Tale · Flemming Meyer · 24.01.2007 Gesetz über die Hochschulen und das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (Hochschulgesetz)

Es war schon ein bemerkenswerter Vorgang, dass die Landesrektorenkonferenz nach ihrer mündlichen Anhörung im Bildungsausschuss auch noch zu einer Pressekonferenz einlud. Fast könnte man dabei von einem Akt der Verzweiflung reden - von einem letzten Versuch, die politische Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass der Entwurf des Hochschulgesetzes so nicht zu verabschieden sei. Vor diesem Hintergrund wirkt die Aussage des Wissenschaftsministers in der Bildungsausschuss-Sitzung am 11. Januar, wo die regierungstragenden Fraktionen das neue Hochschulgesetz absegneten, eher wie gesund beten. Er sagte - und ich zitiere den Minister: “Wenn sich der Pulverdampf der letzten Debatte im Landtag erst einmal verzogen hat, wird schnell klar werden, dass es ein vorzügliches Gesetz ist“.

Nichts deutet aber darauf hin, dass dies so kommen wird; im Gegenteil ist zu befürchten, dass das Hochschulgesetz so schwer zu handhaben sein wird, dass alle Betroffenen dazu neigen werden, unter der Hand eigene Regeln aufzustellen. Dabei weiß der SSW zu würdigen, dass CDU und SPD mit ihren Änderungsanträgen zur Hochschulnovelle einige Probleme „geglättet“ haben.

Bei der Qualitätssicherung gibt es zum Beispiel einen Kompromiss dahin gehend, dass die Programmakkreditierung – wie von den Hochschulen gefordert - durch eine Systemakkreditierung ersetzt werden kann, wenn denn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Weiterhin wird die Qualitätssicherung nun auch explizit auf den Bereich Gender Mainsteaming ausgeweitet. Der wichtigste Kritikpunkt der Hochschulrektoren bleibt aber bestehen: Bachelor- und Masterstudiengänge sollen in der Regel vor Studienbeginn akkreditiert werden, auch wenn laut Rektorenkonferenz dies im internationalen Kontext unüblich ist. Dadurch wird, so die Kritik, die geforderte Entwicklung vergleichbarer nationaler und internationaler Rahmenbedingungen in einem europäischen Hochschulraum behindert.

Positiv ist aus Sicht des SSW auch, dass §8 des Gesetzes – über das Haushaltswesen der Hochschulen – nunmehr seine „alte“ Fassung wieder bekommen hat, weil ja zu recht in der Anhörung darauf hingewiesen wurde, dass die kurzfristig in den Gesetzentwurf aufgenommene  Regelung einen Rückschritt sogar gegenüber dem geltenden Hochschulgesetz bedeutet. Die Hochschulen des Landes erhalten also künftig einen Globalzuschuss, der im Rahmen einer Leistungsvereinbarung festgelegt wird.

Und noch ein Punkt verdient es, lobend erwähnt zu werden: Die regierungstragenden Fraktionen greifen einige Formulierungen auf aus der Stellungnahme der Landeskonferenz der Hochschulfrauenbeauftragten. Sie konkretisieren damit die Rolle der Gleichstellungsbeauftragten und heben ihre Aufgabe bei der Umsetzung des Gleichstellungsgebots hervor – und das ist eindeutig eine Verbesserung des vorliegenden Gesetzentwurfs. Last, not least freuen wir uns darüber, dass die Mehrheitsfraktionen den Änderungsantrag des SSW übernommen haben, der vorsieht, den Zugang zu einem Hochschulstudium etwas mehr zu öffnen als im Gesetz vorgesehen. Künftig wird also nicht nur die Meisterprüfung, sondern auch „eine andere vom Ministerium für bestimmte Studiengänge als gleichwertig festgestellt, abgeschlossene Vorbildung“ als Qualifikation für ein Studium in Betracht kommen. Für diejenigen, die es betrifft, ist diese Öffnung im Hochschulgesetz ein wirklicher Anreiz, weiß ich. Dafür danke ich allen, die daran mitgewirkt haben.

Für alle gelobten Änderungen des Gesetzentwurfs gilt aber gleichermaßen, dass sie unsere grundlegende Kritik am neuen Hochschulgesetz nicht ausräumen, denn in den wirklich wesentlichen Fragen hat es keine Bewegung gegeben. Das heißt: Die drei Universitäten Kiel, Lübeck und Flensburg erhalten einen gemeinsamen Universitätsrat mit weit reichenden Kompetenzen; das Vetorecht des Kanzlers oder der Kanzlerin bleibt bestehen; der Medizinausschuss kommt  und die neue Präsidentialverfassung wird die Hochschuldemokratie weiter einschränken.

Wie viel der Minister durch den Aufbau von Drohkulissen erreicht hat -  im Sinne von: „Wenn ihr nicht nachgebt, dann bekommt ihr entweder eine Landesuniversität oder Studiengebühren – oder beides zusammen“ – wissen natürlich nur diejenigen, die an den maßgeblichen Verhandlungen teilnahmen. Dass er dazu imstande ist, traue ich ihm zu. Denn es kann ja kein Zufall sein, dass er – passend zu den Koalitionsverhandlungen um das Hochschulgesetz – immer mal wieder die genannten  Säue durchs Dorf jagte.

Der SSW bleibt in diesen Fragen bei seiner schon oft vorgetragenen Meinung: Die Einführung von Studiengebühren sind für die Hochschulen in finanzieller Hinsicht nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Sie sind unsozial und werden den notwendigen Prozess hin zu mehr Hochschulabsolventen eher verlangsamen. Ich hoffe, dass die SPD allen Angriffen auf die Gebührenfreiheit des Erststudiums standhält, und rufe noch mal in Erinnerung, dass es in diesem Landtag noch immer eine Mehrheit gegen Studiengebühren gibt.

Auch sprechen wir uns weiterhin gegen eine Landesuniversität aus, weil eine Zentralisierung aus Sicht des SSW unter den gegebenen Voraussetzungen nicht zu einer Stärkung des Hochschulstandortes Schleswig-Holstein führen wird. Wir wollen die regionalen Profile unserer Hochschulen weiter ausbauen, und uns fehlt ganz einfach der Glaube, dass dies mit einer fusionierten Landesuniversität zu machen sein wird. Nun kann man einwenden, dass dies alles Schnee von gestern sei.  Dennoch wissen wir, dass der neue Universitätsrat in dieser Hinsicht wie „ein Wolf in Schafskleidern“ daher kommt.  Dass der Universitätsrat insgesamt höchst problematisch ist, ging sowohl aus der Landtagsdebatte zur ersten Lesung des Gesetzentwurfs wie auch aus ganz vielen Stellungnahmen hervor. Wir werden ihn also genau im Auge behalten, zumal auch noch nicht geklärt ist, welche finanziellen Auswirkungen die Einrichtung so eines Gremiums – nebst Geschäftsstelle – auf die Haushalte unserer Hochschulen haben wird.

Wie ich schon in der Debatte zur ersten Lesung hervorhob, muss man aus Sicht des SSW wirklich guten Willens sein, um der Hochschulnovelle überhaupt etwas Positives ab zu gewinnen. Diesen Willen haben wir nicht, wir werden das Gesetz daher ablehnen, trotz der von mir genannten Verbesserungen durch den Änderungsantrag von CDU und SPD. Wir werden auch den Antrag der FDP ablehnen, weil er - trotz einiger inhaltlicher Ansätze, die wir mit tragen können – einfach nur den Status Quo festschreibt. Darin sehen wir keine Perspektive.

Der SSW hat zwei konkrete Änderungsanträge zum Hochschulgesetz eingebracht. Zum einen den schon genannten Antrag,  der in etwas geänderter Form von den regierungstragenden Fraktionen übernommen worden ist. Zum anderen ein Antrag, der darauf abzielt, die Beschäftigung von wissenschaftlichen Hilfskräften  zu beschränken. Aus Sicht des SSW haben solche Hilfskräfte nach Erlangen eines qualifizierten Abschlusses den Anspruch auf eine Entlohnung nach geltendem Tarifrecht. Und sollte es wirklich so sein, dass es für diese Berufsgruppe keinen Tarif gibt, dann sind die Universitäten in der Pflicht, dieses schnellst möglich zu regeln. Alles andere ist für eine staatliche Institution ganz einfach nicht hinnehmbar.

Ansonsten schließt sich der SSW den Änderungsanträgen von Bündnis 90/Die Grünen an. Wir verkennen also nicht, dass sich unsere Hochschulen weiterentwickeln müssen – dass auch Hochschulpolitik nicht statisch sein kann. Wir sind aber auch der Auffassung, dass ein Hochschulgesetz für die Betroffenen nachvollziehbar sein muss. Das ist bei dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht der Fall.

Daher sagen wir: Ein landesweiter Hochschulrat darf nur beratend tätig sein. Es ist seine Aufgabe nicht, in die Hochschulen hinein zu regieren, denn auch für unsere Hochschulen gilt, dass kurze und transparente Entscheidungswege besser  und demokratischer sind als verschachtelte Machthierarchien. Statt die Hochschuldemokratie weiter auszuhöhlen, will auch der SSW wie die Grünen die Drittelparität bei grundlegenden Entscheidungen beibehalten – und zwar in einem erweiterten Senat ohne Fortführung des Konsistoriums.

Dem SSW ist außerdem wichtig, dass  die Eckpunkte für die Zielvereinbarungen der Landesregierung mit den Hochschulen wie bisher vom Parlament beschlossen werden. Dabei geht es uns nicht um eine Gängelung der Hochschulen, es gehört aber zu den Kernaufgaben des Landtages, die übergeordneten Ziele in der Hochschulpolitik des Landes festzulegen  - erst dann kann die Landesregierung konkrete Zielvereinbarungen mit den Hochschulen abschließen.

Dazu gehört aus Sicht des SSW eindeutig auch die Frauenförderung, denn in Sachen Chancengleichheit für Frauen gibt es in Schleswig-Holstein wie in allen anderen Bundesländern noch ganz viel zu tun. Hinzu kommt, dass die Föderalismusreform dem Land die alleinige Verantwortung dafür zugeschoben hat.

Bei der Novellierung des Hochschulgesetzes ist es bisher eher um Detailfragen und die Änderung von Paragraphen gegangen. Das liegt in der Natur der Sache. Dass es  letztlich aber darauf ankommt, dass der Gesetzestext den „Wirklichkeitstest“ besteht, das wissen wir auch. Mag sein, dass das neue Hochschulgesetz dieses noch eben schaffen wird. Bei einem „Zukunftstest“ würde das Gesetz aber eindeutig durchfallen.


 

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