Tale · Lars Harms · 23.09.2020 Gut, dass wir die öffentlich-rechtlichen Sender haben

Die Angebote in den anerkannten Minderheitensprachen Dänisch, Romanes, Sorbisch und Friesisch müssen auch im Fernsehen erheblich verbessert werden… Aber, ich trenne das ausdrücklich von der aktuellen Debatte um die Beitragserhöhung. Ich möchte mich nämlich nicht mit den Gegnern einer auskömmlichen Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Sender gemein machen.

Lars Harms zu TOP 3 - Gesetz zum Ersten Staatsvertrag zur Änderung medienrechtlicher Staatsverträge (Drs. 19/2279)

Corona hat vieles verändert, auch das Verhältnis zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Viele Menschen haben es sich angewöhnt, Nachrichten und Hintergründe, Pressekonferenzen auf Landes- und Bundesebene und nicht zuletzt die Corona-Regelungen via NDR oder anderen öffentlich-rechtlichen Anbietern zu verfolgen. Menschen mit Hörbeeinträchtigungen haben dabei das barrierefreie Angebot von Phoenix genutzt. Der Sender hat nämlich die Bundespressekonferenz mit Gebährdendolmetscherinnen und Dolmetschern begleitet. Nur auf diese Weise war es vielen Menschen mit Behinderungen überhaupt möglich, alle aktuellen Infos ohne Zeitverzug zu erhalten. Der Erfolg lässt sich auch an den Zahlen ablesen: Vom 16. März bis zum 3. Mai hat sich die Sehdauer für öffentlich-rechtliche TV-Inhalte um rund 20% erhöht im Vergleich zu 2019. Das Vertrauen in eine unabhängige und seriöse Berichterstattung ist in der Krise gewachsen. Viele Menschen posten in den sozialen Medien, dass sie für den einen oder anderen Beitrag gerne zahlen.
Ich bin davon überzeugt, dass das der letzte Anstoß war, der die Ministerpräsidenten dazu bewegt hat, der Beitragserhöhung zuzustimmen. Die öffentlich-rechtlichen Sender haben gezeigt, dass sie linear und auch digital gute Informationen für alle Bürgerinnen und Bürger liefern können. Man spricht hier von der dienenden Freiheit der Rundfunkanstalten. Sie sollen mit einer umfassenden und unabhängigen Berichterstattung die Meinungsbildung ermöglichen. 
Doch wir sprechen zu wenig von Vertrauen und zu viel von Geld. Ich weiß durchaus, dass in Zeiten von unsicherer Beschäftigung und Kurzarbeit die 18,36 Euro im Monat für Einige durchaus ein Kraftakt ist. Wenn die Fachleute der Staatskanzleien monatelang, in diesem Fall jahrelang, zusammensitzen und verhandeln, droht trotzdem das Wesentliche aus dem Blick zu geraten; und zwar der demokratische Auftrag der Sender. Im Verfahren verbeißt man sich in Zahlen und Bilanzen. 
Ich verlasse mich dabei auf den aktuellen Bericht der unabhängigen Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs, der KEF. Sie hatte in ihrem Beitragsbericht die Anhebung des monatlichen Rundfunkbeitrags empfohlen. Das tat sie bereits im Februar nach gründlicher Prüfung der einzelnen Anstalten. Die KEF ist bei den Sendern nicht für ihr zimperliches Vorgehen bekannt, sondern als scharfe Kritikerin. Der angemeldete Finanzbedarf wird äußerst streng unter die Lupe genommen und Einsparreserven werden eingerechnet. Die Angaben sind also seriös.
Die Aufgaben der Sender haben sich in digitalen Zeiten nicht gerade verringert, sondern sind gewachsen. Inzwischen erhalten wir innerhalb weniger Minuten Infos aus allen Winkeln des Erdballs in unsere Wohnzimmer. Und das bei einer Ausgabensteigerung von lediglich 1,2% jährlich. Damit sind nicht einmal alle Tariferhöhungen der Beschäftigten berücksichtigt; geschweige denn steigende Kosten bei Energie oder Sendetechnik. 
Als Vertreter einer Minderheitensprache würde ich mir wünschen, dass das Angebot in den anerkannten Minderheitensprachen Dänisch, Romanes, Sorbisch und Friesisch auch im Fernsehen erheblich verbessert werden würde. Dort kann nämlich dank der Untertitel auch der deutsche Zuschauer die Inhalte mitverfolgen.  Dieses dicke Brett geht es noch zu bohren. Autochtone Minderheiten haben mit der Umstellung von der Gebühren- zur Beitragsfinanzierung ein Recht auf angemessenen Service. Das bleiben die meisten Sender, allen voran der NDR, noch schuldig. 
Aber, ich trenne das ausdrücklich von der aktuellen Debatte um die Beitragserhöhung. Ich möchte mich nämlich nicht mit den Gegnern einer auskömmlichen Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Sender gemein machen. Diese sprechen den öffentlich-rechtlichen Medien als Lügenpresse jegliche Existenzberechtigung ab. 
Den Beitrag, den die Sender unter anderem mit ihren barrierefreien Angeboten, einem weltweit einmaligem Korrespondentennetz und ihrem hervorragenden Kinderprogramm leisten, erkenne ich an und muss sogar sagen, dass die Angebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wahrscheinlich sogar viel preiswerter sind, als die Angebote der werbefinanzierten Privatsender. Gut, dass wir die öffentlich-rechtlichen Sender haben.

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