Tale · Flemming Meyer · 28.08.1997 Ernährungswirtschaft und Gütezeichen Schleswig-Holstein

Die Ernährungswirtschaft ist eine der wichtigsten Branchen in Schleswig-Holstein. Sie ernährt das Land in mehr als nur einem Sinne, und deshalb ist es nicht nur irgendeine Wirtschaftsdebatte, wenn dieses Haus sich mit dem Thema beschäftigt.

Die Ernährungswirtschaft ist eine harte Branche geworden, in der Erfolg und Absturz immer dichter beieinander liegen. Die Abnehmerseite konzentriert sich zunehmend auf wenige Großhandelsketten und kann so die Preise drücken. Auf der Anbieterseite verstärkt sich die internationale Konkurrenz, die zu immer neuen Rationalisierungsmaßnahmen drängt. Lebensmittelskandale haben die Verbraucherinnen und Verbraucher verunsichert, am schlimmsten im Fleischsektor, der schwere Einbußen hinnehmen mußte.

Gerade weil das so ist, und weil die Ernährungswirtschaft ein Herzstück Schleswig-Holsteins ist, fordern wir von der Landesregierung klare Konzepte. Sie soll darstellen, welche zukunftsträchtigen Konzepte sie hat, und wie sie über die Weiterentwicklung des Bestehenden hinaus die Rolle der Ernährungswirtschaft in Schleswig-Holstein stärken will. Ich muß gestehen, daß ich in dem Bericht zur Situation und Entwicklung der Ernährungswirtschaft gern etwas konkreter gesehen hätte, welche neuen Richtungen die Politik der Landesregierung in den nächsten Jahren einschlagen möchte.
Einer der erfreulicheren Punkte im Bericht, ist der erklärte Wille, wieder eine Regionalisierung anzustreben. Rohstoffe aus der Region sollen in der Region verarbeitet werden und nach Möglichkeit sogar in der Region gehandelt und verzehrt werden. Das hält die Wertschöpfung im Lande. Die Verringerung des Transportaufkommens schont Umwelt und Tiere. Die Absicht einer Regionalisierung in der Ernährungswirtschaft kann ich voll und ganz Unterstützen, denn sie entspricht einer grundlegenden SSW-Forderung. Verbraucherinnen und Verbraucher in vielen europäischen Ländern legen zunehmend Wert auf Qualität statt nur auf Quantität. Tierschutz, Umweltschutz und Gesundheitsschutz werden zunehmend zu Kriterien, die Präferenzen und Kaufverhalten entscheiden. Das eröffnet Chancen für eine regionalisierte Ernährungswirtschaft.

Mir ist allerdings noch nicht ganz klar geworden, wie die Landesregierung eine Regionalisierung erreichen und gewährleisten will. Das Land hat nicht die Mittel, um mit großen Summen im Lebensmittelmarkt zu intervenieren, und die Politik der EU hat uns vorgeführt, daß das auch nicht unbedingt wünschenswert ist. Eine zweite Möglichkeit wäre, die Ernährungswirtschaft finanziell zu unterstützen. Das wäre zum Beispiel im Rahmen einer einzelbetrieblichen Förderung möglich. Diese Möglichkeit hat sich die Landesregierung und die Mehrheit in diesem Hause aber selbst genommen.

Was also bleibt ist deshalb hauptsächlich die Bereitstellung von Infrastruktur, die Unterstützung bei der Entwicklung neuer Produktion- und Kooperationskonzepte und vor allem die Unterstützung bei der Vermarktung der Produkte. Das Land kann Vermarktungsstrategien finanziell und ideell unterstützen, und tut es bereits.

Die unter vielen Aspekten sicher sinnvollste Vermarktungsmethode ist die Direktvermarktung. Sie minimiert die Transportwege und schafft Vertrauen bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Im Bereich des ökologischen Landbaus hat dieses sich bereits bewährt. Ähnliche Strukturen ließen sich bei den konventionellen Landwirtschaftsprodukten ausweiten.

Die mit Sicherheit bisher größte Erfolgsgeschichte in der Vermarktungspolitik des Landes ist die des Gütezeichens „Hergestellt und geprüft in Schleswig-Holstein“. Das Gütezeichen steht für beste Qualität, und das wissen mittlerweile auch viele Verbraucherinnen und Verbraucher. Daß so etwas gepflegt werden will, weiß auch die Landesregierung. Dem Bericht zufolge sollen die Qualitätsstandards noch weiter ausgebaut und die Marketingstrategie verfeinert und erweitert werden. Dabei sollen Umwelt- und Gesundheitsstandards noch stärker betont werden - unter anderem durch den Ausschluß bestimmter Zusatzstoffe und Herstellungsverfahren. Das alles sind Maßnahmen, die notwendig sind. Es bleibt zu hoffen, daß die hierfür notwendigen Mittel nicht kurzsichtigen Zwecken der Haushaltssanierung zum Opfer fallen.

Eine neuere Form der Vermarktungsförderung sind die Mittel, die den Verbänden der ökologischen Landwirtschaft zur Verfügung gestellt werden. Namen wie Bioland, Demeter und Naturland stehen an sich schon für eine hohe Qualität der Lebensmittel. Hier wäre es aber wünschenswert, wenn man sich auf ein einheitliches Gütesiegel einigen könnte und sich zu gemeinsamen Kampagnen zusammenschließt.

Mittel für das Gütezeichen und die Vermarktung im ökologischen Landbau sind gut ausgegebenes Geld. Das Gütezeichen und der ökologische Landbau sind aber recht exklusive Vermarktungsstrategien. Sie umfassen bei weitem nicht die gesamte Ernährungswirtschaft und sie liegen aufgrund ihrer hohen Qualität häufig in einem Preissegment, das für viele Verbraucher nicht erschwinglich ist.

Die meisten Lebensmittel befinden sich im Bereich zwischen dem Gütezeichen und den exklusiven Produkten der ökologischen Anbauverbände. Zur Orientierung in dem großen Massensektor zwischen diesen beiden Hochpreissegmenten, gibt es aber keine Hilfe. Mittlerweile trägt nahezu jedes Produkt ein „Öko“-Logo, was eher zur Verunsicherung der Verbraucherinnen und Verbraucher beigetragen hat.
Deshalb sind wir immer noch der Meinung, daß das Land durch eine zusätzliche, nicht so exklusive Kennzeichnung einen weiteren Beitrag zur Unterstützung der Ernährungswirtschaft leisten könnte. Wir stellen uns eine neutral durchgeführte Kontrolle vor, bei der die nachhaltige Umweltverträglichkeit sämtlicher Produktionsschritte, Gesundheitsaspekte und eventuelle Tierschutzaspekte bewertet und eingestuft werden. Diese Daten könnten im Rahmen eines Gütezeichens auf dem Produkt angegeben werden. Qualität ist das Pfund mit dem die Wirtschaft in Schleswig-Holstein wuchern kann. Die internationale Konkurrenz um den billigsten Preis kann sie nur verlieren. Durch eine Gesamtrechnung und einer entsprechenden Kennzeichnung hätten die Produzenten zusätzliche Vermarktungschancen für Qualitätsprodukte. Verbraucherinnen und Verbraucher bekämen gleichzeitig die Orientierungshilfe, die sie mit ihrem Wissen um Tierarzneien, Tierquälerei, Überdüngung, Seuchen, Giftstoffe und künstliche Aromen dringend benötigen.

Die Landesregierungen seit 1988 haben ja eine glückliche Hand mit Fördermaßnahmen, wie uns gestern der Wirtschaftsminister erklärt hat. Deshalb traue ich der bestehenden Regierung auch zu, einen so großen Schritt einzuleiten, wie es ein neues Gütezeichen notwendigerweise ist.

Diese Rede mag den Eindruck hinterlassen habe, daß ich im Bericht nicht über jene Seite hinausgekommen bin, auf dem ich die Regionalisierung fand. Das wäre falsch. Meine Aussagen zur Bestandsaufnahme und den anderen Zielsetzungen bzw. nicht vorhandenen Zielsetzungen werde ich der Ausschußberatung vorbehalten.

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