicher in der Beschaffung von Geldern geworden sind. Das archäologische Landesamt ist hier ein herausragendes Beispiel. Das wirtschaftliche Bewusstsein der Betreiber und auch ihr Talent im Einwerben von Drittmitteln hat somit eine Aufwertung erfahren. Und daher stimmen wir mit dem Bericht überein, wenn dort steht, dass gerade die touristische Relevanz der Museen – und vor allem auch die der kleinen Häuser – künftig mehr Beachtung finden muss.

Konkret heißt das für den SSW, dass wir uns darum bemühen werden das Museum am Danewerk zu stärken. Denn das Danewerk hat nicht nur in der deutsch-dänischen Geschichte eine wichtige Rolle gespielt, sondern ist das größte Kulturdenkmal Nordeuropas.

Mit diesem – ersten - schleswig-holsteinischen Kulturwirtschaftsbericht reihen wir uns in eine Reihe von Bundesländern ein, die immer länger wird. In Nordrhein-Westfalen werden bekanntlich seit über 10 Jahren in regelmäßigen Abständen Kulturwirtschaftsberichte erstellt. Mittlerweile gibt es ähnliche Berichte u.a. in Hessen, Baden-Württemberg, Berlin und Sachsen-Anhalt, wo man sich vor ein paar Jahren seinen ersten Kulturwirtschaftsbericht mit EU-Fördermitteln finanzieren ließ.

Dass die Erstellung dieser Bestandsaufnahme nicht gerade leicht war, können wir im Bericht nachlesen. Problematisch ist zum Beispiel, dass es keine Statistik in Schleswig-Holstein gibt, die sich direkt mit der Kulturwirtschaft beschäftigt. So war man auf indirekt zuständige Statistiken angewiesen, wie die Umsatzsteuerstatistik und die von der Bundesagentur für Arbeit geführte Beschäftigtenstatistik - gegliedert nach der aktuellen Wirtschaftszweigsystematik. Ein weiteres Problem ist die fehlende eindeutige Definition des Begriffs Kulturwirtschaft. Um hiermit weiter zu kommen, gibt es seit Anfang des Jahres eine länderübergreifende Arbeitsgruppe, die sich auf eine inhaltliche Abgrenzung dieses Bereiches verständigen soll. Angestrebt wird außerdem der Aufbau einer kostengünstigen Datenbank-Lösung, um die Vergleichbarkeit der Daten zu erreichen. Das begrüßen wir, da es unserer Meinung nach auch im schleswig-holsteinischen Interesse ist, künftig präzisere Informationen über die Kulturwirtschaft in unserem Lande abfragen zu können.

Zu Recht wird in den Vorbemerkungen des Berichts auf die Komplexität des Themas aufmerksam gemacht. Dazu gehören auch die Ausführungen über die Verzahnung der öffentlich finanzierten kulturellen Grundversorgung mit der privat finanzierten Kulturwirtschaft. – Soll heißen, dass die Nachfrage nach Kultur eine kulturelle Sozialisation voraussetzt, die gesellschaftspolitisch betrachtet andere Ziele verfolgt als den Kulturkonsum zu fördern. Ich denke, entscheidend ist dabei eher, dass Kultur identitätsstiftend wirkt. Dennoch muss Kulturpolitik zur Kenntnis nehmen, dass Kulturproduktion mehr und mehr von den Marktprinzipien der Kulturwirtschaft gesteuert wird, dass privatwirtschaftlich organisierte Formen der Kulturarbeit ständig an Gewicht gewinnen, dass sich die Kulturlandschaft gerade im Spannungsfeld von „öffentlich und privat“ dynamisch verändert.

Es würde zu weit führen, jetzt auf konkrete Einzelheiten des Berichts einzugehen. Daher nur ein paar Beobachtungen:

Der Musikmarkt scheint bundesweit ein Wachstumsmarkt zu sein. So steigen nicht nur die Besucherzahlen von Live-Musik Veranstaltungen - 30,8 Mio. Personen nehmen in Deutschland pro Jahr in ihrer Freizeit an Konzerten teil und geben dafür 2,6 Mrd. € aus, auch der Umsatz von Tonträgern steigt. Deutschland ist damit der viertgrößte Markt weltweit und der zweitgrößte Markt in Europa. Der schleswig-holsteinische Musikmarkt liegt, an Wirtschaftskraft gemessen, im Ländervergleich an achter Stelle, wobei wir wieder vor der Frage stehen, ob unser Glas nun halb leer oder halb voll ist. Dass es schwierig sein könnte, die Musikwirtschaft zu stärken, hängt vielleicht auch damit zusammen, dass laut Bericht die Anzahl der Selbständigen von 1995 bis 2002 um 50% gestiegen ist, die durchschnittlichen Jahreseinkommen sich in dieser Zeit jedoch nicht geändert haben.

Wenige Chancen räumt der Bericht dem schleswig-holsteinischen Kunstmarkt ein. Konkret heißt es auf Seite 25, dass unser Land „ein schwieriger Kunstmarkt“ ist. Für mich stellt sich hier die Frage, ob wir politisch dazu beitragen können, die Rahmenbedingungen so zu ändern, dass dieser Markt weniger „schwierig“ wird.

In den Abschnitten über Kulturverwaltung und Kulturmanagement wird hervorgehoben, dass auch die kulturellen Verbände der Minderheiten eine Rolle spielen. Das kann ich natürlich ohne weiteres bestätigen, denn einerseits definieren sich die nationalen Minderheiten in erster Linie über ihre Sprach- und Kulturarbeit. Andererseits entsteht dadurch auch ein kultureller Markt, der wiederum zu einem vielfältigen Veranstaltungs- und Kulturmanagement führt. Das gleiche gilt für den Bereich der Soziokultur, wo das „Aktivitetshuset“ in Flensburg schon längst einen etablierten Platz einnimmt.



Insgesamt sollte der Abschnitt über die Bedeutung des Kulturtourismus für Schleswig-Holstein in der Ausschussberatung eine zentrale Rolle spielen. Dabei sollte folgende Aussage uns etwas zu denken geben: „Von den ca. 2,6 Mio. Urlaubsreisen nach Schleswig-Holstein fallen nur etwa 1,7 % in diese Kategorie“ – d.h. in die Kategorie der Kulturreisen. „Es gilt dieses zurzeit noch geringe touristische Potenzial durch eine verstärkte Öffnung kultureller Einrichtungen und Veranstaltungen für die touristische Vermarktung deutlich zu stärken“. Dass dieses durchaus möglich ist, zeigt aus Sicht des SSW die Entwicklung des SHMF. Und noch ein Zitat zeigt auf, wohin die Reise gehen sollte: „Qualifizierte große und kleine Museen in den Urlaubsregionen sind Sympathieträger; sie vermitteln den Gästen die Identität und Alleinstellung unseres Landes. Museen tragen so zur tieferen Kenntnis der Urlaubslandschaft bei und begünstigen Wiederholungsbesuche in Schleswig-Holstein.“. Mit anderen Worten: es gilt das kulturwirtschaftliche Bewusstsein in unserem Land zu schärfen und zu fördern, denn Schleswig-Holsteins Stärke ist eine vielfältige Kulturlandschaft.

Wie ich eingangs hervorhob, begrüßen wir diesen Bericht nicht zuletzt auch deswegen, dass er offen darlegt, wie schwierig es im Grunde ist, einen soliden Kulturwirtschaftsbericht zu schreiben. Dennoch gibt er eine ganze Reihe von Anregungen, die – ich sagte es bereits – im Ausschuss debattiert werden sollten. Dazu gehört auch die große Problemstellung der Förderung. Doch auch andere Fragen würde ich gern aufgreifen. Zwei möchte ich abschließend nennen: 1) Aus unserer Sicht wäre es überlegenswert, die Kulturwirtschaft in Schleswig-Holstein durch ein wissenschaftliches Netzwerk zu fördern. Zentrale Aufgabe so eines Netzwerkes sollte insbesondere die Entwicklung von Qualifikations- und Ausbildungsprofilen für kulturwirtschaftliche Berufe sein. Mit einbezogen werden sollte u.a. auch der deutsch-dänische Studiengang „Kultur- und Sprachmittler“ an der Universität in Flensburg, möchte ich in Klammern hinzufügen. 2) Auch wenn der Bericht die Meinung vertritt, dass wir für die Kulturwirtschaft keine gesonderten Förderinstrumente brauchen, regen wir einen Förderwettbewerb für Unternehmensgründungen im Bereich der Kulturwirtschaft an. Zumindest sollten wir uns damit auseinander setzen, ob die existierenden Fördermöglichkeiten transparent genug sind.

Die Konklusion lautet also – frei nach Karl Valentin: Kultur ist schön, macht aber nicht nur, sondern schafft auch viel Arbeit.

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