Tale · Lars Harms · 18.12.2015 Es kann keine nationale Lösung für ein internationales Problem geben

Lars Harms zu TOP 24B - Grenzkontrollen an den europäischen Binnengrenzen

Das Gespenst der Grenzkontrollen huscht durch unseren Kontinent. Denn in vielen Ländern Europas hat man sich längst daran gewöhnt, dass Grenzkontrollen der Vergangenheit angehören. Dies ist ein subjektives Gefühl. Denn Fakt ist, dass Norwegen derzeit Pass und Visakontrollen durchführt. Diese werden durch die Transporteure durchgeführt. Schweden und Dänemark haben ähnliche Maßnahmen angekündigt. Slowenien verstärkt seine Zäune und führt Kontrollen an der Grenze zu Österreich und Kroatien durch. Ungarn hat bekannter Maßen einen massiven Zaun an seiner südlichen Grenze errichten lassen und  führt Grenzkontrollen an den Grenzen zu Kroatien und Rumänien durch. Auch Griechenland, Spanien, Frankreich und Bulgarien haben in einigen Regionen Grenzzäune aufstellen lassen. Die Slowakei kontrolliert an allen Grenzübergängen. Polen und Tschechien kontrollieren ihre Grenzen zum gemeinsamen deutschen Nachbarn. In der Bundesrepublik werden Kontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze durchgeführt. Diese bestehen seit einigen Monaten und umfassen nicht nur den Grenzverkehr, sondern auch den österreichischen Binnenverkehr! Wer von Innsbruck und Westösterreich in die Hauptstadt Wien reisen möchte, der muss automatisch durch deutsches Bundesgebiet. Das gilt sowohl für Autobahnen als auch für den Schienenverkehr. Alternativruten für den Autobahnverkehr sowie den gehobenen Bahnverkehr gibt es nicht. Und hier wird auf deutschem Boden durch Schaffner kontrolliert!

Fakt ist, Grenzkontrollen sind für viele EU-Bürger wieder Alltag geworden. Bisher waren wir in Schleswig-Holstein von einer solchen Situation befreit; abgesehen von den Wochen rund um das G7-Außenministertreffen in Lübeck. 

In diesem Sommer wurde das 30-jährige Jubiläum des Schengener-Abkommens gefeiert. Für uns als SSW steht zweifelsfrei fest, dass die Freizügigkeit über europäische Grenzen hinweg, eine besonders wertvolle Errungenschaft ist. Schleswig-Holstein ist bekanntermaßen die einzige Landverbindung zu Skandinavien auf dem Gebiet der Europäischen Union. Diese Verbindung ist prägend für unser Land und spielt bei vielen Schleswig-Holsteinern eine entscheidende Rolle im Alltag. Die offenen Grenzen haben zu mehr Arbeitsplätzen geführt und die Wirtschaft positiv beeinflusst. Zudem befördert es den kulturellen Austausch, wenn Urlauber, Studierende, Schüler, Arbeitnehmer und Einkaufstouristen seit einer ganzen Generation ungehindert die deutsch-dänische Grenze passieren können.  

Natürlich ist die Einführung von Grenzkontrollen ein bedeutender Eingriff. Doch Schengen steht eben nicht nur für offene Grenzen, sondern das Abkommen regelt ganz genau, wie Grenzkontrollen in Ausnahmefällen zu handhaben sind. Dabei geht es im konkreten Fall nicht um permanente Maßnahmen, sondern es geht wahrscheinlich um einen kürzeren Zeitraum von 30 Tagen. Die Regierung  in Kopenhagen wird diese Maßnahme mutmaßlich zu Beginn kommenden Jahres umsetzen. Ansagen, dass Beförderungsunternehmen in Deutschland zur Kontrolle ihrer Reisenden keine Befugnisse hätten, sind falsch. Beförderungsunternehmen dürfen Ausländer nur über die Grenze befördern, sofern sie in Besitz eines Passes oder eines Aufenthaltstitels sind. So steht es auch im deutschen Aufenthaltsgesetz. Und es besteht nach diesem Gesetz auch die Möglichkeit, entsprechende Kontrollen durch die Beförderungsunternehmen anzuordnen.  Diese Regelung wird an der deutsch-österreichischen Grenze durch die Bundesrepublik angewandt. Wir haben also ähnliche Verhältnisse, wie sie Dänemark einführen will. Nichtdestotrotz führen solche Grenzkontrollen zu erheblichen praktischen Problemen für die betroffenen Beförderungsunternehmen und die Menschen im Grenzland, weshalb sie natürlich vermieden werden sollten. 

Was wir deshalb brauchen, ist eine europäische Lösung. Es gibt einen Ort, an denen Grenzkontrollen oder ein verbessertes Einreiseregime tatsächlich Sinn machen würden, nämlich an den Außengrenzen des Schengen-Raums. Was wir nicht brauchen, ist eine tatsächliche Auflösung des Schengen-Abkommens und die flächendeckende Wiedereinführung von Grenzkontrollen und ähnlichem. Es kann keine nationale Lösung für ein internationales Problem geben. Das letzte, was wir jetzt brauchen, sind nationale Alleingänge. 

Weitere Artikel

Tale · Lars Harms · 22.03.2024 Die Landesentwicklungsstrategie war gelebte Bürgerbeteiligung

„Die Jamaika-Regierung hat die Landesentwicklungsstrategie öffentlich zu Grabe getragen, während sie noch die Früchte unserer Arbeit einsammelte.“ 

Weiterlesen

Tale · Lars Harms · 22.03.2024 Es muss auch um Integration gehen

„Bei der Sammlung von Kompetenzen, der Zentralisierung von Zuständigkeiten und der möglichen Umstrukturierung unserer Behörden darf es nicht nur um Ausreisen gehen. Es muss auch um Integration gehen, um Sprachkurse, um Spurwechsel, um Chancen, um Vermittlung in Ausbildung und Arbeit und um Anerkennung.“

Weiterlesen

Tale · Lars Harms · 21.03.2024 Plünderung des Versorgungsfonds ist mit uns nicht zu machen!

„Der Versorgungsfonds ist kein Sparschwein, sondern sichert die Pensionen der Zukunft. Es geht hier um nachhaltige Finanzpolitik – auch in diesem Bereich. Vorsorge für die Zukunft in wenigen Jahren für das Stopfen von Haushaltslöchern zu verfrühstücken, ist nicht nachhaltig!“

Weiterlesen