Tale · Flemming Meyer · 09.05.2007 Europabericht 2007

Der von der Landesregierung vorgelegte Europabericht 2007 gibt einen guten Überblick über die europapolitischen Schwerpunkte der Landesregierung in diesem Jahr. - Wobei natürlich die Tatsache, dass die Bundesrepublik sowohl die EU-Ratspräsidentschaft als auch den Vorsitz der G8-Staaten innehat, eine wichtige Rolle spielt.

Im Mittelpunkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 steht natürlich die immer noch ungeklärte Frage der europäischen Verfassung. Die Bundesregierung soll im Juni dem Europäischen Rat einen Bericht über den aktuellen Stand und die möglichen künftigen Entwicklungen vorlegen, der als Grundlage dafür dienen soll, wie der Reformprozess der EU fortgesetzt werden kann.

In diesem Zusammenhang kann man nur diejenigen EU-Politiker warnen, die der Meinung sind, man kann den Bevölkerungen in Holland und Frankreich oder auch in anderen EU-Ländern einfach nur einen wenig veränderten Verfassungsvertrag oder einen Zusatz zur Verfassung vorlegen. Der neue französische Präsident Nicolas Sarkozy hat ja auch schon deutlich gemacht, dass er sich allenfalls eine sehr abgespeckte „Light-Version“ des ursprünglichen Vertrages vorstellen kann. In Ländern wie Großbritannien, Dänemark, Tschechien oder Polen sieht man dieses ähnlich. Die großen Träume von einer europäischen Verfassung als Wegbereiterin eines europäischen Bundessstaates sind damit wohl endgültig gescheitert. Dies ist gut so, weil die Politik damit Gelegenheit bekommt, sich mit den konkreten Sorgen und Anliegen der Bürgerinnen und Bürger zu beschäftigen. Nur so lässt sich letztlich das ramponierte Ansehen der EU verbessern.

Die Landesregierung schreibt zu Recht in ihrem Europabericht, dass in vielen Staaten die Europaskepsis in der Bevölkerung weiterhin stark anwächst – das gilt sicherlich auch für die deutsche Bevölkerung. Ich freue mich deshalb darüber, dass es uns allen Unkenrufen zum Trotz gelungen ist, den Vorschlag des SSW für eine Bürgeranhörung in Schleswig-Holstein in einen gemeinsamen Antrag zu gießen. Wir sind also weiterhin der Meinung, dass wir unbedingt einen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern darüber brauchen, wie sich die EU in Zukunft entwickeln soll. Die wichtigen Fragen des Demokratiedefizits, der Erweiterung und der Grenzen der EU oder der Zuständigkeiten Brüssels müssen kontrovers und offen diskutiert werden.

Wir versprechen uns also von der Anhörung, die der Schleswig-Holsteinische Landtag nun am 6. Juli durchführen will, ein Stimmungsbild, das aus unserer Sicht auch in die Bewertung der deutschen Ratspräsidentschaft über die Fortführung des Reformprozesses mit einfließen sollte. Aus unserer Sicht ist das für 2007 eine der wichtigen landespolitischen Aufgaben in der Europapolitik.

Ein weiterer für den Landtag wichtiger Punkt der Europapolitik ist die Frage eines Frühwarnsystems bei EU-Initiativen. Es geht schlicht und einfach darum, dass wir auf regionaler Ebene frühzeitig über Details in der EU-Gesetzgebung diskutieren und uns somit in den Entscheidungsprozess in Brüssel mit einbringen können - bevor zum Beispiel eine EU-Richtlinie verabschiedet wird.  Der Landtag hat bisher an zwei Testläufen des Ausschusses der Regionen zur Verbesserung der Subsidiarität teilgenommen.

Wenn wir ehrlich sind, müssen wir uns eingestehen, dass die bisherigen Ergebnisse ernüchternd sind, weil die Zeitfenster im Kompetenzgewühl zwischen der EU, der Bundesregierung und dem Bundesrat so eng sind, dass der Landtag Schwierigkeiten hat, sich vernünftig mit den Vorlagen aus Brüssel zu befassen. Hier gibt es also noch dringenden Handlungsbedarf, wenn wir als Landtag vernünftig auf den europäischen Gesetzgebungsprozess einwirken wollen.

Mit dem landespolitischen Schwerpunkt „Europäische Meerespolitik“ haben wir uns  bereits im Rahmen der Ostseeparlamentarieerkonferenz beschäftigt. Der im Bericht erwähnte und im Landtag bereits beschlossene interfraktionelle Antrag – die Innovationsinitiative „European Clean Ship“- macht noch mal deutlich, worum es geht. Natürlich müssen diese Initiativen mit der EU abgestimmt werden, und hier hat die Landesregierung die Aufgabe, koordinierend zwischen Brüssel und den Ostseeanrainerstaaten tätig zu sein.

In der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit Dänemark, die im Europabericht als vorbildlich dargestellt wird,  erwarten wir aber von der Landesregierung mehr als eine koordinierende Tätigkeit  – hier fordern wir eine aktive Rolle des Landes ein. Mit den vorgeschlagenen deutsch-dänischen Leuchtturmsprojekten und der finanziellen Unterstützung für das Regionalmanagement der IHK Flensburg sind wir auf einem guten Weg. Dabei wird in 2007 die gemeinsame Erklärung zur Zusammenarbeit zwischen Schleswig-Holstein und der Region Süddänemark ein wichtiger Eckpfeiler der Europapolitik des Landes sein. Diese Erklärung wird ja noch im Juni von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen und dem Vorsitzenden der Region Syddanmark Carl Holst verabschiedet werden.

Aus Sicht des SSW ist auch zu begrüßen, dass die Landesregierung die soziale Dimension der EU und insbesondere das Vorbild der dänischen Arbeitsmarktpolitik als weitere Schwerpunkte ihrer Europapolitik ansieht. Es ist aber entscheidend, dass man sich das dänische Arbeitsmarktmodell als ganzes ansieht. -  Und dies umfasst dann auch die relative hohe soziale Sicherung, zum Beispiel bei der Arbeitslosenversicherung, und das hervorragende Weiterbildungssystem und nicht nur die Lockerung des Kündigungsschutzes. Denn gerade vom dänischen Weiterbildungs- und Qualifizierungssystem können wir sehr viel lernen. Zwar schreibt das auch die Landesregierung in ihrem Bericht –  der SSW vermisst hier aber klare Handlungsanweisungen, wie wir ein ähnlich erfolgreiches Weiterbildungsmodell in Schleswig-Holstein etablieren können. Hier gibt es also für die Landesregierung noch sehr viel zu tun, wenn dieser Schwerpunkt sich im Alltag für Unternehmen und Beschäftigte positiv auswirken soll.

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